Normen
11997E043 EG Art43;
11997E048 EG Art48;
AVG §9;
IPRG §4;
VStG §9 Abs1;
VwRallg;
11997E043 EG Art43;
11997E048 EG Art48;
AVG §9;
IPRG §4;
VStG §9 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als zum Tatzeitpunkt tatsächlich für die Tätigkeit der Fa. S Int. Ltd., London, maßgebliche und verantwortliche Person strafrechtlich dafür einzustehen, dass
"1) eine elektronische Post (SMS) zu Zwecken der Direktwerbung, unter Angabe der Absendernummer 0900/7, deren Inhaber die Fa. S Int. Ltd. ist, mit dem Text:
"Hallo bin L auf der Suche nach neuen Kontakten! Lust auf einen Kaffe! Zum Abmelden sende gratis: STOPP Tar.1,90"
am 10.10.2007 um ca. 16:00 Uhr an das Handy mit der Nummer 0664/1 der Frau U M, H, ohne deren vorherige Einwilligung zugesendet worden ist.
2) die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die unter
1) angeführte SMS-Nachricht übermittelt wurde, verheimlicht wurde.
3) als Dienstleister nicht sichergestellt wurde, dass die Bewerbung des in der SMS unter 1) angebotenen Dienstes
a) deutlich erkennbar Angaben darüber enthält, dass es sich bei der Entgeltangabe um Euro handelt, und
b) eine deutlich erkennbare Kurzbeschreibung des Diensteinhalts enthält."
Dadurch habe er folgende Rechtsvorschriften verletzt:
"Zu 1) § 107 Abs. 2 Zif. 1 iVm § 109 Abs. 3 Zif. 20 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 70/2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005
Zu 2) § 107 Abs. 5 iVm § 109 Abs. 3 Zif. 20 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 70/2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005
Zu 3a) § 104 Abs. 1 Zif. 2 der 6. Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit der Bestimmungen für Kommunikationsparameter, Entgelte und Mehrwertdienste festgelegt werden (Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung - KEM-V), kundgemacht durch Auflage zur Einsicht bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 389/2006 iVm § 109 Abs. 2 Zif. 9 TKG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005
Zu 3b) § 104 Abs. 1 Zif. 3 der 6. Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit der Bestimmungen für Kommunikationsparameter, Entgelte und Mehrwertdienste festgelegt werden (Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung - KEM-V), kundgemacht durch Auflage zur Einsicht bei der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 389/2006 iVm § 109 Abs. 2 Zif. 9 TKG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005".
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer folgende Strafen verhängt:
Zu 1) 1.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) gemäß § 109 Abs 3 Z 20 TKG;
zu 2) 1.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage) gemäß § 109 Abs 3 Z 20 TK
zu 3a) 600,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) gemäß § 109 Abs 2 Z 9 TKG
zu 3b) 600,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) gemäß § 109 Abs 2 Z 9 TKG.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die belangte Behörde habe am 30. September 2008 die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter repräsentiert worden sei. Mit E-Mail vom 7. Oktober 2008 sei der belangten Behörde von der Erstbehörde (dem Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg in Linz) eine Information der RTR-GmbH vom 3. Oktober 2008 übermittelt worden, aus welcher ersichtlich werde, dass nicht nur die Rufnummer 0900/7 vom Beschwerdeführer am 19. August 2006 für das in Rede stehende Unternehmen beantragt worden sei, sondern auch die Rufnummer 0930/9mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. Februar 2007. Bei beiden Anträgen sei der Beschwerdeführer als Ansprechpartner genannt worden. Die Erstbehörde habe zusätzlich einige Fotos vom 3. Oktober 2008 übermittelt, auf denen einerseits die Wohnungstüren der Einheiten Rstraße 77/10 sowie 11, andererseits die Klingel- bzw Sprechanlage des Hauses und die dortigen Briefkästen abgebildet seien. Daraus sei unzweifelhaft ersichtlich, dass zum Aufnahmezeitpunkt in Rstraße 77/11, S, die Firma S Int. angesiedelt sei. Mieter beider Wohnungen sei laut ebenfalls von der Erstbehörde übermittelter Auskunft der Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft S (GWG) der Beschwerdeführer selbst.
