VwGH 2008/22/0568

VwGH2008/22/056810.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des BS, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Schiffgasse 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 3. April 2006, Zl. Fr 104/2005, betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
NAG 2005 §45;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §129 Z2;
StGB §130;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §61 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
NAG 2005 §45;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §129 Z2;
StGB §130;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie den §§ 61, 63, 66 und 125 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 17. Mai 2002 nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130, 15 und 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt nachgesehen, und auf die weitere rechtskräftige Verurteilung vom 24. August 2004 nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130, 135 Abs. 1 und 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Mit der zweiten Verurteilung wurde die im erstgenannten Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Zu diesen Verurteilungen listete die belangte Behörde die zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen (im Wesentlichen Einbruchsdiebstähle) in 23 bzw. sieben Fällen mit folgenden Tatzeitpunkten auf: 29. April 2001, 20. Dezember 2001, 17. März 2002, 3. März 2000, 24. Juni 2001, 19. Oktober 2001, 17. November 2001, 16. Dezember 2001, 7. Jänner 2002, 18. Jänner 2002 (in drei Fällen), 19. Jänner 2002, 26. Februar 2002, 28. Februar 2002, 21. März 2002, 2. Dezember 2001, 21./22. April 2001, 1. Mai 2001, zwischen 14. und 17. Dezember 2001, 7. Jänner 2002, 8. Februar 2002, 25. Jänner 2002, 27. bis 30. Juni 2003, 17. September 2003, 30. September 2003, 2. Oktober 2003, 3. Oktober 2003, 8. Oktober 2003 und 12. Oktober 2003.

In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG als erfüllt. Da der Beschwerdeführer als Wiederholungs- und Rückfallstäter im Bereich der schwerwiegenden Eigentumskriminalität gewerbsmäßig tätig gewesen sei, sei das Aufenthaltsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten.

Der im Februar 1985 geborene und 1994 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer sei ledig, im Bundesgebiet lebten seine Eltern und er sei mit Unterbrechungen zeitweilig einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Mit dem Aufenthaltsverbot sei somit ein schwerwiegender und relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Unter Abwägung aller Tatsachen wögen jedoch die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie. Der Beschwerdeführer sei bereits wenige Monate nach seiner bedingten Entlassung am 10. März 2003 neuerlich im Bereich der schwerwiegenden gewerbsmäßigen Eigentumskriminalität straffällig geworden, was letztendlich auch zum Widerruf der bedingten Strafnachsicht geführt habe. Im Blick auf das schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle könne die belangte Behörde keinen berücksichtigungswürdigen Ansatz für eine positive Zukunftsprognose betreffend den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erkennen. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten angegeben, dass sie derzeit keiner ständigen Pflege bedürften. Der Beschwerdeführer sei im Mai 2003 durch seinen Vater aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen worden.

Weiters sah sich die belangte Behörde nicht in der Lage, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben und meinte, dass der Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von sieben Jahren vorherzusehen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann.

Nach Z 1 dieser Bestimmung ist dies der Fall, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0630).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Tatsache seiner gerichtlichen Verurteilungen und die Feststellungen über die diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen. Es ist somit sowohl der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt als auch angesichts der schweren Eigentumskriminalität die Annahme nach § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

In der Beschwerde wird darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer seit 25. März 2006, somit kurz vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Er wirft der belangten Behörde vor, sie habe vor Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheides nicht den Sachverhalt nochmals auf seine Aktualität und Richtigkeit überprüft.

Diesem geltend gemachten Verfahrensfehler kommt schon mangels Relevanz keine Berechtigung zu. Selbst wenn nämlich das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin nach § 86 Abs. 1 iVm § 87 FPG geprüft werden muss, stellt das aufgezeigte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zweifellos eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG).

Auch die mit dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Erwerb eines Niederlassungsnachweises nach dem FrG bzw. eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" nach § 45 NAG durch den Beschwerdeführer, der bereits im Zeitpunkt des hier herangezogenen Fehlverhaltens zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, verbundene Aufenthaltsverfestigung nach § 56 Abs. 1 iVm § 61 Z 2 FPG hindert nicht die Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Zwar ergibt sich der danach heranzuziehende Gefährdungsmaßstab aus § 56 Abs. 1 FPG und nicht bloß allein aus § 60 Abs. 1 FPG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, 2008/21/0603), aus dem strafbaren Verhalten des diesbezüglich unbelehrbaren Beschwerdeführers im Bereich der Eigentumskriminalität muss aber geschlossen werden, dass sein weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde (§ 56 Abs. 1 FPG).

Dies ist auch aus den in § 56 Abs. 2 FPG festgehaltenen Intentionen des Gesetzgebers über die Definition einer schweren Gefahr im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG abzuleiten. § 56 Abs. 2 lautet:

"Als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht 1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder 2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist."

Diese Voraussetzungen sind hier zweifelsfrei erfüllt.

Wie zuvor aufgezeigt wäre hier aber sogar die einen noch höheren Maßstab fordernde Gefährdungsprognose nach § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG gerechtfertigt.

Auch das Ergebnis der Interessenabwägung durch die belangte Behörde nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Besondere integrationsbegründende Umstände wurden zu Gunsten des Beschwerdeführers - abgesehen von seinen familiären Bindungen im Inland - nicht geltend gemacht und er hat bereits als Erwachsener ungeachtet der bereits erfolgten Verurteilung weiterhin Delikte im Bereich gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstähle gesetzt. Die belangte Behörde durfte daher das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und als zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers werten, zumal der Beschwerdeführer die behördliche Feststellung nicht bestreitet, dass er in Bosnien wohnhafte Angehörige habe. Dass die Eltern des Beschwerdeführers in Zukunft möglicherweise einer Betreuung bedürfen, kann in die Interessenabwägung im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung keinen Eingang finden.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist letztlich auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit sieben Jahren als erforderlich befunden hat.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 10. Dezember 2008

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