VwGH 2008/22/0802

VwGH2008/22/080222.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Peter G. Wahl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. April 2008, Zl. 150.560/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger heiratete am 8. August 2001 eine österreichische Staatsbürgerin. Am 4. September 2002 beantragte er unter Berufung auf diese Ehe eine Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau gemäß § 47 Abs. 2 NAG anstrebe.

Dem Beschwerdeführer müsste gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG nach dem maßgeblichen Richtsatz des § 293 ASVG zusammen mit seiner Ehefrau ein Betrag von EUR 1.120,-- monatlich zur Verfügung stehen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers beziehe Notstandshilfe in der Höhe von EUR 574,80 im Monat. Der Beschwerdeführer sei seit 16. März 2007 bei einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt. Das Arbeitsmarktservice habe dazu mitgeteilt, dass diese Beschäftigung nur im Fall eines vor dem 1. Jänner 2006 aufgenommenen Dienstverhältnisses rechtens gewesen wäre. Die Beschäftigung des Beschwerdeführers sei daher nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unerlaubt, weshalb das daraus erzielte Einkommen nicht zur Beurteilung der ausreichenden finanziellen Mittel herangezogen werden könne. Es habe daher nicht nachgewiesen werden können, dass die Unterhaltsmittel gedeckt seien, sodass es sehr wahrscheinlich sei, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe.

Bei der Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen gemäß § 11 Abs. 3 NAG stellte die belangte Behörde fest, dass auf Grund der Ehe des Beschwerdeführers zwar familiäre Bindungen "zum Bundesgebiet" vorlägen. Die öffentlichen Interessen zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele seien jedoch höher zu werten als die nachteiligen Folgen der Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde verwies weiters auf die Rechtsprechung des EGMR zur Aufrechterhaltung bzw. Herstellung des Familienlebens Fremder in einem bestimmten Staat sowie darauf, dass beim Beschwerdeführer der Verdacht einer Aufenthaltsehe bestehe, die aber letztendlich nicht feststellbar gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, die belangte Behörde hätte sein (zu erwartendes legales) Einkommen im Verfahren berücksichtigen müssen. Für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ist nämlich jenes Einkommen maßgeblich, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen ist. Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer vorgebracht, er sei berufstätig und beziehe von einem näher genannten Unternehmen ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.242,69. Da dem Beschwerdeführer mit dem von ihm begehrten Aufenthaltstitel nach dem NAG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht versagt ist, er bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht weiterhin beschäftigt sein wird, hätte die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer erzielte Einkommen bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel berücksichtigen müssen. Ob er diese Tätigkeit bisher ausgeübt hat, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung zu sein, ist für die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG ohne Belang (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, Zl. 2008/22/0422, mwH).

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die bloße Wiedergabe einzelner Rechtssätze aus der Judikatur des EGMR der erforderlichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 11 Abs. 3 NAG nicht gerecht wird (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2008/21/0630, mwH). Im Beschwerdefall hätte sich die belangte Behörde insbesondere mit den Erkrankungen der Ehefrau des Beschwerdeführers, für die schon im Verwaltungsverfahren Nachweise vorgelegt worden waren, und den Auswirkungen einer Ausreise des Beschwerdeführers auf deren Gesundheitszustand und die dann bestehenden Pflegemöglichkeiten auseinandersetzen müssen. Der bloße Verdacht einer Aufenthaltsehe konnte sie davon nicht entbinden.

Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Juli 2011

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