VwGH 2008/18/0466

VwGH2008/18/046622.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des D P in W, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. April 2008, Zl. SD 641/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach dem Verweis auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 2001 mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad von 18. Jänner 2001 bis 31. Jänner 2001 ausgestellten Visum in das Bundesgebiet eingereist und sei seit 12. September 2001 auch hier gemeldet. Zunächst hätte er von einer österreichischen Staatsbürgerin adoptiert werden sollen, am 26. Februar 2004 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am 4. März 2004 habe er erstmals die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt, die auch erteilt und deren Gültigkeit bis 28. April 2006 verlängert worden sei.

Im Zuge polizeilicher Erhebungen an der angeblich ehelichen Wohnanschrift (in der L-Straße) am 13. Februar 2006 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers mit zwei ihrer drei Kinder sowie ihrem früheren Ehemann angetroffen worden. Dieser sei mit einem Laptop im Wohnzimmer gesessen und habe auf Befragung erklärt, seiner früheren Ehefrau nur die Alimentationszahlungen persönlich gebracht zu haben. Eine Nachbarin habe ausgesagt, in der Wohnung hielten sich seit Jahren die Ehefrau des Beschwerdeführers, ihr früherer Ehemann und deren drei Kinder sowie die Mutter des früheren Ehemannes auf. Der Berufungswerber wohne mit Sicherheit nicht dort.

Beweiswürdigend stützte sich die belangte Behörde zunächst darauf, dass bei der polizeilichen Kontrolle zwar der frühere Ehemann, nicht jedoch der Berufungswerber bei seiner Ehefrau in jener Wohnung angetroffen worden sei, die laut Scheidungsvergleichen ohnedies dem früheren Ehemann zustünde. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 26. März 2006, seine Ehefrau und deren früherer Ehemann dürften laut Bezirksgericht diese Wohnung gemeinsam benützen, entspreche nicht der Aktenlage. Es erscheine der belangten Behörde nicht erklärbar, weshalb der frühere Ehemann die Alimentationszahlungen persönlich vorbeibringe und dann mit einem Laptop im Wohnzimmer sitzend angetroffen werde. Da der Beschwerdeführer der Nachbarin völlig unbekannt gewesen sei und diese hingegen gewusst habe, dass dort seit Jahren die Ehefrau mit ihrem früheren Ehemann und ihren Kindern wohne, gelange die belangte Behörde zum Schluss, dass ein eheliches Zusammenwohnen des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau lediglich vorgetäuscht werden solle. Dafür spreche auch, dass der Verdacht bestehe, der frühere Ehemann der Ehefrau des Beschwerdeführers sei mit der wahren Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, eine Aufenthaltsehe eingegangen. Zwei Nachbarn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers hätten bestätigt, dass dieser mit ihr in deren Wohnung zusammenlebe. Diese Unterkunft sei auch vom Beschwerdeführer angemietet worden. Dessen Erklärung in seiner Stellungnahme vom 26. März 2006, er unterstütze die Cousine seiner Ehefrau "mit der Wohnung" und auch finanziell, weil sie noch kein Visum bekommen habe, und die Wohnung müsse auf seinen Namen lauten, weil seine Ehefrau um die Zuteilung einer Gemeindewohnung "eingereicht" habe, sei für die belangte Behörde weder nachvollziehbar noch glaubwürdig oder gar überzeugend. Der Beschwerdeführer habe auch keine Beweismittel geltend machen können, die das vorliegende Beweisergebnis hätten in Frage stellen können.

Seit 23. November 2006 sei die Ehe des Beschwerdeführers geschieden.

Der Beschwerdeführer sei sohin eine Scheinehe eingegangen, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen seien zwar pauschal geltend gemacht, jedoch in keiner Weise konkretisiert worden. Zwar sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, der jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu.

Bei der gemäß § 66 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Dieser Aufenthalt sei indes zum Großteil zunächst unrechtmäßig gewesen und habe sich anschließend auf die Scheinehe gestützt. Den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt habe der Beschwerdeführer erst durch die genannte Scheinehe erwirkt. Insgesamt erweise sich das dem Beschwerdeführer zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet als keinesfalls gewichtig. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen gelange die belangte Behörde zu der Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Im Hinblick auf das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers und seiner aktenkundigen Lebenssituation könne vor Ablauf von zehn Jahren nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden, weshalb die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme auf den genannten Zeitraum festzulegen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bekämpft das Ergebnis der Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, dessen Gründe im Ergebnis auch die belangte Behörde als maßgebend ansah, sei, wenn überhaupt, nur nach intensivstem Studium des ihm zugrunde liegenden fremdenpolizeilichen Aktes verständlich. Dort sei die Adresse der angeblichen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers mit K-Straße 84/13 angegeben, obwohl im fremdenpolizeilichen Akt von der Wohnung K-Straße 84/27 die Rede sei. Schon der Hinweis, dass es sich um die Wohnung der (angeblichen) Lebensgefährtin handelte und über deren Lage keine Unstimmigkeiten auftraten, zeigt jedoch dass es sich hiebei um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, den auch der Beschwerdeführer selbst erkannte.

