VwGH 2008/21/0335

VwGH2008/21/033519.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des DL, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 2008, Zl. 317.614/2-III/4/2007, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs1 litc;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs2;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs4;
EURallg;
NAG 2005 §10 Abs3 Z3;
NAG 2005 §10 Abs3 Z4;
NAG 2005 §2 Abs2;
NAG 2005 §20 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs1 litc;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs2;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art9 Abs4;
EURallg;
NAG 2005 §10 Abs3 Z3;
NAG 2005 §10 Abs3 Z4;
NAG 2005 §2 Abs2;
NAG 2005 §20 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem am 20. Juli 1988 geborenen Beschwerdeführer, einem serbischen Staatsangehörigen, war (zuletzt) am 8. Oktober 1997 eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Fremden" mit Bezug auf seinen serbischen Vater erteilt worden.

Am 23. Jänner 2007 befragte ihn die Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu seinem Aufenthalt in Österreich, wobei er ausführte, er habe in Serbien die Pflichtschule (acht Jahre Grundschule) besucht. Weitere drei Jahre habe er eine Zimmermannslehre absolviert. Die Schulausbildung habe er 1995 angefangen. Seit dieser Zeit sei er immer nur in den Ferien in Österreich gewesen; das bedeute, er habe nur drei bis vier Wochen in den Sommerferien bzw. ein bis zwei Wochen in den Winterferien in Österreich verbracht. Zuletzt sei er vom 15. November bis zum 23. Dezember 2006 in Österreich gewesen, am 21. Jänner 2007 sei er wieder in das Bundesgebiet eingereist. Die Behörde teilte ihm hiezu mit, sie beabsichtige, seinen "unbefristeten Sichtvermerk ... gemäß den Bestimmungen des NAG 2005" zu entziehen und räumte ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

Am 13. März 2007 stellte der - in Österreich aufhältige - Beschwerdeführer daraufhin einen "Verlängerungsantrag/Zweckänderungsantrag" auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG". Dabei bezog er sich auf die eingangs erwähnte unbefristete Aufenthaltsbewilligung. Mit Eingabe vom 9. Mai 2007 beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme von sieben Zeugen zum Nachweis dafür, dass er zumindest in den letzten zwölf Monaten überwiegend in Österreich aufhältig gewesen sei und sich hier sein Lebensmittelpunkt befunden habe.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2007 wies die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" vom 13. März 2007 ab und stellte fest, dass der Beschwerdeführer "nicht mehr in Österreich niedergelassen" sei. Als Rechtsgrundlage berief sie sich auf die §§ 45 Abs. 1 und 10 Abs. 3 Z. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, der Beschwerdeführer sei laut eigenen Angaben bereits seit 1995 nicht mehr in Österreich niedergelassen. Dadurch sei der erteilte Aufenthaltstitel, der ihn zu einem unbefristeten Aufenthalt berechtigt habe, gemäß § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG gegenstandslos. Kurze Aufenthalte während der Ferien seien nicht geeignet, eine Niederlassung zu dokumentieren. Dabei ändere auch der Umstand nichts, dass er "gegebenenfalls in den letzten 12 Monaten überwiegend in Österreich aufhältig" gewesen sei, sodass die Einvernahme der angegebenen Zeugen entbehrlich sei. Infolge Gegenstandslosigkeit des Aufenthaltstitels erfülle der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 NAG, weil er in den letzten fünf Jahren nicht ununterbrochen zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei. Gründe, die unter Bezugnahme auf Art. 8 EMRK gegen die Abweisung des Antrages sprächen, lägen nicht vor: Seine Eltern seien zwar in Österreich niedergelassen, er habe sich jedoch seit 1995 im Heimatstaat aufgehalten, sei bereits volljährig und habe auch die Berufsausbildung in Serbien absolviert. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf § 11 Abs. 3 bzw. §§ 72 und 73 NAG komme somit nicht in Betracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. April 2008 wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG ab.

Begründend wiederholte sie die Ausführungen der Erstbehörde. Der am 8. Oktober 1997 ausgestellte unbefristete Aufenthaltstitel sei mit Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 "gemäß § 11 Abs. 1 NAG - Durchführungsverordnung" als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" zu werten. Dieser sei gemäß § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG gegenstandslos geworden, weil der Beschwerdeführer seit mehr als sechs Jahren nicht mehr in Österreich niedergelassen sei. Zu § 11 Abs. 3 NAG werde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit 1995 im Heimatstaat aufgehalten habe, während seine Eltern in Österreich niedergelassen seien. Auf Grund der langen Abwesenheit könne nicht von einem gemeinsamen Familienleben gesprochen werden. Auch sei er bereits volljährig und habe seine Berufsausbildung in Serbien absolviert. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" sei somit abzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Dem Beschwerdeführer war am 8. Oktober 1997 eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" erteilt worden.