Auf dem Boden einer eingehenden Beweiswürdigung kam die belangte Behörde zum Ergebnis, es könne kein Zweifel darüber bestehen, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt in dem in Rede stehenden Unternehmen gewirkt habe und die bestimmende Person für die Gesamttätigkeit des Unternehmens in jeglicher Hinsicht gewesen sei.
Der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt Ende 2007 nicht mehr Direktor (Ausscheiden: 1. Februar 2007) der gegenständlichen Firma in London gewesen, deren "Division Austria" in S, Rstraße 77/11, ihren Sitz habe. Faktisch habe der Beschwerdeführer die Unternehmenstätigkeit in voller Verantwortung geleitet und bestimmt. Durch dieses Unternehmen sei eine SMS unter Angabe der Absendernummer 0900/7, deren Inhaber laut RTR-GmbH die Firma S Int. Ltd. sei, mit dem oben genannten Text auf das oben bezeichnete Mobiltelefon einer Frau in H ohne deren vorherige Einwilligung zugesendet worden. Im vorliegenden Fall sei weder die Tatsache, dass die gegenständliche SMS wie beschrieben von der S Int. Ltd. versendet worden sei, bestritten worden, noch seien die daraus gezogenen rechtlichen Konsequenzen grundsätzlich bekämpft worden. Vom Vorliegen der objektiven Tatseite könne daher ausgegangen werden.
Gemäß § 9 VStG sei das zur Vertretung nach außen befugte Organ einer juristischen Person verwaltungsstrafrechtlich zu belangen. Nach den österreichischen Rechtsvorschriften könne die Außenvertretung einer juristischen Person nur durch eine natürliche Person, die etwa im Firmenbuch eingetragen sei oder aus der Satzung ersichtlich sein müsse, ausgeübt werden. Nach britischem Recht (UK Company Act 2006) habe diese Regelung nicht in diesem Ausmaß bestanden. Es sei demnach grundsätzlich möglich gewesen, dass als Vertretungsbefugter einer juristischen Person (etwa einer Limited) nach dem britischen Unternehmensrecht eine andere juristische Person eingetragen gewesen sei. Diese Gesetzeslage habe sich zwar mit Wirkung vom 1. Oktober 2007 geändert, dennoch sei keine entsprechende Anpassung der Vertretungsverhältnisse bei dem in Rede stehenden Unternehmen erfolgt. Ob dieser Umstand von Seiten des Vereinigten Königreichs in irgendeiner Weise gewürdigt worden sei, sei der belangten Behörde nicht bekannt, dies spiele für die Beurteilung des vorliegenden Falls aber keine wesentliche Rolle. Faktum und für den vorliegenden Fall relevant sei, dass keine natürliche Person als außenvertretungsbefugt bei dem in Rede stehenden Unternehmen im Tatzeitpunkt aufgeschienen sei. Unter Heranziehung rein österreichischer rechtlicher Maßstäbe würde man in einem solchen Fall zum Schluss kommen, dass keine natürliche Person für das Handeln eines Unternehmens zur Verantwortung gezogen werden könnte. Nachdem das in Rede stehende Unternehmen aber nach britischem Recht gegründet und in der dortigen Rechtsordnung verankert sei, könne die Frage der Vertretung dieses Unternehmens auch nach § 9 Abs 1 VStG nur auf Basis des britischen Rechts gelöst werden. Dem stehe § 9 Abs 1 VStG nicht entgegen, der nach dem Wortlaut klar festlege, dass die nach außen vertretungsbefugte natürliche Person verwaltungsstrafrechtlich zu belangen sei, ohne dass hier irgendwelche weiteren Zusätze oder Einschränkungen vorgenommen würden. Auch im Lichte der Regelungen des Gemeinschaftsrechts (gerade bei Fragen des Binnenmarkts und des Unternehmensrechts) sei aus der Judikatur des EuGH die eindeutige Tendenz abzulesen, bei Beurteilung rechtlicher Fragen mit grenzüberschreitendem Bezug (wenn auch hier nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich des Vertrags) nicht allein die innerstaatliche Rechtsordnung zu berücksichtigen.
