VwGH 2008/22/0657

VwGH2008/22/065711.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ertlgasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 2008, Zl. 318.007/2-III/4/2007, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7;
FrG 1997 §31 Abs4;
MRKZP 01te Art1 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art7;
FrG 1997 §31 Abs4;
MRKZP 01te Art1 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, vom 11. August 2005 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am 31. August 2003 mit einem Visum in das Bundesgebiet eingereist sei. Seit Ablauf der Gültigkeit dieses Visums mit 24. September 2003 halte sie sich illegal im Bundesgebiet auf. Am 13. Juli 2005 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und anschließend den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung eingebracht. Seit ihrer Einreise im Jahr 2003 sei sie fast durchgehend im Bundesgebiet aufrecht gemeldet.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte sie jedoch den Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. § 21 Abs. 1 NAG stehe somit einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.

Gemäß § 74 NAG könne die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt würden. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin jedoch keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe angegeben. Auch die belangte Behörde könne keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG finden.

Die Beschwerdeführerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG und könne daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt auf der Behauptung, dass es unzulässig sei, Formvorschriften des NAG auf Anträge wie den vorliegenden anzuwenden, die vor Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 gestellt wurden.

Mit diesem Vorbringen wird jedoch nicht dargetan, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag unter Anwendung des § 21 Abs. 1 NAG in rechtswidriger Weise abgewiesen hätte.

Zunächst ist festzuhalten, dass das NAG (in verfassungskonformer Weise) kein Rückwirkungsverbot in dem Sinn enthält, dass Sachverhalte, die sich vor dem 31. Dezember 2005 ereignet haben, in die Beurteilung von Tatbeständen des NAG nicht einbezogen werden dürften (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0863, mwN).

Weiters stellt das Gebot der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG keine bloße Formvorschrift, sondern eine materielle Voraussetzung für die Bewilligung des begehrten Aufenthaltstitels dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, 2009/22/0022, mwN).

Soweit die Beschwerde darauf abzielt, dass das NAG eine Ungleichbehandlung der Ehepartner von österreichischen Staatsbürgern gegenüber Ehepartnern von anderen EU-Bürgern vorsieht, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., zu verweisen, in dem dieser diesbezüglichen gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht gefolgt ist. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin sein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hätte und die Beschwerdeführerin demzufolge als begünstigte Drittstaatsangehörige anzusehen wäre.

Damit ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, den gegenständlichen Antrag, der als Erstantrag anzusehen war, entgegen § 21 Abs. 1 NAG im Inland gestellt zu haben. Das Recht, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland zu stellen und die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267).

Dass die belangte Behörde § 72 NAG im vorliegenden Fall rechtsirrig angewendet hätte, kann der Gerichtshof nicht finden. Die Beschwerdeführerin war lediglich im Besitz eines Visums, ist nach Ablauf dieses Visums unrechtmäßig in Österreich geblieben und hat erst dann die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen. Auch wenn sie auf einen im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ca. fünfjährigen inländischen Aufenthalt verweisen kann, überwiegt in Gesamtbetrachtung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens das gegenläufige Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet.

An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin eine Bestätigung über die erfolgte Antragstellung erhalten hatte, derzufolge gemäß § 31 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 die im Betreff genannte Person bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich berechtigt sei. Einerseits hat sich nämlich - wie bereits dargelegt - die Entscheidung der belangten Behörde nach den in diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des NAG zu richten, andererseits stellt diese Bestätigung nicht einen konstitutiv wirkenden Aufenthaltstitel dar.

In diesem Zusammenhang kann der Beschwerdeführerin nicht darin gefolgt werden, dass durch die Änderung der Rechtslage vom Fremdengesetz 1997 auf das NAG eine "entschädigungslose Enteignung" eingetreten sei.

Der Gerichtshof hat betreffend Gesetzesänderungen durch das Fremdenrechtspaket 2005 bereits ausgesprochen (vgl. das Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, 2008/09/0330), dass die Änderung der Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Verlängerung fremdenrechtlicher Ansprüche (hier: einer Arbeitserlaubnis) keinen Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden "Vertrauensschutzes" oder des Grundrechts auf Eigentum begegnet. Im Übrigen sind Entscheidungen über den Aufenthalt von Fremden nicht als solche über zivilrechtliche Ansprüche zu qualifizieren (vgl. das hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2004, 2001/21/0007, mwN).

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Mai 2010

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