Gemäß § 11 Abs. 2 lit. B iVm Abs. 3 Z. 1 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005, gelten derartige (unbefristet erteilte) Aufenthaltsbewilligungen mit Inkrafttreten des NAG als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter.

Die §§ 2 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 3 sowie 20 Abs. 3 und 4 NAG in der Stammfassung (BGBl. I Nr. 100/2005) lauten (auszugsweise) samt Überschriften:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) ...

(2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck

1. der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;

  1. 2. der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder
  2. 3. der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit."

    "Ungültigkeit und Gegenstandslosigkeit

    von Aufenthaltstiteln und Dokumentationen

    des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts

§ 10. (1) ...

(2) Aufenthaltstitel werden auch ungültig, wenn die Behörde mit Bescheid festgestellt hat, dass ein Drittstaatsangehöriger, ausgenommen Inhaber eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' (§ 45) und 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (§ 48), nicht mehr in Österreich aufhältig oder niedergelassen ist.

(3) Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts wird gegenstandslos,

...

3. wenn dem Fremden ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' eines anderen Mitgliedstaates erteilt wird;

4. wenn der Fremde im Besitz eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' oder 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' ist und seit sechs Jahren nicht mehr in Österreich niedergelassen ist ..."

"Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln

§ 20. (1) …

(3) Inhaber eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' (§ 45) oder 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (§ 48) sind in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

(4) Ein Aufenthaltstitel nach Abs. 3 erlischt, wenn sich der Fremde länger als zwölf Monate außerhalb des Gebietes des EWR aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monaten außerhalb des Gebietes des EWR aufhalten, wenn er dies der Behörde vorher mitgeteilt hat."

Festzuhalten ist zunächst, dass sich die behördliche Feststellung, der Beschwerdeführer sei "nicht mehr in Österreich niedergelassen", schon deshalb als rechtswidrig erweist, weil § 10 Abs. 2 NAG eine solche Feststellung u.a. gerade für Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" nicht vorsieht.

Die Abweisung des Antrags auf "Verlängerung" des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" iSd § 45 NAG begründeten die Niederlassungsbehörden damit, dass die in dieser Norm geforderte Voraussetzung der in den letzten fünf Jahren ununterbrochen bestehenden Berechtigung zur Niederlassung nicht gegeben sei, weil der dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" gemäß § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG gegenstandslos geworden sei.

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaktes 2005 (952 BlgNR 22. GP 120) ist zu entnehmen, dass durch die Gegenstandslosigkeitsgründe der Z. 3 und 4 des § 10 Abs. 3 NAG der Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG "entsprechend" umgesetzt werden soll. Zu § 20 Abs. 4 NAG heißt es in den Gesetzesmaterialien (a.a.O. 129), dieser "normiert das ex lege Erlöschen von unbefristeten Aufenthaltstiteln bei Aufenthalt von zwölf Monaten außerhalb des EWR entsprechend Art. 9 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/109/EG ".

Der an den erwähnten Stellen der ErläutRV angesprochene Art. 9 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen lautet:

"Artikel 9

Entzug oder Verlust der Rechtsstellung

(1) Ein Drittstaatsangehöriger ist nicht mehr berechtigt, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu behalten, wenn

a) er die Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten nachweislich auf täuschende Art und Weise erlangt hat;

b) eine Ausweisung nach Maßgabe des Artikels 12 verfügt worden ist;

c) er sich während eines Zeitraums von 12 aufeinander folgenden Monaten nicht im Gebiet der Gemeinschaft aufgehalten hat.

(2) Abweichend von Absatz 1 Buchstabe c) können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Abwesenheit von mehr als 12 aufeinander folgenden Monaten oder eine Abwesenheit aus spezifischen Gründen oder in Ausnahmesituationen nicht den Entzug oder den Verlust der Rechtsstellung bewirken.

(3) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Drittstaatsangehöriger die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verliert, wenn er in Anbetracht der Schwere der von ihm begangenen Straftaten eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung darstellt, ohne dass diese Bedrohung eine Ausweisung im Sinne von Artikel 12 rechtfertigt.