Es stelle sich nun die Frage, wer tatsächlich als nach außen vertretungsbefugtes Organ der Firma S Int. Ltd. nach britischem Recht und somit im Sinn des § 9 VStG zum Tatzeitpunkt fungiert habe, weil eine juristische Person, nämlich die F Ltd. mit gleichem Firmensitz in London zum Tatzeitpunkt die Funktion des Direktors ausgeübt habe. Direktor der Firma F Ltd. sei zum Tatzeitpunkt wiederum die S Int. Ltd. gewesen. Es seien somit für beide Firmen als Direktoren keine zeichnungsberechtigten natürlichen Personen auszumachen.
Nach britischem Unternehmensrecht sei, sofern die Geschäfte einer Limited von einer juristischen Person geführt würden und bei dieser keine zeichnungsberechtigte natürliche Person als "Director" aufscheine, zum einen der "Company Secretary" nach außen vertretungsbefugt. Zum anderen kenne das britische Recht das Institut des "shadow directors". Es handle sich dabei um diejenige natürliche Person, die tatsächlich maßgeblich die Geschäftstätigkeit und die internen Abläufe eines Unternehmens bestimme und dafür verantwortlich sei. Der Beschwerdeführer interpretiere ein - in einem gleichartigen Fall ergangenes - Erkenntnis der belangten Behörde dahin, dass die Haftbarmachung eines "shadow directors" nur subsidiär vorgenommen werden könne, sofern der Company Secretary nicht belangbar sei. Darauf hinzuweisen sei, dass diese Frage in der angesprochenen Entscheidung nur kurz umrissen worden sei, weil deren Klärung für den dortigen Fall nicht maßgeblich gewesen sei. Dort seien nur die verschiedenen Möglichkeiten der Belangung aufgezeigt worden, ohne hiefür eine Rangordnung festzulegen.
Im vorliegenden Verfahren sei von der belangten Behörde eine Fachmeinung der Universität Wien, Lehrstuhl für Internationales Recht, o. Univ.-Prof. Dr. F W, eingeholt worden, der in seinem Schreiben vom 18. Juni 2008 unmissverständlich - auch nach mehrfachen Rücksprachen mit Wissenschaftlern aus dem Vereinigten Königreich - angegeben habe, dass ein "shadow director" parallel und nicht subsidiär zum "company secretary" belangt werden könne. Dies decke sich auch mit den gewonnenen Erkenntnissen der belangten Behörde und entspreche dem dem "case law" zugrunde liegenden Effektivitätsgrundsatz.
Als Definition für das Rechtsinstitut des "shadow director's" gibt Dr. W an: "A person in respect of whose directions and instructions the directors are accustomed to act." In diesem Sinn werde also auf die in einem Unternehmen gebräuchlichen tatsächlichen Leitungs- und Verantwortungsstrukturen bei der Ausübung der Tätigkeit abgestellt. In rechtlicher Hinsicht werde somit die Frage aufgeworfen, wer im konkreten Fall die Unternehmenstätigkeit bestimme. Diese natürliche Person gelte als nach außen vertretungsbefugt.
