Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz hat den Beschwerdeführer am 5. Jänner 2006 vernommen und ihm anschließend einen Ausweisungsbescheid ausgefolgt, dessen Übernahme der Beschwerdeführer bestätigt hat. Die dagegen erhobene Berufung ist mit 25. Jänner 2006 datiert und wurde am 26. Jänner 2006 sowohl per Fax der Behörde erster Instanz übermittelt als auch zur Post gegeben.
Nach Einräumung einer Gelegenheit, zur Frage der Verspätung Stellung zu nehmen, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz als verspätet zurück.
Dies begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer "vor der Übernahme des Bescheides keine Vertretungserklärung für diesen Fall vorgewiesen, sondern den Ausweisungsbescheid eigenhändig bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz übernommen" habe. Mit dieser Übernahme habe der Bescheid als zugestellt gegolten und es habe die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen. Der Beschwerdeführer habe lediglich um Übermittlung einer Ausfertigung des Bescheides an seinen Anwalt, der ihn in einer anderen Sache vertreten habe, gebeten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:
§ 10 AVG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:
"§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.
(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."
Im Fall des Bestehens einer wirksamen Vollmacht hat sich die Behörde an den Vertreter zu wenden, also alle Verfahrensakte mit Wirkung für die Partei diesem gegenüber zu setzen. Dem Bevollmächtigten sind alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen und dieser ist als Empfänger zu bezeichnen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 10 Rz. 23).
Zu prüfen ist im vorliegenden Fall somit, ob zum Zeitpunkt der Ausfolgung des erstinstanzlichen Bescheides ein Vollmachtsverhältnis bestanden hat, das eine wirksame Zustellung (und den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist) verhindert hat.
Die bereits genannte Niederschrift vom 5. Jänner 2006 - auf die in der Stellungnahme auch hingewiesen wurde - enthält (auszugsweise) folgenden Inhalt:
"Es wird mir zur Kenntnis gebracht, dass gegen mich eine Ausweisung erlassen wird.
Zu dem von der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld (erlassenen Aufenthaltsverbot) gebe ich an, dass mir in diesem Fall der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. In diesem Verfahren werde ich von RA Dr. Josef Habersack, Graz, vertreten.
Ich nehme diese Ausweisung zur Kenntnis werde aber unmittelbar sofort nach meiner Ausreise auf dem gleichen Weg nach Österreich einreisen, da ich von meinem Anwalt (gesagt bekommen habe), dass ich nach Österreich kommen darf.
Ich möchte, dass mein Anwalt eine Ausfertigung des Ausweisungsbescheides erhält und möchte gleichzeitig eine Berufung gegen diese Ausweisung einlegen."
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 99/21/0364), zeitigt eine Bevollmächtigung ungeachtet ihres Umfangs zwar nur in dem Verfahren, in dem der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist (oder sich als Rechtsanwalt oder Notar auf die ihm erteilte Vollmacht berufen hat), verfahrensrechtliche Wirkungen. In anderen Verfahren kann aber auf eine Vollmacht, die in einem bei der Behörde anhängigen oder anhängig gewesenen Verfahren ausgewiesen ist, verwiesen werden. Die Entscheidung, ob von einer schon beigebrachten Vollmacht auch in anderen Verfahren Gebrauch gemacht wird, bleibt der Partei und ihrem Vertreter überlassen.
Aus der Erklärung, dass ein in einem anderen Verfahren bevollmächtigter Anwalt eine Ausfertigung des Bescheides zwecks Erhebung einer Berufung erhalten soll, kann nur der Schluss gezogen werden, dass dieser Vertreter auch in diesem Verfahren für die Partei bevollmächtigt ist.
Musste die belangte Behörde somit vom Bestehen eines Vertretungsverhältnisses auch im gegenständlichen Verfahren ausgehen, hatte die persönliche Übergabe des Bescheides an den Beschwerdeführer selbst keine rechtliche Wirkung.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Die Kosten waren im begehrten Umfang zuzusprechen, wobei ein Verhandlungsaufwand nicht angefallen ist.
Wien, am 28. August 2008
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