VwGH 2008/21/0035

VwGH2008/21/003518.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Mai 2007, Zl. St-17/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6 Abs1;
EheG §23;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
ARB1/80 Art6 Abs1;
EheG §23;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Dazu stellte sie fest, der Beschwerdeführer habe sich auf Grund mehrerer vom Österreichischen Generalkonsulat Istanbul erteilter Aufenthaltserlaubnisse (zuletzt sei ihm am 15. Dezember 2003 eine bis zum 20. April 2004 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt worden) als Saisonkraft in Österreich aufgehalten. Am 10. Mai 2004 habe er zum Schein die österreichische Staatsangehörige E. geheiratet und - unter Berufung auf diese Ehe - eine Niederlassungsbewilligung als "begünstigter Drittstaat - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" beantragt. Die Ehe sei allerdings (mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 13. Juli 2005) gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt worden (Anmerkung: eine Niederlassungsbewilligung wurde dem Beschwerdeführer in der Folge nicht erteilt).

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, nach wie vor einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, über eine bis zum 13. Dezember 2007 gültige Arbeitserlaubnis zu verfügen und durch seine Erwerbstätigkeit in Österreich seinen eigenen Lebensunterhalt sowie den seiner beiden in der Türkei verbliebenen Kinder sicherzustellen.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit Ablauf der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis, also "seit rund zwei Jahren", rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil ihm weder ein fremden- noch ein asylrechtlicher Aufenthaltsstatus zukomme. "Vom AMS" sei nämlich mit Schreiben vom 21. Juli 2006 mitgeteilt worden, dass auf ihn "derzeit die Bestimmungen des Artikels 6 Abs. 1 erster und zweiter Gedankenstrich des ARB keine Anwendung finden". Auch sei darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer versucht habe, sich durch Eingehen einer Scheinehe ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen.

Durch den Umstand, dass er in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe und seine Eltern sowie zwei Geschwister in Österreich lebten, möge die Ausweisung einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben bedeuten. Jedoch würde die öffentliche Ordnung, der ein sehr hoher Stellenwert zukomme, durch ein Fortdauern des rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erheblich beeinträchtigt. Die Ausweisung sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Dezember 2007, B 1289/07-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerde sind keine substantiierten Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, zumal dem Beschwerdeführer aus folgenden Überlegungen auch keine Berechtigungen nach dem Beschluss Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB Nr. 1/80) zukommen:

Der Beschwerdeführer macht insoweit geltend, er falle in den Anwendungsbereich des ARB Nr. 1/80, weil er seit dem Jahr 2001 saisonal und seit dem Jahr 2003 ständig in Österreich legalen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sei. Er gehöre unverändert dem regulären Arbeitsmarkt der Republik Österreich an und erfülle somit die Kriterien des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80, sodass im Übrigen über die Ausweisung der unabhängige Verwaltungssenat hätte entscheiden müssen.

Festzuhalten ist zunächst, dass eine "ordnungsgemäße Beschäftigung" iSd genannten Bestimmung des ARB Nr. 1/80 eine gesicherte aufenthaltsrechtliche Position erfordert (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0402, und vom 18. September 2008, Zl. 2008/21/0087). Somit kommt einem Fremden, der den Zugang zum Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich im Weg einer Scheinehe erlangt hat, die Begünstigung nach dem ARB Nr. 1/80 nicht zugute (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0149, mwN).

Vom Vorliegen einer Scheinehe ist im Beschwerdefall schon auf Grund des erwähnten rechtskräftigen Urteils des Bezirksgerichtes Linz vom 13. Juli 2005 auszugehen, mit dem die Ehe gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt wurde. Dadurch wurde die in diesem Sinn rechtsmissbräuchliche Eheschließung durch den Beschwerdeführer rechtskräftig und bindend festgestellt (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, Zl. 2008/22/0541, mwN).

Mithin können alle aus dieser Eheschließung resultierenden Beschäftigungszeiten keine Relevanz iSd Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 entfalten. Was aber die davor als Saisonkraft zurückgelegten Zeiten anlangt, so ist schon nicht ersichtlich, dass insofern die zeitlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erfüllt worden wären (siehe dazu auch das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 3. April 2008, Zl. 2008/09/0051).

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer neuerlich auf seinen mehrjährigen Aufenthalt und seine Berufstätigkeit in Österreich sowie darauf, dass hier seine Eltern und zwei Geschwister lebten, sodass insgesamt von "umfassender sozialer Integration" auszugehen sei.

Die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers und seinen familiären Bindungen resultierenden persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich sind an Gewicht jedoch insoweit zu relativieren, als der bisherige Aufenthalt zunächst jeweils befristet als Saisonkraft und ab Mai 2004 nur auf Grund des Eingehens einer Scheinehe rechtmäßig war. Der Beschwerdeführer musste sich überdies auf Grund der ihm bekannten Gegebenheiten der Unsicherheit seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst gewesen sein. Auch unter Zugrundelegung einer mehrjährigen Dauer des inländischen Aufenthalts, seiner Berufstätigkeit und seiner familiären Bindungen kommt seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet daher kein großes Gewicht zu.

Andererseits hat der Beschwerdeführer durch das Eingehen einer Scheinehe und die Berufung hierauf zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch sind keine Gründe ersichtlich, aus denen das der Behörde eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben gewesen wäre.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Februar 2009

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