Normen
JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z25;
JagdRallg;
JagdV NÖ 1977 §25;
JagdV NÖ 1977 §26a Abs2;
JagdV NÖ 1977 §26a;
JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z25;
JagdRallg;
JagdV NÖ 1977 §25;
JagdV NÖ 1977 §26a Abs2;
JagdV NÖ 1977 §26a;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 29. September 2006 in der Eigenjagd G des Stiftes H einen Hirsch der Altersklasse II mit beidseitiger Krone erlegt, obwohl gemäß § 26a Abs 2 NÖ Jagdverordnung beim Rotwild zur Gewährleistung des biologisch richtigen Altersklassenaufbaues ua in der Altersklasse II beidseitige Kronenhirsche nicht erlegt werden dürfen.
Er habe dadurch gegen die Rechtsvorschriften der §§ 26a Abs 2 NÖ Jagdverordnung (JVO) iVm§ 135 Abs 1 Z 25 des NÖ Jagdgesetzes 1974 (JG) verstoßen. Über ihn wurde gemäß § 135 Abs 2 JG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 220 Stunden) verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde (nach der Wiedergabe des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und der dagegen erhobenen Berufung) im Wesentlichen Folgendes aus:
In der von der belangten Behörde am 27. Mai 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung seien der Beschwerdeführer, ein Zeuge sowie ein Sachverständiger einvernommen worden.
Der Beschwerdeführer habe angegeben, er sei mit einem Freund am 29. September 2006 gegen 19.00 Uhr auf den Hochstand "Große Schneise" gegangen. Sonnenuntergang sei um diese Zeit so gegen 19.00 Uhr und daher sehr gutes Schusslicht gewesen, und er habe noch alle Farben gesehen. Der Hochstand befinde sich am unteren Ende eines bergauf gehenden Waldes, die Schneise habe eine Breite von etwa 15 bis 20 Meter, es gehe ca 180 m allmählich bergauf, es wachse dort sehr gute Äsung. An diesem Tag habe er mit Rotwild gerechnet. Nach etwa einer halben Stunde sei ein Kahlwildrudel gekommen, 10 bis 11 Stück, er habe damit gerechnet, dass ein Hirsch nachkommen würde, tatsächlich habe sich der alte Herr hinten hereingeschoben. Er sei als letzter langsam und vorsichtig aus dem Wald herausgetreten. Der Träger und der Ziemer seien wie eine Linie gewesen, es sei ein sehr starker Träger mit einem Bart gewesen. Als der Hirsch breit vor ihm gestanden sei, habe er den Eindruck gehabt, es kämen die Läufe aus der Mitte, so breit habe sich der Hirsch für ihn dargestellt. Seine Bewegungen seien insgesamt sehr vorsichtig gewesen, als würde er körperliche Schmerzen haben (Arthrose). Er habe die beidseitige Krone sofort erkannt und zusammen mit seinem Freund versucht, weitere Merkmale für einen I-er Hirschen zu finden, sprich einen Zehnjährigen. Sie hätten den Eindruck gehabt, dass die Rosenstöcke schon ins Haupt eingewachsen gewesen seien, und dass die Stangen die wesentliche Masse nicht mehr im Kronenbereich, sondern schon unten gehabt hätten. Sein Freund sei halbberuflich als Berufsjäger und Gästeführer im Waldviertel tätig. Der Hirsch sei in einer Entfernung von ca 50 bis 60 Metern gestanden und dann allmählich auf ca 80 bis 110 m weggezogen. Angesprochen habe er den Hirschen durch ein Fernglas der Marke Swarovsky 8 x 56. Der Hirsch habe sich ziemlich stark in das Kahlwildrudel eingestellt, sie hätten Äsung aufgenommen. Nach etwa 15 Minuten Ansprache seien der Beschwerdeführer und sein Freund der Meinung gewesen, dass der Hirsch passen würde.
Der Hirsch habe einen Hochblattschuss erhalten und sei noch ca 80 m gegangen und dort verendet. Der Beschwerdeführer habe den Hirsch mit Forstdirekter E geborgen, auch dieser sei der Meinung gewesen, dass der Hirsch passen würde und hätte sich mit ihm gefreut. Der Beschwerdeführer hätte den Hirschen sofort aufgebrochen, die Kommission zur Grünvorlage sei bereits am nächsten Morgen gekommen. Der Hirsch habe im aufgebrochenen Zustand ohne Haupt zwischen 140 und 150 kg gewogen. Bei bestem Wetter habe die Kommission, bestehend aus A F und Ing. A K, am Samstag Vormittag den Hirsch ausgiebigst besichtigt und als passend befunden. Er sei ersucht worden, möglichst rasch das Haupt auszukochen und für die computermäßige Bewertung einen Unterkieferast vorzulegen. Nach einer Woche sei bei der Bewertung mit Computerprogramm festgestellt worden, dass es sich um einen IIer Hirschen handeln würde. Der Hirsch sei nach einer Pause, deren Länge der Beschwerdeführer auf Grund der Spannung am Hochstand nicht wiedergeben könnte, nach dem Kahlwildrudel gekommen, welches ungewöhnliches groß gewesen sei; der Hirsch sei eindeutig der Chef im Rudel gewesen. Die Schusszeit sei ca um 19.45 Uhr gewesen. Nach dem Unterkieferast habe er den Hirschen zwischen 9 und 10 Jahren eingeschätzt. Der Waldbestand links und rechts der Schneise bestehe aus Fichte und Buche, Altbestand mit hohen Bäumen; der Beschwerdeführer sei seit 2005 im Revier der einzige Abschussnehmer. Im Jahr 2005 hätte die Hirschbrunft schon zwischen
8. und 9. September begonnen und sei am 29. September schon beendet gewesen. Es sei sehr gutes, trockenes, sonniges Wetter gewesen. Die Abschussliste würde der Beschwerdeführer selbst ausfüllen, die dem Akt einliegende Abschussliste habe der Forstdirektor oder der Förster ausgefüllt. In dieser Liste sei das Gewicht mit 124 kg (abgebrunftet) angegeben worden. Das Revier kenne er seit 1999, durch seine Behegungsmaßnahmen habe er jetzt große Kahlwildrudel in den Anblick bekommen.
