VwGH 2008/22/0338

VwGH2008/22/03389.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Jänner 2008, Zl. 149.981/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 2008 wurde der am 15. März 2005 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 16. September 2002 illegal in Österreich eingereist sei und am 18. September 2002 einen Asylantrag gestellt habe, welcher mit Bescheid vom 30. September 2005 "rechtskräftig negativ entschieden" worden sei.

Der Beschwerdeführer sei seit 15. November 2002 durchgehend in Wien gemeldet. Am 25. Februar 2005 habe er in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; die Ehe sei mit rechtskräftigem Beschluss vom 8. September 2006 geschieden worden. Den gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer persönlich in Wien gestellt. Laut Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei der Beschwerdeführer seit 23. September 2002 (zuletzt seit 26. November 2005 beim selben Arbeitgeber) durchgehend versichert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 81 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass das Verfahren über den gegenständlichen Antrag gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sei. Da der Beschwerdeführer illegal eingereist sei und sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages mit 30. September 2005 nicht rechtmäßig im Inland aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des Antrages entgegen. Die belangte Behörde habe keine humanitären Gründe im Sinne des § 72 NAG erkennen können, zumal dem Gewicht einer Integration aufgrund eines langjährigen Aufenthaltes, der lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen sei, ein bloß geminderter Stellenwert einzuräumen sei. Die Inlandsantragstellung werde daher auch nicht gemäß §§ 74, 75 NAG von Amts wegen zugelassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst ist anzumerken, dass die belangte Behörde das Verfahren über den gegenständlichen Antrag vom 15. März 2005 zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses - am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen - Bundesgesetzes (in Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) zu Ende geführt hat.

Die Beschwerde führt aus, dass der Beschwerdeführer "nach den Bestimmungen des FrG 1997 durch die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger am 25.02.2005 Niederlassungsfreiheit" erworben habe, sein Inlandsaufenthalt "lange Zeit hindurch rechtmäßig" gewesen sei und sich daher die Anwendung des § 21 Abs. 1 NAG "als Versagungsgrund im vorliegenden Fall im Ergebnis als grob willkürlich und unsachlich" erweise.

Dem ist allerdings mit der ständigen hg. Rechtsprechung zu erwidern, dass dem NAG weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen ist, der zufolge auf vor dessen In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte etwa Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG anzuwenden wären. Der Gerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Übergangsbestimmungen des § 81 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 NAG verfassungsrechtlich unbedenklich sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2008, 2008/22/0645, mwN).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag - ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt hat - um einen Erstantrag handelt und der Beschwerdeführer die Entscheidung über diesen Antrag entgegen § 21 Abs. 1 NAG auch nach dem In-Kraft-Treten des NAG am 1. Jänner 2006 (§ 82 Abs. 1 NAG) nicht im Ausland abgewartet hat. Dazu wäre der Beschwerdeführer allerdings dem Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend verpflichtet gewesen, zumal auch kein Anhaltspunkt für einen der Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 2 NAG vorliegt.

Zutreffend verweist die belangte Behörde auch darauf, dass der Beschwerdeführer durch die Scheidung von seiner österreichischen Ehefrau am 8. September 2006 die Eigenschaft als deren Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG verloren hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0291, mwN).

Das Recht, den Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0389, mwN).

Die Beschwerde führt als humanitäre Gründe in diesem Sinn ins Treffen, dass sich der Beschwerdeführer seit etwa fünfeinhalb Jahren in Österreich aufhalte und seit Jahren hier rechtmäßig eine Beschäftigung ausübe; weiters verweist die Beschwerde - ohne dies zu konkretisieren - auf eine berufliche und soziale Integration des Beschwerdeführers sowie dessen "enge familiäre Bindung" zu Österreich.

Damit aber wird selbst mit dem Beschwerdevorbringen ein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Grund im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG nicht dargetan (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2008), sodass die in der Verfahrensrüge der Beschwerde aufgeworfene Frage einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 45 Abs. 3 AVG) durch die belangte Behörde dahingestellt bleiben kann. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass es dem Fremden obliegt, zu behaupteten humanitären Gründen ein konkretes und substanziiertes Vorbringen zu erstatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, 2007/21/0163, mwN).

In Hinblick auf die Dauer der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und einer österreichischen Staatsbürgerin, die weniger als drei Jahre betrug (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten), ist der vorliegende Sachverhalt auch von den dem hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, A 2008/0041 (2008/18/0507), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht berührt.

Die Abweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 21 Abs. 1 NAG durch die belangte Behörde erweist sich somit als unbedenklich, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. Juli 2009

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