VwGH 2009/08/0195

VwGH2009/08/01957.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R Z in Z, vertreten durch Brandstetter, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 14. Juli 2009, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §3;
AlVG 1977 §7;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §4 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §3;
AlVG 1977 §7;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §4 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der vom Beschwerdeführer am 14. April 2009 bei der regionalen Geschäftsstelle W eingereichte Antrag auf Arbeitslosengeld wurde mit Bescheid vom 6. Mai 2009 mit der Begründung abgewiesen, der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 1982 laufend "bei der Gewerblichen Sozialversicherung angemeldet" und daher nicht arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, bereits seit dem 1. Juli 2004 als Angestellter seinen Lebensunterhalt zu verdienen und bei der Sozialversicherungsanstalt lediglich auf Grund der Mehrfachversicherungspflicht gemeldet zu sein. Da er durch seine selbständige Tätigkeit seit längerer Zeit keinen Gewinn mehr erziele, sei er allerdings ohnehin beitragsfreigestellt. Darüber hinaus werde seine im Grunde nur auf dem Papier bestehende Gewerbetätigkeit von seiner Ehegattin ausgeübt, während er selbst dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünde und an einem neuen Dienstverhältnis sehr interessiert sei. Trotz Gesetzesänderung habe sich § 12 Abs. 6 lit. c AlVG, wonach eine selbständige Erwerbstätigkeit unter einer bestimmten Einkommensgrenze der Arbeitsloseneigenschaft nicht schadet, nicht geändert und da sich sein Einkommen unter dieser Grenze befände, habe er auch nach neuer Gesetzeslage Anspruch auf das Arbeitslosengeld.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seit 1. September 1982 auf Grund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (ersichtlich gemeint: gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) pensionsversichert sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, seine Gewerbetätigkeit bestehe nur auf dem Papier und seine Gattin führe den Betrieb, habe nicht gefolgt werden können, da der Beschwerdeführer auf Grund seines Gewerbebetriebes steuerlich veranlagt werde. Darüber hinaus sei seine Gattin seit 30. August 1995 als Angestellte beim Beschwerdeführer als Dienstgeber laufend zur Voll- und Arbeitslosenversicherung angemeldet. Er sei sohin als selbständiger Erwerbstätiger anzusehen; als solcher gelte auch, wer sich z.B. aus gesundheitlichen und anderen Gründen im Betrieb jeglicher Tätigkeiten enthalte, wenn der Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr - wie hier - weiterlaufe. Da der Beschwerdeführer seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht beendet habe und er seit 1. September 1982 in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sei, sei er gemäß § 12 Abs. 1 AlVG nicht als arbeitslos anzusehen. Dem Berufungseinwand des Beschwerdeführers, es sei auch nach der Änderung der Rechtslage mit 1. Jänner 2009 innerhalb der in § 12 Abs. 6 lit. c AlVG normierten Grenzen möglich, ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu erzielen, ohne den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren, hielt die belangte Behörde entgegen, dass sich die Anwendung des § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit. auf Fälle von über den 31. Dezember 2008 hinausgehenden Leistungsbezügen, ohne neuerliche Geltendmachung nach dem 31. Dezember 2008 und auf Fälle von selbständigen Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nicht unterliegen, reduziert habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 hat (auszugweise) folgenden Wortlaut:

"(1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

  1. a) wer in einem Dienstverhältnis steht;
  2. b) wer selbständig erwerbstätig ist;

    h) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von zumindest einem Monat gelegen ist;

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

…"

§ 79 Abs. 94 AlVG lautet wie folgt:

"§ 3, § 4, § 11, § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 4 lit. a, § 15 Abs. 1, 2, 5 und 8 und § 21 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2007 sowie § 19 Abs. 1 und § 37 in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. I Nr. 104/2007 und BGBl. I Nr. 82/2008 treten mit 1. Jänner 2009 in Kraft und gelten für nach dem Ablauf des 31. Dezember 2008 geltend gemachte Ansprüche. Auf vor dem 1. Jänner 2009 geltend gemachte Ansprüche sind diese Bestimmungen in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Davor hatte § 12 Abs. 1 AlVG folgenden Wortlaut:

"Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat."

In den Materialien zur Regierungsvorlage (298 der Beilagen XXIII. GP) zur Änderung des § 12 AlVG heißt es:

"Die Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Arbeitslosenversicherung erfordert eine neue Definition der Arbeitslosigkeit. Es kann nicht mehr ausschließlich auf die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses abgestellt werden, sondern muss jede Beendigung einer selbständigen oder unselbständigen Beschäftigung erfasst werden. Wie bisher soll eine andere geringfügige selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegenstehen, soweit dadurch die Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z 1AlVG nicht beeinträchtigt ist. Die entsprechende Regelung im § 12 Abs. 6 AlVG bleibt unverändert bestehen. Die für die Arbeitslosenversicherung maßgebliche versicherungspflichtige (oder der Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung unterliegende) Erwerbstätigkeit muss jedoch eingestellt und nicht nur reduziert werden. Andernfalls liegt keine Arbeitslosigkeit vor.

