Normen
ABGB §6;
ABGB §7;
EStG 1988 §124b Z130;
EStG 1988 §19 Abs1 idF 2000/I/142;
EStG 1988 §19 Abs1 idF 2005/I/161;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2008130053.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Angestellter und bezog im Streitjahr 2006 ein von der IAF Service GmbH ausbezahltes Insolvenz-Ausfallsgeld für Ansprüche, die aus Zeiträumen der Jahre 1999 bis 2004 stammten.
Strittig sei - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides -, ob das im Jahr 2006 ausbezahlte Insolvenz-Ausfallsgeld im Jahr des Zuflusses oder nach Ansicht des Beschwerdeführers "im jeweiligen Fälligkeitsjahr des Bezuges" zu versteuern ist. Es stehe fest, dass der Konkurs über das Vermögen des Unternehmens A. im Jahr 2004 eröffnet worden und die strittigen Ansprüche des Beschwerdeführers in den Jahren 1999 bis 2004 entstanden seien. Unstrittig sei auch, dass die Zahlungen der IAF Service GmbH an den Beschwerdeführer im Jahr 2006 erfolgt seien. Nach der für das Streitjahr anzuwendenden Regel des § 19 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I 142/2000 sei der Zufluss des Insolvenz-Ausfallsgeldes im Zeitpunkt der Zahlung zu erfassen gewesen. Die mit dem AbgÄG 2005, BGBl. I 161/2005, geänderte Rechtslage, nach der die Zurechnung von Nachzahlungen des Insolvenz-Ausfallsgeldes zu dem Jahr erfolge, für das der Anspruch bestanden habe, sei gemäß § 19 Abs. 1 dritter Satz iVm § 124b Z 130 erster Satz EStG 1988 erstmals auf Konkurse anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet worden seien. Wegen der im Beschwerdefall erfolgten Konkurseröffnung vor dem 31. Dezember 2005 sei die Versteuerung der Zahlungen im Jahr 2006 (sohin im Zeitpunkt des Zuflusses) zu Recht erfolgt. Auch die Versteuerung der von der IAF Service GmbH ausbezahlten Bezüge gemäß § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 142/2000 sei rechtskonform vorgenommen worden.
Die Behandlung der gegen den angefochtenen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 26. Februar 2008, B 2240/07, abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die Beschwerde behaupte die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wegen Anwendung des § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988. Das Beschwerdevorbringen lasse aber "vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Gesetzgeber auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellen und daher Härtefälle in Kauf nehmen darf (VfSlg. 11.469/1987, 11.615/1988), und angesichts des Umstandes, dass die angegriffene Vorschrift für den Durchschnittsfall eine hinreichende Berücksichtigung von Progressionseffekten enthält und grundsätzlich vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds auch Vorschüsse geleistet werden können", die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
§ 19 Abs. 1 EStG 1988 erhielt durch das BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 142/2000, folgende Fassung (Änderungen in Kursivschrift):
"Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Nachzahlungen von Pensionen und Bezügen aus der Unfallversorgung, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, gelten in dem Kalendermonat als zugeflossen, für den der Anspruch besteht. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt."
In den Gesetzesmaterialen, AB 369 BlgNR 21.GP 10, wird zur Neufassung des § 19 Abs. 1 EStG 1988 ausgeführt, dass über die Zahlung von Pensionen insbesondere aus der gesetzlichen Sozialversicherung bescheidmäßig abzusprechen sei. Vor Ergehen des Bescheides seien Akontozahlungen insbesondere bei Witwen- und Waisenpensionen oder in zwischenstaatlichen Fällen nicht möglich. Daher werde für diese Ausnahmefälle über die Regelung des § 19 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988 hinaus eine Zuordnung zu jenem Zeitraum vorgesehen, zu dem die Pensionen und Bezüge wirtschaftlich gehörten.
§ 19 Abs. 1 EStG 1988 in der durch das AbgÄG 2005, BGBl I 161/2005, novellierten Fassung lautet (Neufassung des dritten Satzes in Kursivschrift):
"Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr bezogen. Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, sowie Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalendermonat als zugeflossen, für den der Anspruch besteht. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 an das Finanzamt zu übermitteln. Die Vorschriften über die Gewinnermittlung bleiben unberührt."
