VwGH 2008/21/0040

VwGH2008/21/004027.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2007, Zl. 317.200/2-III/4/2007, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293 Abs1 lita sublitbb idF 2006/II/532;
EO §291a Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293 Abs1 lita sublitbb idF 2006/II/532;
EO §291a Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 25. Juli 1976 geborene und aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer stellte am 9. Juni 2006 bei der österreichischen Botschaft in Skopje einen - auf seinen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater als "Zusammenführenden" bezogenen - Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG).

Dieser Antrag wurde mit dem im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 21. März 2007 gemäß § 47 Abs. 3 letzter Satz iVm § 2 Abs. 1 Z 15 und § 11 Abs. 2 Z 4 NAG abgewiesen, weil der Unterhalt des Beschwerdeführers angesichts des hiefür nicht ausreichenden Einkommens seines Vaters nicht gesichert sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der auch auf ein in Kopie vorgelegtes Sparbuch des Vaters des Beschwerdeführers mit einem Guthabensstand von EUR 7.000,-- hingewiesen wurde, wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) ohne weiteres Ermittlungsverfahren mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. November 2007 ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach zusammengefasster Darstellung des bisherigen Verfahrensganges aus, der Vater des Beschwerdeführers, von dem der angestrebte Aufenthaltstitel abgeleitet werden solle und der auch eine Haftungserklärung abgegeben habe, müsse als "Zusammenführender" im Sinne des § 47 NAG einen Einkommensnachweis erbringen. Bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sei dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a EO zu berücksichtigen; das bedeute, dass sich der Vater des Beschwerdeführers nur mit dem Betrag, der über sein pfändungsfreies Existenzminimum hinausgehe, gegenüber dem Beschwerdeführer verpflichten könne.

Der Vater des Beschwerdeführer sei bei einer Baugesellschaft beschäftigt und bringe ein durchschnittliches Nettoeinkommen von EUR 1.358,67 ins Verdienen. Das pfändungsfreie Existenzminimum betrage EUR 910,20. Für den Beschwerdeführer müssten nach dem heranzuziehenden Richtsatz gemäß § 293 ASVG Unterhaltsmittel von monatlich EUR 726,-- tatsächlich vorhanden sein, sodass der Vater des Beschwerdeführers über ein Mindestnettoeinkommen von EUR 1.636,20 verfügen müsste. Da der Vater des Beschwerdeführers pro Monat lediglich EUR 1.358,67 zur Verfügung habe, sei es sehr wahrscheinlich, dass es durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich "zu einer Gefährdung" einer Gebietskörperschaft kommen könne.

Zu dem in der Berufung ins Treffen geführten Sparbuch meinte die belangte Behörde, selbst wenn der Vater des Beschwerdeführers darüber verfügen könne, sei es zum Nachweis für den gesicherten Unterhalt nicht geeignet, weil hiefür feste und regelmäßigen Einkünfte im Sinne des § 11 Abs. 5 NAG notwendig wären.

Dem Beschwerdeführer dürfe somit - so die belangte Behörde zusammenfassend - kein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil "die Tragfähigkeit der Haftungserklärung nicht erfüllt wird."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages - in Bestätigung des Bescheides der Erstbehörde - auf § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG, somit auf die Nichterfüllung einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung, gestützt. Nach der erstangeführten Bestimmung dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Unter welchen Bedingungen diese Voraussetzung verwirklicht ist, wird in § 11 Abs. 5 NAG bestimmt, der in der hier maßgeblichen Stammfassung (damals) wie folgt lautete:

"(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Bei der Prüfung dieser Frage ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass zur Deckung des Lebensbedarfs des Beschwerdeführers ein dem Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG (idF BGBl. II Nr. 532/2006) entsprechender Betrag von (damals) EUR 726,-- zur Verfügung hätte stehen müssen. Vom Einkommen des Vaters, das unstrittig EUR 1.358,67 im Monatsdurchschnitt betragen hatte, wären aber nicht EUR 910,20, sondern nur EUR 726,-- in Abzug zu bringen gewesen, wobei es im Ergebnis ohne Bedeutung ist, ob man dabei auf den allgemeinen Grundbetrag nach § 291a Abs. 1 EO, der auf den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG Bezug nimmt, abstellt (vgl. das Erkenntnis vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0632) oder den genannten Richtsatz direkt heranzieht (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0231). Im vorliegenden Fall wäre daher zur Deckung der Lebensbedürfnisse des Beschwerdeführers und seines Vaters jedenfalls ein monatliches Nettoeinkommen von 2 x EUR 726,--, somit von EUR 1.452,-- erforderlich gewesen. Demzufolge hätte sich rein rechnerisch ein Fehlbetrag von EUR 93,33 im Monat ergeben.

Damit wird relevant, dass die belangte Behörde die Rechtslage hinsichtlich der Tauglichkeit von Sparguthaben zum Nachweis der Deckung des Unterhaltsbedarfs verkannt hat. Insoweit ist das Beschwerdevorbringen, dass der Unterhalt des Beschwerdeführers auch mittels Abhebungen vom Sparbuch durch seinen Vater gedeckt werden könne, im Ergebnis berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. September 2009, Zl. 2008/22/0659, mwN; siehe beispielsweise auch das Erkenntnis vom 10. November 2009, Zl. 2008/22/0859). Dass die erwähnte Differenz sogar auf lange Zeit durch ein Sparguthaben in der Höhe von EUR 7.000,-- gedeckt werden könnte, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 27. Mai 2010

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