Wie dargestellt sei der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt die maßgebliche Person für die Organisationsabläufe und die Gesamttätigkeit des in Rede stehenden Unternehmens gewesen. Der Beschwerdeführer sei Mieter der Geschäftsräume des Unternehmens und für die Begleichung der Mietkosten verantwortlich, er verfüge weiterhin über die Betriebseinrichtungen, erscheine gegenüber der RTR-GmbH als Ansprechpartner nach außen auf und gebe selbst an, nur keine rechtliche Funktion im Unternehmen inne zu haben. Mangels anderer natürlicher Personen liege auf der Hand, dass der Beschwerdeführer nicht nur verantwortlich für die Unternehmenstätigkeit zeichne, sondern wohl die in Rede stehende Versendung der SMS selbst vorgenommen habe, was allerdings nicht erforderlich wäre, um ihn als "shadow director" anzusehen. Der Beschwerdeführer selbst habe weiterhin die Funktion des "company secretary" als nicht maßgeblich eingestuft, was sich im Übrigen auch mit einer Mitteilung von dieser Seite decke.
Somit sei der Beschwerdeführer als "shadow director" im Sinn des britischen Rechts und wie dargestellt somit auch als nach außen vertretungsbefugte Person im Sinn des § 9 VStG anzusehen und hinsichtlich der vorliegenden Verwaltungsübertretung belangbar.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 107 des Telekommunikationsgesetzes 2003, BGBl I Nr 70/2003 idF BGBl I Nr 133/2005, lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Unerbetene Nachrichten
§ 107. (1) ...
(2) Die Zusendung einer elektronischen Post - einschließlich SMS - ist ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig, wenn
- 1. die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt oder
- 2. an mehr als 50 Empfänger gerichtet ist.
(3) Eine vorherige Zustimmung für die Zusendung elektronischer Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn
1. | der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und |
2. | diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und |
3. | der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und |
4. | der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt hat. |
...
(5) Die Zusendung elektronischer Post zu Zwecken der Direktwerbung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine authentische Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann.
(6) Wurden Verwaltungsübertretungen nach Absatz 1, 2 oder 5 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, an dem die unerbetene Nachricht den Anschluss des Teilnehmers erreicht."
§ 109 leg cit lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 109. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 4 000 Euro zu bestrafen, wer
1. entgegen § 57 Abs. 3 einer angeordneten Änderung nicht nachkommt;
...
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 8 000 Euro zu bestrafen, wer
.....
9. einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder einem auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Bescheid zuwiderhandelt.
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37 000 Euro zu bestrafen, wer
...
20. entgegen § 107 Abs. 2 oder 5 elektronische Post zusendet.
...".
Die relevanten Bestimmungen der 6. Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit der Bestimmungen für Kommunikationsparameter, Entgelte und Mehrwertdienste festgelegt werden (Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung - KEM-V) id vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl II Nr. 389/2006 lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Begriffsbestimmungen
§ 3. Im Sinne dieser Verordnung bedeutet
...
16. 'Mehrwertdienst': einen Dienst, für den alle nachstehenden Merkmale zutreffen.
a) Der Dienst ist über einen oder mehrere öffentliche Kommunikationsdienste zugänglich,
b) der Dienst wird von den Nutzern mittels einer Rufnummer adressiert oder in Anspruch genommen,
- c) der Dienst wird in Ertragsabsicht betrieben,
- d) mit dem vom Teilnehmer für die Inanspruchnahme des Dienstes inkassierten Entgelt wird im Durchschnitt mehr als die bis zum Erbringer des Mehrwertdienstes erbrachte Kommunikationsdienstleistung abgegolten,
e) die Erstverrechnung des Entgeltes erfolgt gegenüber dem Teilnehmer, der dem im Zusammenhang mit dem Dienst genutzten Netzabschlusspunkt zugeordnet ist und
f) die für die Verrechnung notwendigen Stammdaten des Teilnehmers, die der Rechnung oder der Belastung des Kundenkontos zugrunde gelegt werden, werden von jenem Kommunikationsdienstebetreiber bereitgestellt, der den im Zusammenhang mit dem Dienst genutzten Netzabschlusspunkt der konkreten Dienstenutzung zuordnet.
