Normen
EStG 1988 §34 Abs3;
EStG 1988 §34 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit über die Einkommensteuer für die Jahre 2003 und 2004 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen (hinsichtlich des Jahres 2002) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2002 und 2003 sowie in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 u.a. - für alle drei Jahre - außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit einem von seiner Ehefrau gegen ihn angestrengten Scheidungsprozess und - für die Jahre 2003 und 2004 - Werbungskosten im Zusammenhang mit einer vom Dienstgeber eingeräumten Aktienoption geltend, die vom Finanzamt in den Einkommensteuerbescheiden für die drei Streitjahre nicht anerkannt wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diese Bescheide als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Zum Streitjahr 2002:
In Bezug auf dieses Streitjahr, das von dem zweiten, die Aktienoption betreffenden Streitpunkt nicht berührt ist, hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegenhalten, die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung in der Höhe von EUR 9.678,55 finde Deckung in dem von der belangten Behörde für dieses Jahr mit EUR 23.204,80 ermittelten Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988.
Dieser rechtlich schlüssigen Argumentation tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen, sodass die Beschwerde insoweit, als sie sich auf das Jahr 2002 bezieht, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
2. Zu den Streitjahren 2003 und 2004:
Für diese Jahre hat die belangte Behörde den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen die Anerkennung versagt, weil die in § 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 verankerte Voraussetzung, wonach die Belastung "zwangsläufig erwachsen" sein müsse, nicht erfüllt sei. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Das ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen und nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verneinen, wenn die Aufwendungen freiwillig getätigt werden oder auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem er sich aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, 2001/14/0218).
Dass letzteres hinsichtlich der für die Jahre 2003 und 2004 geltend gemachten Prozesskosten der Fall gewesen sei, hat die belangte Behörde nur daraus abgeleitet, dass es später zu einer einvernehmlichen Scheidung gekommen sei. Die belangte Behörde verweist auf die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1991, 89/14/0088, und vom 18. Februar 1999, 98/15/0036, und behandelt die Prozesskosten der Jahre 2003 und 2004 als "Folge" des Scheidungsvergleichs vom 8. Juli 2005.
Damit hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt. Das erste der von ihr zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes betraf die Erfüllung einer finanziellen Verpflichtung aus einem Scheidungsvergleich, das zweite Aufwendungen für Besuche bei einem mit der geschiedenen Ehefrau im Ausland lebenden Kind (vgl. zu Zahlungen auf Grund eines Scheidungsvergleichs etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1998, 97/15/0204, und vom 29. Jänner 2002, 2001/14/0218; zu Besuchskosten auch das Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2008/15/0104; zu Anwaltskosten bei der einvernehmlichen Ehescheidung das Erkenntnis vom 12. April 1983, 82/14/0342, ÖStZB 1984, 19).
Geht es um die Kosten des Steuerpflichtigen in - wie im vorliegenden Fall - gegen ihn angestrengten Prozessen im Zusammenhang mit der Scheidung, und mündeten die Auseinandersetzungen letztlich in eine einvernehmliche Scheidung, so ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige freiwillig das Risiko eines nicht eindeutig erfolgversprechenden Rechtsstreites eingegangen ist, statt von vornherein eine einvernehmliche Scheidung anzustreben (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, 84/14/0007, ÖStZB 1986, 214; Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 34 Einzelfälle, Stichwort Prozesskosten). Die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einzelheiten betreffend den Verlauf der Auseinandersetzungen und das Fehlen von Handlungsalternativen bis kurz vor der einvernehmlichen Scheidung wären für die Prüfung der Frage, ob ihm die geltend gemachten Belastungen "zwangsläufig erwachsen" waren, daher von Bedeutung gewesen (vgl. auch das - eine aktive Klagsführung betreffende - hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1991, 89/13/0037, und die dem Erkenntnis vom 13. März 1991, 90/13/0034, offenbar zugrunde liegende Annahme eines ehewidrigen Verhaltens und überwiegenden Verschuldens des damaligen Beschwerdeführers).
Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und den Fall so behandelt hat, als würden die Kosten der einvernehmlichen Scheidung vom Juli 2005 oder Aufwendungen auf Grund des dabei Vereinbarten geltend gemacht, war der angefochtene Bescheid in Bezug auf die Jahre 2003 und 2004 - ohne Auseinandersetzung mit dem zweiten diese Jahre betreffenden Streitpunkt - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 25. September 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)