VwGH 2009/09/0253

VwGH2009/09/025325.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des FB in F, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 28. August 2009, Zl. Senat-WB-07-0018, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §22 Abs1;
VStG §24;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §22 Abs1;
VStG §24;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W (in der Folge: BH) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als der gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufene (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der F GmbH mit Sitz in W, somit als Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass drei näher umschriebene türkische Staatsangehörige "mit Arbeiten im Reitstall am 30.1.2007, um 14.00 Uhr, in W entgegen § 3 AuslBG beschäftigt" worden seien, obwohl für diese Ausländer keine (näher ausgeführte) arbeitsmarktrechtliche Bewilligung bzw. Erlaubnis ausgestellt gewesen sei.

Er habe drei Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG begangen. Es wurden drei Geldstrafen (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 2009 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG

"mit der Maßgabe Folge gegeben, als der Spruch 'zu Punkt 1, AA, türkischer Staatsangehöriger, beschäftigt

vom 21.06.2006 bis 30.1.2007,

2. DG, türkischer Staatsangehöriger, beschäftigt vom 03.01. bis 30.01.2007

3. GM, türkischer Staatsangehöriger, beschäftigt vom 17.01.2006 bis 30.10.2007' (Anmerkung: das letztgenannte Datum wurde wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers mit Bescheid vom 1. Dezember 2009, der im Zuge der Aktenvorlage von der belangten Behörde vorgelegt wurde, auf 30.01.2007 korrigiert)

zu lauten"

habe und die Strafen herabgesetzt würden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens und Hinweis auf die durchgeführte mündliche Verhandlung aus, es stehe als Sachverhalt Folgendes fest (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Der (Beschwerdeführer) war in dem im Straferkenntnis angegebenen Tatzeitraum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma F GmbH mit Sitz in der Gemeinde W.

Entsprechend der Verantwortung des (Beschwerdeführers) wurden der türkische Staatsangehörige AA, geb. 01.03.1979, im Zeitraum vom 21.06.2006 bis zum 30.01.2007, der türkische Staatsangehörige GD vom 03.01. bis zum 30.01.2007 sowie der türkische Staatsangehörige MG, geb. 01.07.1967, vom 17.01.2006 bis zum 30.10.2007 im Reitstall der genannten Gesellschaft in W als Stallhilfsarbeiter beschäftigt. Die Arbeiter waren in diesem Zeitraum bei der NÖ Gebietskrankenkasse gemeldet, wurden in kollektivvertraglicher Höhe entlohnt und hat der (Beschwerdeführer) diesbezüglich sowohl die Sozialversicherungsbeiträge als auch die Lohnsteuern und sonstigen Abgaben abgeführt. Vom (Beschwerdeführer) wurden keine Erkundigungen bei der zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice darüber eingeholt, ob die Beschäftigung der drei türkischen Staatsangehörigen nach den Bestimmungen des AuslBG überhaupt zulässig ist. Vielmehr hat er auf die Angaben der drei Türken, die davor bereits beim Reitclub G beschäftigt gewesen waren, über vorhandene arbeitsmarktrechtliche Berechtigungen vertraut, ohne dies näher zu hinterfragen."

Zur rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde u.a. aus:

"Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, nur dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten bzw. Bestraften rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Der betreffende Tatvorwurf kann sich aber im Zusammenhang mit einer zu setzenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht nur aus dem Spruch, sondern dann, wenn es sich bei der Verfolgungshandlung um einen Strafbescheid handelt, in dessen Ergänzung auch aus der Begründung ergeben, wenn daraus die Absicht der Behörde, eine Person wegen einer bestimmten ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebenen Weise zu verfolgen, eindeutig hervorgeht. Dieser Forderung ist die Bezirkshauptmannschaft W durch die detaillierte Anführung der Beschäftigungszeiträume der verfahrensgegenständlichen Arbeiter in der Begründung ihres innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Straferkenntnisses nachgekommen. Der erkennende Senat war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG verpflichtet, zwecks Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44a Z. 1 VStG, die Konkretisierung der Tatanlastung im Spruch vorzunehmen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.12.2001, Zl. 2000/10/0024)."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe durch die Ausdehnung der von der Behörde erster Instanz im Spruch genannten Tatzeit 30. Jänner 2007 auf längere Tatzeiträume das Verbot der reformatio in peius nicht beachtet.

Der Teil der Erwägungen in dem von der belangten Behörde zur Begründung der Änderung des Spruches herangezogenen hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2001, Zl. 2000/10/0024, lauten vollständig:

"Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann sich nämlich überdies, anders als bei dem Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch eines Strafbescheides gemäß § 44a lit. a (heute: § 44a Z. 1) VStG, der betreffende Tatvorwurf im Zusammenhang mit einer zu setzenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, wenn es sich dabei um einen Strafbescheid handelt, nicht nur aus dem Spruch, sondern in dessen Ergänzung auch aus der Begründung ergeben, weil auch daraus die Absicht der Behörde, einer Person wegen einer bestimmten ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu verfolgen, eindeutig hervorgeht. In einem solchen Fall ist dann allerdings die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) nicht nur berechtigt, sondern zwecks Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44a lit. a (jetzt: § 44a Z. 1) VStG verpflichtet, eine Konkretisierung im Spruch vorzunehmen."