Ein Nachrichtendienst gemäß Z 7 ist dann kein Mehrwertdienst, wenn die Merkmale lit a bis f zwar erfüllt sind, aber das Entgelt vom Betreiber des Kommunikationsdienstes, der den Netzabschlusspunkt des Teilnehmers bereitstellt, nicht im eigenen Namen als Kommunikationsdienstebetreiber verrechnet wird, sondern mittels Inkasso in fremdem Namen vorgenommen wird und der Teilnehmer bei einer missbräuchlichen Verwendung der Telekommunikationsendeinrichtung verlangen kann, dass die Buchung rückgängig gemacht oder die Zahlung rückerstattet wird;
17. 'Nachrichtendienst': einen zur Übermittlung elektronischer Nachrichten genutzten Kommunikationsdienst, der für die Adressierung Rufnummern verwendet, die in dieser Verordnung geregelt sind;
...
Mehrwertdienste
Allgemeines
§ 103. (1) Die Erbringung von Mehrwertdiensten in Österreich ist ausschließlich unter Verwendung nationaler Rufnummern in den Bereichen 810, 820, 821, 900, 901, 930, 931, 939 und im Zugangskennzahlbereich 118 unter Maßgabe der bereichsspezifischen Bestimmungen zulässig.
(2) Unabhängig von der Klassifikation eines Dienstes als Mehrwertdienst im Sinne von § 3 Z 16 kommen die Bestimmungen dieses Abschnittes jedenfalls für alle in den Bereichen gemäß Abs. 1 erbrachten Dienste entsprechend dem jeweiligen Rufnummernbereich zur Anwendung.
Bewerbung
§ 104. (1) Bei Diensten in den Bereichen gemäß § 103 Abs. 1 stellt der Dienstleister sicher, dass alle Formen der Bewerbung, derer er sich bedient, folgende Informationen deutlich erkennbar enthalten:
- 1. die Rufnummer des Dienstes,
- 2. Angaben über das für die Inanspruchnahme des Dienstes zu zahlende Entgelt gemäß Abs. 2 bis 4 sowie eine eindeutige Bezeichnung, dass es sich um Euro handelt,
- 3. eine korrekte Kurzbeschreibung des Diensteinhalts und
- 4. allenfalls bestehende Einschränkungen hinsichtlich der Erbringung des Dienstes.
(2) Die Entgeltinformation muss bei zeitabhängig tarifierten Diensten das Entgelt in Euro pro Minute enthalten. Bei zeitabhängig tarifierten Diensten mit einem Entgelt unter EUR 1,00 pro Minute kann die Angabe auch in Cent erfolgen. Falls die Dauer der Verbindung oder der Gesamtumfang des Dienstes auf Grund der Art des Dienstes abschätzbar ist, sind zusätzlich die zu erwartenden Gesamtkosten für die vollständige Inanspruchnahme des Dienstes anzugeben.
(3) Bei eventtarifierten Diensten muss die Entgeltinformation das Entgelt in Euro pro Event enthalten. Bei eventtarifierten Diensten mit einem Entgelt unter EUR 1,00 pro Event kann die Angabe auch in Cent erfolgen.
(4) Textliche Entgeltinformationen müssen gut lesbar sein und in direktem Zusammenhang mit der Rufnummer dargestellt werden. Akustische Entgeltinformationen müssen unmittelbar nach der Nennung der Rufnummer erfolgen und leicht verständlich sein.
(5) Bei Rufnummern aus dem Bereich 810, 820 und 821 sind Abs. 1 Z. 2 sowie die Abs. 2 bis 4 nicht anzuwenden.
(6) In Zusammenhang mit der akustischen Bewerbung von Diensten kann die Nennung einer Entgeltinformation entfallen, sofern sichergestellt ist, dass der Nutzer vor Inanspruchnahme des Dienstes über das zur Anwendung gelangende Entgelt gemäß § 105 Abs. 1 informiert wird und dieses EUR 0,70 pro Minute oder pro Event nicht überschreitet."
