VwGH 2008/22/0541

VwGH2008/22/054117.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Ü, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. August 2005, Zl. Fr 205/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte die belangte Behörde aus, dass sie unter Beachtung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung annehme, dass der Beschwerdeführer am 25. März 2002 mit der österreichischen Staatsangehörigen Sabrina N die Ehe geschlossen habe, um sich in einem Verfahren für die Erteilung des Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen zu können; der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehefrau jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet. Dies sei der Aussage der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers zu entnehmen. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 18. Jänner 2005 sei die gegenständliche Ehe als nichtig aufgehoben worden; der dagegen erhobenen Berufung habe das Landesgericht Wiener Neustadt mit Urteil vom 31. Mai 2005 keine Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 19. November 1991 nach Österreich gereist und habe sich hier bei seinem Bruder aufgehalten. 1997 sei er in die Türkei zurückgekehrt und habe dann am 25. März 2002 die gegenständliche Ehe geschlossen. Am 27. März 2002 habe er die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicherin" beantragt. Am 2. April 2002 sei er wieder nach Österreich gereist.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG erfüllt sei und der rechtsmissbräuchliche Eheschluss die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde. Somit sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

In Österreich sei zwar der Bruder des Beschwerdeführers aufhältig, der aber nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebe. Die durch den inländischen Aufenthalt (seit 2. April 2002) erwirkte Integration werde dadurch deutlich geschmälert, dass der Aufenthalt auf einer ständigen Täuschungs- und Umgehungshandlung beruhe. Das Aufenthaltsverbot sei "zulässig und geradezu geboten" und es wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Die allfälligen Privatinteressen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich hätten eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zurückzutreten. Diese Überlegungen würden auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 36 Abs. 1 FrG gelten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG ist verwirklicht, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

Gegen die behördliche Beweiswürdigung bringt der Beschwerdeführer (lediglich) vor, es könne aus der Tatsache, dass in anderen Fällen eine Scheinehe vorliege, nicht darauf geschlossen werden, dass es sich auch bei der vom Beschwerdeführer geschlossenen Ehe um eine so genannte Scheinehe handle. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in keiner Weise eine konkrete Verfahrensrüge darstellt, ist dem Vorbringen aber auch schon deswegen der Boden entzogen, weil die Ehe - vom Beschwerdeführer zugestanden - für nichtig erklärt wurde, und zwar - den im Verwaltungsakt erliegenden Urteilen zufolge - gemäß § 23 Abs. 1 EheG aus dem Grund, dass die Ehe ausschließlich zum Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Dadurch wurde die rechtsmissbräuchliche Eheschließung seitens des Beschwerdeführers rechtskräftig und bindend festgestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0727).

In keiner Weise wird in der Beschwerde die Feststellung der belangten Behörde mit konkreten Argumenten bekämpft, dass der Beschwerdeführer für die rechtsmissbräuchliche Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. Demnach durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG als verwirklicht ansehen. Wegen der dadurch bewirkten Gefährdung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen ist auch die Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt (vgl. auch dazu das zur diesbezüglich inhaltsgleichen Bestimmung des § 60 FPG ergangene hg. Erkenntnis 2008/22/0727). Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer nicht vernommen und dieser hätte aussagen können, dass es sich um eine "Liebesheirat" gehandelt habe, kann - wie erwähnt - auf Grund des rechtskräftigen und bindenden Urteils nicht zum Ziel führen.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei bis 31. Dezember 1996 im Besitz einer durchgehenden befristeten Aufenthaltsbewilligung gewesen, sei 1997 in die Türkei zurückgekehrt und im Jahr 2002 wieder eingereist, sei somit seit langer Zeit in Österreich aufhältig und integriert, bekämpft der Beschwerdeführer das Ergebnis der behördlichen Beurteilung nach § 37 FrG.

Der Beschwerdeführer vermag damit jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Dem großen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens steht zwar ein längerer inländischer Aufenthalt des Beschwerdeführers gegenüber, der jedoch - nach seiner Wiedereinreise - auf einer rechtsmissbräuchlich geschlossenen Ehe beruhte, und es kann der Beschwerdeführer lediglich auf eine inländische familiäre Bindung zu einem nicht im selben Haushalt lebenden Bruder verweisen. Sonstige integrationsbegründende Umstände wurden nicht behauptet. Somit durfte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und als zulässig im Sinne des § 37 FrG werten.

Letztlich zeigt der Beschwerdeführer keine Umstände auf, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2008

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