Der von der Beschwerde vermeinten Redundanz der Begründungselemente über die Aufdeckung von drei Scheinehen und der zweiten Scheinehe der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers steht die in § 60 AVG normierte Pflicht, in der Begründung des Bescheides die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen, entgegen. Der in der Beschwerde kritisierte Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid, wonach beide Partner auch wechselseitig von den Anwälten Dr. Weber bzw. Dr. Höfler vertreten seien, lässt zwar offen, ob und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, doch verwies die belangte Behörde ohnedies nur "im Ergebnis auch" auf die Gründe des angefochtenen Bescheides, weshalb diesem Umstand keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.

Die Berücksichtigung des Verdachts mehrerer Scheinehen im nächsten Umfeld der Beteiligten (wovon eine auch vom VwGH zu Zl. 2007/18/0027 bestätigt wurde) dient der umfassenden Beweiswürdigung sämtlicher Ermittlungsergebnisse und stellt - entgegen den Ausführungen der Beschwerde - noch keine Feststellung von Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG dar.

Weder die Behörde erster Instanz noch die tragende Begründung des angefochtenen Bescheides stützten sich auf die im Verfahren offen gebliebenen Umstände, ob nämlich die in der vermeintlichen Ehewohnung des Beschwerdeführers vorgefundenen Sachen eines Mannes wie Kleidung, Schuhe und Rasierzeug auch dem Beschwerdeführer gehören, und warum die Aufbewahrung von Reisepass und Dokumenten des Beschwerdeführers den einschreitenden Beamten als griffbereit für eine Kontrolle vorbereitet erschienen. Dabei handelte es sich lediglich um die Wiedergabe der Hauserhebungen vom 13. Februar 2006. In der Beweiswürdigung stellte die belangte Behörde nicht darauf ab, dass in der Wohnung Gegenstände des früheren Ehemannes gefunden worden seien, sodass es nicht darauf ankommt, wem sie gehörten. Selbst wenn es die Sachen des Beschwerdeführers gewesen wären, ergibt sich daraus nicht zwingend sein tatsächlicher Wohnort, sodass die von der belangten Behörde auf der Grundlage anderer Beweismittel vorgenommene Beweiswürdigung nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widerspricht. Auch in der Beschwerde wird nicht näher dargestellt, zu welchem anderen Ergebnis dahingehende Ermittlungen geführt hätten, sodass es an der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels fehlt.

Die im Erhebungsbericht wiedergegebenen Aussagen der Nachbarn über den Aufenthalt von Personen in den fraglichen Ehewohnungen sind soweit klar und eindeutig, dass sie keiner weiteren Ergänzung über den Beobachtungszeitraum und die Häufigkeit des Sichtkontaktes bedurften. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass - wie die Beschwerde vermutet - eine Nachbarin Beobachtungen aus früheren Jahren wiedergegeben hätte, erfolgte doch die Befragung im Zuge der Hauserhebungen und kam dabei hervor, dass die Nachbarn die jeweiligen Scheinehepartner überhaupt nicht kannten.

Das Anmieten der Wohnung in der K-Straße durch den Beschwerdeführer begründet dieser mit der Unterstützung einer Cousine seiner Ehefrau, weil diese Verwandte noch kein Visum bekommen habe, und mit dem Ansuchen seiner Ehefrau um eine Gemeindewohnung, was jedoch von der belangten Behörde als weder nachvollziehbar, noch glaubwürdig oder gar überzeugend angesehen wurde. Dem Vorwurf in der Beschwerde, die belangte Behörde habe dafür gar keinen Grund ins Treffen geführt, ist entgegenzuhalten, dass diese wohl davon ausging, es handle sich bei der dort wohnenden Frau nicht um die Cousine der Ehefrau, sondern um die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, was durch Angaben von deren Nachbarn bestätigt wurde.

Die vom Beschwerdeführer relevierten Aspekte helfen nicht über die - auf Grund der Aussagen der Nachbarn - festgestellten tatsächlichen Wohnverhältnisse hinweg, wonach der Beschwerdeführer in der K-Straße bei seiner Lebensgefährtin und ihren Kindern wohnt und die Ehefrau des Beschwerdeführers in der L-Straße mit ihrem früheren Ehemann und den gemeinsamen drei Kindern lebt.

Vor diesem Hintergrund begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer iSd § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat.

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, erweist sich am Boden der hg. Rechtsprechung als unbedenklich.

2. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung, auf die die Beschwerde nicht eingeht, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere tritt die Beschwerde der behördlichen Feststellung, der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Sorgepflichten und familiäre Bindungen seien in keiner Weise konkretisiert worden, nicht entgegen.

3. Soweit sich die Beschwerde gegen die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes wendet, ist dem zu entgegnen, dass gemäß § 63 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden darf. Nach der hg. Judikatur ist ein befristetes Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011, Zl. 2008/18/0145, mwN).

Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel erlangt zu haben. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt das Eingehen einer Aufenthaltsehe tatsachenwidrig bestritten hat, kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne (vgl. erneut das hg. Erkenntnis Zl. 2008/18/0145).

4. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. September 2011

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