2. Dem Einwand, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig gewesen, weil die verhängte Strafe insgesamt EUR 2.000,-- übersteige, ist entgegenzuhalten, dass vorliegend in einer Bescheidausfertigung gegen den Beschwerdeführer Strafen für verschiedene Delikte verhängt wurden und es sich insofern um rechtlich voneinander zu unterscheidende Bescheide handelt. Da die pro Bescheid (in Spruchpunkte gegliedert) verhängten Geldstrafen jeweils den Betrag von EUR 2.000,-- nicht überschreiten und zudem keine primäre Freiheitsstrafe verhängt wurde, war die belangte Behörde im Grunde des § 51c VStG nicht rechtswidrig besetzt, wenn sie durch ein Einzelmitglied tätig wurde (vgl idS etwa das hg Erkenntnis vom 14. Juli 1993, Zl 93/03/0040, mwH).
3. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, ihm sei niemals vorgeworfen worden, zum Vertreter des in Rede stehenden Unternehmens nach außen berufen zu sein, ist er darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach Ausweis der vorgelegten Akten des Verwaltungsstrafverfahrens von der Erstbehörde mit Schreiben vom 7. Februar 2008 zur Rechtfertigung dahingehend aufgefordert wurde, dass er als tatsächlich für das genannte Unternehmen "maßgebliche und verantwortliche Person" für die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen verantwortlich sei. Damit hat die belangte Behörde innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 31 Abs 2 VStG eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 und 3 leg cit gesetzt. In seiner Stellungnahme hiezu vom 26. Februar 2008 stellte der Beschwerdeführer in Abrede, für das Unternehmen verantwortlich zu sein.
4. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er in seiner Berufung gegen den Erstbescheid weder die Tatsache, dass die gegenständliche SMS von der Firma S Int. Ltd. versendet worden sei, noch die daraus rechtlich gezogenen Konsequenzen betreffend die Verwirklichung der oben genannten Verwaltungsübertretungen bekämpft habe. Auch in der Beschwerde bringt er nicht vor, dass die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen nicht objektiv verwirklicht worden wären.
Er bringt indes vor, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer niemals vorgeworfen, er sei als "shadow director" zur Vertretung des besagten Unternehmens nach außen berufen und er habe zu diesem Vorwurf bislang nicht Stellung nehmen können. Dieser Einwand erweist sich im Ergebnis als zielführend.
Bei dem in Rede stehenden Unternehmen S Int. Ltd. handelt es sich unstrittig um ein in London situiertes Unternehmen. Der Oberste Gerichtshof hat jüngst ausgesprochen, dass (abgeleitet aus der in Art 43 und 48 EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit) die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat unabhängig von dem Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes in der Rechtsform anzuerkennen ist, in der sie gegründet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft im Ausland nur ihren gründungs- bzw satzungsgemäßen Sitz hat, während sie von vornherein ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Österreich nimmt, hier auch ihre Geschäfte betreibt und so bewusst die Gründungsvorschriften am Ort ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit umgeht. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft beurteilt sich demnach nach dem Gründungsrecht, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet; ihr Gesellschaftsstatut ist das Recht des Gründungsstaats. Das Gesellschaftsstatut (Personalstatut der Gesellschaft) ist für die Partei- und Prozessfähigkeit, für die Rechte und Pflichten der Organe und deren Vertretungsmacht und auch für das Ende der Gesellschaft (ihrer Rechtsfähigkeit) maßgeblich (vgl den Beschluss vom 8. Mai 2008, Zl 6Ob 232/07x, mwH).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist für die Rechts- und Handlungsfähigkeit des in Rede stehenden Unternehmens S Int. Ltd. das für London maßgebliche Recht ausschlaggebend. Da es sich bei dem für London geltenden Recht um fremdes Recht handelt, auf das der Grundsatz "iura novit curia" keine Anwendung findet, ist dieses in einem - amtswegigen (vgl § 4 IPR-Gesetz) - Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl 97/18/0074, mwH). Im Sinne des § 4 IPR-Gesetz sind zulässige Hilfsmittel für diese Ermittlung auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten.
