VwGH 2008/18/0537

VwGH2008/18/053722.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SJ, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Mai 2008, Zl. E1/472.356/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs1 litC;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §56;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs1 litC;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde - zum Teil unter Hinweis auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, die sich die belangte Behörde in ihrer Begründung zu Eigen machte -

darauf ab, dass sich der Beschwerdeführer seit 1994 im Bundesgebiet aufhalte und im Besitz eines Aufenthaltstitels sei. Am 4. Mai 2007 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Dem Urteil zufolge habe der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken gemeinsam mit weiteren Tätern durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt worden sei. Der Beschwerdeführer sei am 9. November 2006 in Wien mit einem Mittäter in eine Bank gegangen. Als er von einem weiteren Täter "das Zeichen" bekommen habe, habe er gegen die anwesenden Personen eine Softgun-Pistole gerichtet. Ein Mittäter, der eine Tränengaspistole verwendet habe, sei zu den Kassen gegangen und habe das Geld eingesteckt. Dem Bankunternehmen sei durch den Raub ein Schaden von EUR 75.000,-- entstanden.

Der Beschwerdeführer habe mit sieben Komplizen bei Banküberfällen mitgewirkt. Die Personen seien allesamt als Bande aufgetreten; gegen alle sei in 24 Fällen verhandelt worden. Bei einem (gemeint: dem oben näher dargestellten) Bankraub sei der Beschwerdeführer maßgeblich beteiligt gewesen. Den Bankinstituten sei hoher finanzieller Schaden zugefügt worden. Der Beschwerdeführer habe, obgleich er einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, diesen Weg (gemeint: strafbare Handlungen zu begehen) gewählt, um zu Vermögen zu gelangen. Er habe sich auch nicht gescheut, eine Waffe gegen die anwesenden Personen zu richten. Er habe über einen längeren Zeitraum und in zahlreichen Fällen an Raubüberfällen mitgewirkt.

Ausgehend von der oben genannten Verurteilung sei - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - der in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG genannte Tatbestand erfüllt. Das dort genannte Strafausmaß sei im vorliegenden Fall beträchtlich überschritten worden. Anhand des dargestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne aber auch kein Zweifel bestehen, dass die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG berechtigt sei.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1985 geborene Beschwerdeführer halte sich seit März 1994 ununterbrochen in Österreich auf. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich lebten sein Vater und seine Schwester, seine Mutter sei verstorben. Vor seiner Verhaftung sei der Beschwerdeführer einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Über Barmittel verfüge er nicht. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin, mit der er eine Familie gründen wolle, verlobt. Der Beschwerdeführer beabsichtige, während seiner Strafhaft eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker zu absolvieren. In Anbetracht all dieser Umstände sei ein mit der Erlassung des Aufenthaltsverbots verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zu bejahen. Dieser sei allerdings zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums Dritter, dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten augenfällig dokumentiert, dass er nicht in der Lage bzw. nicht gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Der aus den festgestellten Umständen ableitbaren Integration könne fallbezogen kein entscheidendes Gewicht (mehr) zukommen, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die vom Beschwerdeführer begangene Straftrat erheblich beeinträchtigt worden sei. Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen gelange die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, wie der hier in Rede stehenden, und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, dass § 61 Z 3 und Z 4 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstünden, weshalb im Rahmen der Ermessensübung nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand habe genommen werden können und das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit (unbefristet) auszusprechen gewesen sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Ausführungen der belangten Behörde, wonach er über einen längeren Zeitraum und in zahlreichen Fällen an Raubüberfällen mitgewirkt habe. Er sei lediglich wegen der Beteiligung an einem einzigen Raubüberfall verurteilt worden. Des Weiteren verweist er auf den ihm früher erteilten unbefristet gültigen Aufenthaltstitel.

Mit dem zuletzt genannten Argument zielt der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 56 FPG ab, wonach das gegenständliche Aufenthaltsverbot - mit Blick darauf, dass dem Beschwerdeführer am 22. April 2004 ein ab 1. Jänner 2006 als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" weiter geltender (vgl. § 11 Abs. 1 lit. C NAG-DV) Niederlassungsnachweis erteilt wurde - nur bei Bejahung des dort vorgesehenen, gegenüber § 60 Abs. 1 FPG erhöhten Gefährdungsmaßstabes hätte erlassen werden dürfen (vgl. zum im FPG enthaltenen System der abgestuften Gefährdungsprognosen ausführlich das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Ungeachtet dessen, dass die belangte Behörde für ihre Beurteilung ausschließlich § 60 FPG heranzog, wurde der Beschwerdeführer aber fallbezogen nicht in Rechten verletzt, weil in Anbetracht der gegen ihn ergangenen Verurteilung und des der Verurteilung zu Grunde liegenden Verhaltens ohne Zweifel jedenfalls auch das Vorliegen der in § 56 FPG ausgedrückten Gefährdung zu bejahen war. Soweit der Beschwerdeführer bezugnehmend auf die behördlichen Feststellungen darauf hinweist, er sei lediglich wegen der Beteiligung an einem Raub verurteilt worden und im Übrigen hätten alle anderen Taten die "Mitverurteilten" zu verantworten, lässt er außer Acht, dass bereits die Behörde erster Instanz in ihrem Bescheid dargelegt hat, alle Beteiligten seien bandenmäßig aufgetreten und der Beschwerdeführer habe - wenngleich er nur für seine Beteiligung an einem Raub verurteilt worden sei - eine Mitwirkung auch bei anderen Taten zu vertreten, sei diese auch nicht in ein strafrechtlich relevantes Stadium getreten. Diese Feststellungen ließ der Beschwerdeführer in seiner Berufung unbestritten, sodass sich seine Ausführungen in der Beschwerde, er stünde mit den anderen Straftaten in überhaupt keinem Zusammenhang, als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung erweist (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er habe sich zur strafbaren Handlung durch falsch verstandene Freundschaft hinreißen lassen, er befinde sich nunmehr seit geraumer Zeit in Strafhaft, und es werde ihm durch die noch andauernde Haft deutlich vor Augen geführt, welche Konsequenzen strafbares Verhalten habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein allfälliger Gesinnungswandel in erster Linie anhand des Wohlverhaltens während der (nach der Strafhaft) in Freiheit verbrachten Zeit zu messen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0486, mwN).

Des Weiteren verweist der Beschwerdeführer - bezugnehmend auf die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG - auf seinen seit 1994 in Österreich währenden Aufenthalt, die hier absolvierte Schul- und Lehrausbildung, seine Beschäftigung als Fensterreiniger sowie auf die in Österreich lebende Schwester und seinen Vater.

All diese Umstände hat die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der von ihm herrührenden Gefährdung kann es aber nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthalts und an seinem künftigen Fernbleiben vom Bundesgebiet gegenüber seinen persönlichen Interessen Vorrang eingeräumt hat. Die mit einer Wiedereingliederung in seinem Heimatland allfällig verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. September 2011

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