§ 19 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2005 war nach § 124b Z 130 EStG 1988 erstmals für Konkurse anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet wurden.
Durch das BudgetbegleitG 2001 erhielt auch § 67 Abs. 8 EStG 1988 eine Neufassung. Nach der lit. g dieser Bestimmung sind Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren, soweit sie Bezüge gemäß § 67 Abs. 3, 6 und 8 lit. e oder f betreffen, mit dem festen Steuersatz zu versteuern. Von den übrigen Nachzahlungen ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Der verbleibende Betrag ist als laufender Bezug mit einer vorläufigen laufenden Lohnsteuer in Höhe von 15 % zu versteuern.
Zum nach § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 steuerfrei zu belassenden "Fünftel" erläutern die Gesetzesmaterialien (RV 311 BlgNR 21.GP 172): "… ist ein Fünftel als pauschale Berücksichtigung für steuerfreie Zulagen und Zuschläge oder sonstige Bezüge sowie als Abschlag für einen Progressionseffekt durch die Zusammenballung von Bezügen steuerfrei zu belassen (diese Steuerfreiheit bleibt auch bei einer allfälligen Veranlagung erhalten)."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das in Rede stehende Insolvenz-Ausfallsgeld nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid "rechtskonform" gemäß § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 in der Fassung des BudgetbegleitG 2001 (somit unter Abzug eines steuerfreien "Fünftels" u.a. zur Berücksichtigung von Progressionseffekten) versteuert wurde (gegen die Neuregelung des § 67 Abs. 8 lit. g EStG 1988 hat im Übrigen auch der OGH in einem zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz ergangenen Urteil vom 7. August 2003, 8ObS4/03a, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehegt). "Entscheidend" sei nach den Beschwerdeausführungen die steuerliche Zurechnungsregel des § 19 Abs. 1 EStG 1988. Die Besonderheiten des Beschwerdefalles "rechtfertigen und gebieten" nach Ansicht des Beschwerdeführers "eine analoge Anwendung der alten Fassung des § 19 Abs 1 EStG (im Sinne des Budgetbegleitgesetzes 2001) auf das mir ausbezahlte Insolvenzausfallsgeld." Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde "sohin unter analoger Anwendung des § 19 Abs 1 3. Satz EStG idF Art 7 Budgetbegleitgesetz 2001, hilfsweise unter analoger Anwendung des § 19 Abs 1 3. Satz EStG idF AbgÄG 2005, die mir nachbezahlten Beträge an Insolvenz-Ausfallsgeld jenen Kalenderjahren bzw Kalendermonaten zurechnen müssen, für welche sie bezahlt wurden".
Ein Analogieschluss setzt das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, voraus. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt; im Zweifel ist das Bestehen einer Gesetzeslücke nicht anzunehmen (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 27. April 2005, 2001/13/0114, VwSlg 8029/F, und vom 15. November 2005, 2004/14/0106, VwSlg. 8083/F).
Die oben dargelegte Gesetzeslage und die skizzierte Rechtsentwicklung bieten keinen Anhaltspunkt für eine Gesetzesanalogie in dem vom Beschwerdeführer angestrebten Sinn. So wurde die mit dem BudgetbegleitG 2001 statuierte Ausnahme vom Zuflussprinzip im dritten Satz des § 19 Abs. 1 EStG 1988 klar auf eine bestimmte Art von Nachzahlungen, nämlich von Pensionen und Bezügen aus der Unfallversorgung, eingeschränkt, wobei auch dafür zusätzlich das Vorliegen eines bescheidmäßigen Abspruches über deren Bezug gefordert war. Der Gesetzgeber hat auch eindeutig im § 124b Z 130 EStG 1988 festgelegt, dass er die Erweiterung der Ausnahmebestimmung auf Nachzahlungen im Insolvenzverfahren erst für Konkurse angewendet wissen wollte, die nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet wurden. Die in der Beschwerde formulierte Vorstellung, wenn "für die Bezieher einer Pension oder Unfallrente eine gesetzliche Ausnahme vom Zuflussprinzip geschaffen wurde, muss dieselbe Ausnahme auch für mich als Bezieher des Insolvenzentgeltes für mehrere Jahre gelten", ist zur Annahme einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht ausreichend.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 30. März 2011
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