(4) Ein Drittstaatsangehöriger, der sich gemäß Kapitel III in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat, verliert die in dem ersten Mitgliedstaat erworbene Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten, wenn ihm diese Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Artikel 23 zuerkannt wird.

Auf jeden Fall verliert die betreffende Person, die sich sechs Jahre lang nicht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten hat, der ihr die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.

Abweichend von Unterabsatz 2 kann der betreffende Mitgliedstaat vorsehen, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte aus besonderen Gründen seine Rechtsstellung in diesem Mitgliedstaat behält, wenn der Zeitraum, in dem er sich nicht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten hat, sechs Jahre überschreitet.

(5) Im Hinblick auf die Fälle des Absatzes 1 Buchstabe c) und des Absatzes 4 führen die Mitgliedstaaten, die die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt haben, ein vereinfachtes Verfahren für die Wiedererlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ein. Dieses Verfahren gilt insbesondere für Fälle, in denen sich Personen in einem zweiten Mitgliedstaat zum Studium aufgehalten haben. Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Wiedererlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten bestimmen sich nach dem nationalen Recht.

(6) Das Ablaufen einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung - EG hat auf keinen Fall den Entzug oder den Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Folge.

(7) Führt der Entzug oder der Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht zu einer Rückführung, so gestattet der Mitgliedstaat der betreffenden Person, in seinem Hoheitsgebiet zu verbleiben, sofern sie die in seinen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen erfüllt und/oder keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt."

Der Beschwerdeführer verweist (u.a.) darauf, dass § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG im Sinne des Art. 9 Abs. 4 zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2003/109/EG auszulegen sei, der nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers mit dieser Bestimmung umgesetzt werden sollte. Diese Überlegung verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

§ 10 Abs. 3 Z. 4 NAG sieht vor, dass ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts gegenstandslos wird, wenn der Fremde im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" ist und seit sechs Jahren nicht mehr in Österreich niedergelassen ist. Den zitieren Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 ist - wie gesagt - zu entnehmen, dass durch die Gegenstandslosigkeitsgründe der Z. 3 und 4 des § 10 Abs. 3 NAG der Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG "entsprechend" umgesetzt werden soll. Art. 9 Abs. 4 dieser Richtlinie regelt allerdings - erkennbar zur Gänze (die Unterabsätze 2 und 3 knüpfen sprachlich an den

1. Unterabsatz an; vgl. auch die Unterscheidung der beiden Fälle des Abs. 1 lit. c einerseits und des Abs. 4 andererseits im

5. Absatz) - den Aufenthalt Drittstaatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat, also Fälle ihres Verbleibs im Raum des EWR. Das Verlassen des "Gebiets der Gemeinschaft" ist dagegen Thema von Art. 9 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 der Richtlinie.

Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer während seiner Abwesenheiten aus Österreich unbestritten in Serbien aufgehalten. Daraus folgt, dass ein Anwendungsfall des § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG, der sich entsprechend der mit ihm umgesetzten Richtlinienbestimmung des Art. 9 Abs. 4 zweiter Unterabsatz nur auf den Fall des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedsstaat bezieht, nicht gegeben ist, sondern lediglich ein Erlöschen des Aufenthaltstitels gemäß § 20 Abs. 4 NAG, mit dem Art. 9 Abs. 1 lit. c der Richtlinie umgesetzt wurde, in Betracht käme.

Die im hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2009, Zlen. 2008/22/0087 bis 0090, obiter zum Ausdruck gebrachte Ansicht, es sei nicht auszuschließen, dass in manchen Sachverhaltskonstellationen sowohl der Tatbestand des § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG als auch jener des § 20 Abs. 4 NAG (nebeneinander) erfüllt sein könnten, kann nach dem Gesagten nicht aufrecht erhalten werden.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des hier maßgeblichen § 20 Abs. 4 NAG hat die belangte Behörde nicht geprüft. Sollte sich der Beschwerdeführer - seiner unwidersprochenen gebliebenen Aussage folgend - in regelmäßiger Unterbrechung seiner Aufenthalte in Serbien innerhalb von jeweils 12 Monaten rund vier bis sechs Wochen jährlich in Österreich aufgehalten haben, wäre ein Anwendungsfall des § 20 Abs. 4 NAG schon im Hinblick auf die geforderte Dauer der Abwesenheit von vornherein zu verneinen. Auch stellt § 20 Abs. 4 NAG lediglich auf den Aufenthalt und nicht auf eine Niederlassung im Bundesgebiet (im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 NAG) ab.

Auf Grund der aufgezeigten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Mai 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte