Normen
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
AuslBG §1 Abs2 litm;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den von der Beschwerdeführerin, einer bosnischen Staatsangehörigen, am 27. Dezember 2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am 12. November 2005 in Bosnien einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. In der Folge sei sie mittels Visum D, gültig bis 22. März 2006, nach Österreich eingereist und sei seither bei ihrem Ehegatten an einer näher genannten Adresse aufhältig.
Unter Hinweis auf die § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG iVm § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ergebe sich, dass für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar ein Betrag von EUR 1.091,14 zu Verfügung stehen müsse. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verfüge laut Aktenlage über ein monatliches Durchschnittseinkommen in der Höhe von EUR 771,85.
In der Berufung habe die Beschwerdeführerin angeführt, dass sie seit 9. März 2006 einer Erwerbstätigkeit nachgehe und nunmehr über ein monatliches Bruttoeinkommen in der Höhe von EUR 1.145,-- verfüge. Diesbezüglich werde bemerkt, dass sie einer illegalen Beschäftigung nachgehe, weil sie über keinen gültigen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich verfüge, und somit ihr Einkommen im Verfahren nicht berücksichtigt werden könne.
Das Einkommen des Ehegatten der Beschwerdeführerin in der Höhe von EUR 771,85 sei jedoch für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar nicht ausreichend, weshalb die belangte Behörde von der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Abstand habe nehmen müssen. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf finanzielle Unterstützung der Sozialhilfeträger angewiesen sein werde.
Die Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger durchaus private Interessen an einem Aufenthalt in der Republik Österreich habe. Die Abwägung der privaten Interessen der Beschwerdeführerin mit den gegenüberstehenden öffentlichen Interessen gehe jedoch zu Lasten der Beschwerdeführerin aus.
Die Beschwerdeführerin erfülle auch nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) festgesetzten Voraussetzungen und könne daher kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist anzumerken, dass der angefochtene Bescheid im Blick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung nach der Rechtslage des NAG vor der Novelle BGBl. I Nr. 99/2006 zu überprüfen ist.
Nach § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des § 47 Abs. 1 NAG (dabei handelt es sich um Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt) sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen.
Der - im 1. Teil des NAG enthaltenen - § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG lautet:
"§ 11. (1) ...
(2) ...
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
...
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde hätte das Familieneinkommen nicht richtig berechnet. Hätte sie dem Monatslohn von EUR 817,-- netto die Sonderzahlungen hinzugerechnet, hätte dies ein vorläufiges Monatsnettoeinkommen von EUR 953,-- ergeben. Darüber hinaus habe sie weder die Trinkgelder als Kellner von rund EUR 300,-- monatlich noch den Wert des Sachbezuges (Getränk und ein Essen) berücksichtigt. Naturalleistungen, Trinkgelder und Sonderzahlungen seien nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Somit ergebe sich ein Familieneinkommen von rund EUR 1.300,-- netto monatlich.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass sich aus den im Verwaltungsakt befindlichen Lohnabrechnungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin einerseits ergibt, dass dieser EUR 815,-- brutto sowie Trinkgelder in Höhe von EUR 27,90 monatlich ins Verdienen bringt. Dies ergibt nach Abzug des Sozialversicherungsbeitrages und der Lohnsteuer einen Nettobetrag von EUR 661,59. Diesem Betrag hat die belangte Behörde zutreffend die Sonderzahlungen hinzugerechnet und somit einen durchschnittlichen Nettobetrag von EUR 771,85 ermittelt. Soweit die Beschwerde andererseits auf Trinkgelder in der Höhe von EUR 300,-- monatlich sowie einen Sachbezug verweist, unterliegt dieses Vorbringen dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), und hat somit außer Betracht zu bleiben.
Dennoch ist die Beschwerde berechtigt.
Für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel ist nämlich jenes Einkommen maßgeblich, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, 2008/22/0659, betreffend die Ausgleichszulage gemäß § 292 Abs. 1 ASVG). Bereits in der Berufung bringt die Beschwerdeführerin vor, sie sei berufstätig und beziehe von einem näher genannten Unternehmen ein monatliches Einkommen in der Höhe von EUR 1.145,--. Da der Beschwerdeführerin mit dem von ihr begehrten Aufenthaltstitel nach dem NAG die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz (i.d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) nicht versagt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/22/0102), sie bereits ein Arbeitsverhältnis eingegangen ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach Erteilung des Aufenthaltstitels nicht weiterhin beschäftigt sein wird, hätte die belangte Behörde das von der Beschwerdeführerin erzielte Einkommen bei der Ermittlung der erforderlichen Unterhaltsmittel berücksichtigen müssen. Ob sie diese Tätigkeit bisher ausgeübt hat, ohne im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung zu sein, ist dabei ohne Belang. Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin öffentlichen Interessen widerstreite und somit die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG fehle, hat die belangte Behörde nicht ausgeführt.
Dadurch, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die für die Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat (sekundärer Verfahrensmangel), hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Im Übrigen teilt der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass den öffentlichen gegenüber den privaten Interessen im Hinblick auf vermeintlich nicht ausreichende Unterhaltsmittel "absolute Priorität" einzuräumen sei (vgl. dazu nochmals das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2008/22/0102, mwN).
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 18. März 2010
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