Diesbezüglich hat die belangte Behörde auf das Rechtsinstitut des "shadow directors" - aufbauend auf eine Fachmeinung eines in der Begründung des bekämpften Bescheides genannten Universitätsprofessors - verwiesen und ist auf der Basis ihrer Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer als "shadow director" des genannten Unternehmens und damit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ des besagten Unternehmens iSd § 9 Abs 1 VStG anzusehen sei.
Der Universitätsprofessor traf gegenüber der belangten Behörde - wie sich den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten diesbezüglichen E-Mails entnehmen lässt - nachdem er von dieser die Problemstellung erhielt folgende fachliche Aussagen:
Im E-Mail an die belangte Behörde vom 17. Juni 2008:
"Zusätzlich zu der Information bez. der Möglichkeit vor dem UK Companies Act 2006, dass eine Mail Box Firma legal secretary einer anderen Mail Box Firma sein kann, kann ich Ihnen, nach Rücksprache mit einem englischen Kollegen, noch mitteilen, dass erwähntes Gesetz auch vorsieht, dass der 'corporate Veil' in gewissen Fällen - z.B. bei Betrugsverdacht - gelüftet werden kann."
Im E-Mail an die belangte Behörde vom 18. Juni 2008:
"Weiters kann ich Ihnen einerseits bestätigen, dass corporate legal secretaries im UK Company Law anerkannt sind aber auch noch mitteilen, dass es keine 'cases' über de facto, d.h. shadow director's gibt. Die Definition eines 'shadow secretary's' lautet etwa: a person in respect of whose directions and instructions the directors are accustomed to act. Ein solcher 'de facto' corporate secretary kann geklagt werden, nicht nur subsidiär. Allerdings wird sich die Frage stellen, wofür er verantwortlich gemacht werden könnte, wenn die Person des Direktors ungreifbar ist, wie sie sagen. Zu corporate company secretaries gibt es anscheinend wenig bis gar keine Literatur. Ein, allerdings schon teilweise veraltetes Buch ist Robert Pennington's 'Company Law', 8th ed."
Diese fachlichen Aussagen beziehen sich auch auf die Einrichtung des "shadow director", sie enthalten aber diesbezüglich keine Definition, die sich zweifelsfrei auf diese Einrichtung bezieht. Die von der belangten Behörde herangezogene Definition ist im E-Mail vom 18. Juni 2008 nämlich ausdrücklich auf den "shadow secretary" gerichtet und nicht konkret auf die Einrichtung des "shadow director". Weiters sprechen diese Ausführungen die rechtlichen Regelungen für die genannte Einrichtung zwar an, sie stellen die einschlägigen Rechtsgrundlagen aber nicht näher dar. Auch der Hinweis, es gebe noch keine Fälle zur letztgenannten Einrichtung, gibt diesbezüglich keinen Aufschluss. Derart ist die angesprochene Fachmeinung für sich alleine nicht geeignet, die Darstellung der einschlägigen fremden Rechtslage zu tragen.
Damit ist aber das von der belangten Behörde geführte Ermittlungsverfahren zur fremden Rechtslage, die sie dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt hat, mit einem wesentlichen Mangel behaftet. Insofern erscheint dieser Bescheid als nicht nachvollziehbar. Zudem hat der Beschwerdeführer zu Recht darauf hingewiesen, dass er zu den Ermittlungen der belangten Behörde betreffend die einschlägige fremde Rechtslage nicht beigezogen wurde, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei Einräumung des Parteiengehörs zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass sich aus der Möglichkeit, eine Person für eine juristische Person im Haftungsweg in Anspruch zu nehmen, nicht zwingend ergibt, das diese Person iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung dieser juristischen Person nach außen befugt ist.
5. Der bekämpfte Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Das auf den Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil in den Pauschgebühren die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl 2006/03/0168).
Wien, am 25. Februar 2009
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