Im bezogenen hg. Erkenntnis war die Frage zu lösen, ob die Tatumschreibung im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz auch ohne minutengenaue Nennung einer Tatzeit dem Bestimmtheitserfordernis entsprach. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte dies auf Grund der wörtlichen Umschreibung der Tatzeit. In einem solchen Fall wäre die Berufungsbehörde schon deshalb berechtigt gewesen, die Tatzeit näher zu konkretisieren, weil sie im Rahmen des Spruches des Strafbescheides der Behörde erster Instanz gehandelt hätte. Zudem lagen rechtzeitige Verfolgungshandlungen vor.

Dieser Fall ist daher mit dem hier zu entscheidenden nicht vergleichbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG die Angelegenheit, die den Gegenstand des Verfahrens und den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, S. 892 f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung, insb. E 76 f).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde geht auch aus der Begründung des Bescheides der BH die Absicht dieser Behörde, den Beschwerdeführer wegen der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten längeren Tatzeiträume zu verfolgen, nicht eindeutig hervor. Denn es werden einerseits diese Tatzeiträume im Zusammenhang mit der Erzählung des der Anzeige zu Grunde liegenden Sachverhaltes genannt und auf die "lange Beschäftigungsdauer" als Erschwerungsgrund hingewiesen. Es wird aber andererseits auch die Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vom 9. Mai 2007 wiedergegeben. Bei der Aufnahme dieser Niederschrift wurde dem Beschwerdeführer die Beschäftigung der drei verfahrensgegenständlichen Türken zum Tatzeitpunkt 30. Jänner 2007 um 14.00 Uhr als Gegenstand der Amtshandlung vorgeworfen und in der Aussage des Beschwerdeführers wurde auf "den Tatzeitpunkt"

Bezug genommen. Anschließend an diese Aussage führte die BH aus:

"Sie haben die Verwaltungsübertretung nachdem diese festgestellt und nachgewiesen worden ist, zugegeben und waren der Feststellung des Sachverhaltes dienlich."

Zudem findet sich zwei Mal der Hinweis auf "die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung", welche als erwiesen anzusehen sei.

Abgesehen davon, dass es sich um drei verschiedene Taten handelt und drei unterschiedliche Beschäftigungszeiträume strittig sind, ist die Begründung des Bescheides der BH auch sonst nicht widerspruchsfrei.

Weitere Verfolgungshandlungen der BH innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist werfen ebenfalls nur den Tatzeitpunkt 30. Jänner 2007 vor.

In dem von der belangten Behörde vorgelegten Berufungsakt ist auch eine Kopie einer mit dem Beschwerdeführer vor dem anzeigelegenden Finanzamt N Team KIAB aufgenommenen Niederschrift vom 22. März 2007 enthalten, die das Finanzamt der belangten Behörde anlässlich der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Berufung vorgelegt hatte. Die Frage, ob das anzeigelegende Finanzamt Team KIAB überhaupt als Behörde im Sinne des § 32 VStG anzusehen wäre, kann aus folgenden Gründen dahinstehen:

In der Niederschrift wird als "Gegenstand der Amtshandlung" der "Verdacht der Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes" genannt, jedoch keine konkrete Tat. In der Niederschrift gibt der Beschwerdeführer an, AA vom 21. Juni 2006 bis 30. Jänner 2007, GM vom 17. Jänner 2007 bis 30. Jänner 2007 und DG vom 3. bis 5. Jänner 2007 beschäftigt zu haben. Damit ist auch aus diesen vom Beschwerdeführer genannten Daten, welche jedenfalls hinsichtlich des GM und des DG von dem von der belangten Behörde angelasteten Tatzeitraum abweichen, nicht rückerschließbar, wegen welcher konkreten Tatzeiträume der Beschwerdeführer von der Behörde hätte verfolgt werden sollen.

Da erstmals durch die Verlesung des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes, damit auch der Anzeige, in der die nunmehr angelasteten Tatzeiträume enthalten sind, in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2009 (also außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) eine vollständige Verfolgungshandlung betreffend der vor dem 30. Jänner 2007 gelegenen Tatzeiträume vorliegt, war die belangte Behörde schon aus diesem Grund nicht zur vorgenommenen Spruchänderung berechtigt.

Darüber hinaus ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei einem Dauerdelikt, wie dies eine unzulässige Beschäftigung während eines Tatzeitraumes ist, Beginn und Ende der Tatzeit in den Spruch des verurteilenden Strafbescheides aufzunehmen sind. Fehlt eine Datumsangabe, dann ist das Ende der Tatzeit mit dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzunehmen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 99/02/0337). Es liegt daher keine Ausdehnung der Tatzeit vor, wenn die Berufungsbehörde das Ende des Tatzeitraumes mit dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz im Spruch des Berufungsbescheides vornimmt. Anders liegt der Fall aber, wenn - wie hier - die BH ausdrücklich einen bestimmten Tatzeitpunkt im Spruch nennt und die Berufungsbehörde diesen Tatzeitpunkt auf einen davor gelegenen Zeitraum erstreckt. Während im Straferkenntnis der BH als Tatzeit jeweils der 30. Jänner 2007, um 14.00 Uhr, angegeben war, wurde im nunmehr angefochtenen Bescheid der Tatzeitraum mit 1. 21. Juni 2006 bis 30. Jänner 2007, 2. 3. Jänner 2007 bis 30. Jänner 2007 und 3. 17. Jänner 2006 bis (berichtigt) 30. Jänner 2007 festgesetzt. Die Festsetzung des Tatzeitraumes auch hinsichtlich der Zeiträume vor dem 30. Jänner 2007 stellt eine im Berufungsverfahren unzulässige Ausdehnung des Tatzeitraumes dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, Zl. 99/05/0172).

Deshalb belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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