Besteht eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausschließlich wegen der Gebührlichkeit von Kündigungsentschädigung oder einer Urlaubsersatzleistung weiter, so soll diese wie bisher nur zum Ruhen des Leistungsanspruches gemäß § 16 Abs. 1 lit k und l führen und der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegen stehen."

Der Beschwerdeführer vermeint, dass § 12 Abs. 1 AlVG im Zusammenhang mit dem (unverändert gebliebenen) Abs. 6 dieser Bestimmung dahingehend auszulegen sei, dass "lediglich die Arbeitslosenversicherungspflicht begründende und zu einem Leistungsanspruch führende unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit beendet" sein müsse und "auf Grund dieser Tätigkeit keine Pflichtversicherung mehr bestehen" dürfe; dafür spreche auch der Satz in den (zitierten) Materialien zur Regierungsvorlage: "Die für die Arbeitslosenversicherung maßgebliche versicherungspflichtige (oder der Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung unterliegende) Erwerbstätigkeit muss jedoch eingestellt und nicht nur reduziert werden." Seine neben der anspruchsbegründenden (unselbständigen) Tätigkeit ausgeübte Erwerbstätigkeit, die in den letzten Jahren überwiegend zu Verlusten geführt habe, falle unter § 12 Abs. 6 lit. c AlVG und könne somit das Vorliegen von Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 leg. cit. nicht hindern.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 7 AlVG nur, wer arbeitslos ist. § 12 leg. cit. definiert, was unter "Arbeitslosigkeit" zu verstehen ist. Bis 31. Dezember 2008 galt als arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Diese Definition trug dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitslosenversicherung auf die unselbständig Erwerbstätigen, also die aus einer (anwartschaftsbegründenden) Beschäftigung ausscheidenden Arbeitnehmer ausgerichtet war.

Seit 1. Jänner 2009 ist mit der Novelle zum AlVG BGBl. I Nr. 104/2007 die Arbeitslosenversicherung auch für Selbständige geöffnet (siehe auch § 3 AlVG). In der Neufassung von § 12 Abs. 1 leg. cit. ist das Vorliegen von Arbeitslosigkeit an drei kumulative Voraussetzungen geknüpft: Beendigung einer (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z. 1), kein Unterliegen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung - mit Ausnahme der Zeiträume nach § 16 Abs. 1 lit k und l (Z. 2) und keine Ausübung einer neuen oder weiteren (unselbständigen oder selbständigen) Erwerbstätigkeit (Z.3).

Nach § 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung führt nur eine solche Beendigung der Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG zur Arbeitslosigkeit, die auch zur Beendigung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung iS der Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 1 GSVG führt, d.h. dass sie mit einer Zurücklegung des Gewerbescheins, mit einer Ruhendstellung des Gewerbescheins oder mit einer Verpachtung des Betriebes einhergehen muss.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1982 auf Grund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (aufrecht) pensionsversichert ist. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld hatte er seine (zuletzt bestehenden) Gewerbeberechtigungen weder zurückgelegt noch ruhend gestellt.

Schon auf Grund dessen sind die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 AlVG nicht gegeben, wonach (auch) keine selbständige Tätigkeit mehr (weiter) ausgeübt werden und keine Pensionsversicherung bestehen darf. Die Ausnahmeregelungen nach Abs. 6 lit. c dieser Bestimmung können daher seit 1. Jänner 2009 nur für nach Eintritt der Arbeitslosigkeit neu aufgenommene, nicht pensionsversicherte Tätigkeiten geltend gemacht werden.

Darüber hinaus kann auch der Beschwerdeargumentation in Bezug auf Z. 2 dieser Bestimmung und dem dazu aus dem Zusammenhang gerissenen Satz aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht gefolgt werden, zumal vor dem Hintergrund der gesamten Neufassung von § 12 Abs. 1 AlVG dessen Z. 2 so zu verstehen ist, dass zum Vorliegen der Arbeitslosigkeit - mit Ausnahme der Zeiträume von § 16 Abs. 1 lit. k und l AlVG - auch keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr bestehen darf.

Die belangte Behörde hat damit zu Recht das Vorliegen der Arbeitslosigkeit mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 12 Abs. 1 AlVG verneint.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 7. September 2011

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