Der Zeuge R M habe angegeben, er sei damals mit am Hochstand gewesen und könne sich an den Abschuss noch erinnern. Er wisse nicht mehr, wie spät es gewesen sei, allerdings habe fortschreitende Dämmerung geherrscht. Ein Rudel Kahlwild sei ausgezogen und in einigem Abstand dann ein älterer Hirsch. Er habe den Träger tief getragen und sei ruhig und gemählich ausgezogen und sich seines Status bewusst gewesen. Auch habe er die beidseitige Krone gesehen. Der Hirsch habe sich in das Kahlwildrudel gestellt und der Zeuge und der Beschwerdeführer hätten Gelegenheit gehabt, den Hirschen gründlich anzusprechen. Auch die Stangenform und die tief angesetzten Rosenstöcke hätten auf einen I-er Hirschen hingewiesen, ebenso die tiefstehenden Vorderläufe. Es sei zwar kein "Welt-I-er" sondern ein für die Gegend durchaus üblicher Hirsch gewesen, welcher die Masse bereits unten getragen habe, er wäre im nächsten Jahr noch geringer geworden. Für die Zukunft wäre er nicht mehr besser geworden. Nach Abwägen des Für und Wider über einen Zeitraum von etwa 10 bis 15 Minuten seien sie zum Entschluss gekommen, dass der Hirsch passen würde. Den Hirschen habe er durch ein Fernglas der Marke Swarovski 8 x 56 angesprochen. In diesem Revier sei er nur als Jagdfreund mitgegangen, er selbst jage seit 20 Jahre. Er glaube, der Hirsch habe aufgebrochen mit Haupt 130 kg gewogen, es habe ihn aber nicht interessiert und er sei beim Abwiegen auch nicht dabei gewesen, das habe ihm der Schütze erzählt. Den Unterkieferast im ausgekochten Zustand habe er nicht gesehen. Wie lange der Hirsch nach dem Kahlwildrudel herausgekommen sei, könne er nicht sagen. Das Kahlwildrudel habe jedenfalls den Anschein erweckt, als komme noch jemand nach. Der Hirsch sei etwa 50 m bei seinem Erscheinen entfernt gewesen, bei Abschuss noch ein Stück dahinter. Er habe sich wie der Platzhirsch verhalten, das Rudel sei immer um ihn geschart gewesen, weshalb sie auch länger nicht hätten schießen können. Die Lichtverhältnisse seien beim Ansprechen perfekt, beim Abschuss noch ausreichend gewesen.
Der Amtssachverständige für Jagdwesen habe ein Gutachten erstattet, das nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wie folgt lautete:
"Am 29.09.2006 wurde vom Beschuldigten in der Eigenjagd G des Stiftes H ein Hirsch der AK II mit beidseitiger Krone erlegt. Es handelt sich dabei um einen geraden 14-Ender. Laut Aussage des Beschuldigten wurde vor Schussabgabe die beidseitige Krone eindeutig angesprochen.
Gem. § 26a Abs. 2 NÖ Jagdverordnung dürfen in der AK II beidseitige Kronenhirsche nicht erlegt werden.
Laut Angabe des Beschuldigten war der Hirsch an diesem Abend um ca. 19.30 Uhr auf eine etwa 15 bis 30 m breite Schneise etwas hinter einem starken Kahlwildrudel ausgetreten. Links und rechts der Schneise befindet sich laut Aussage des Beschuldigten ein Fichten- Buchenaltbestand mit hohen Bäumen. Der Hirsch war auf einer Entfernung von etwa 50 bis 60 m auf diese Schneise ausgetreten. Im Laufe der Zeit von etwa 15 Minuten, in der der Hirsch vom Schützen und seinem Begleiter angesprochen wurde, zog er allmählich auf dieser Schneise bis auf eine Entfernung von etwa 80 bis 100 m davon. Auf diese Entfernung wurde er dann auch erlegt.
Sonnenuntergang laut Kalender war an diesem Tag um 18.39 Uhr. Die Schussabgabe erfolgte somit auf Grund der heute getätigten Aussagen etwa 70 Minuten danach.
Sowohl vom Schützen als auch von seinem Begleiter wurde ausgesagt, dass sie den Hirsch ausreichend lange angesprochen hätten und auf Grund verschiedener Merkmale, wie z.B. Verhalten, Trophäe, und Körperbau hätten sie beide den Hirsch der AK I zugeordnet.
Im Zuge der Bewertung durch die Bewertungskommission vom 6.10.2006 wurde der Hirsch auf Grund eines Bewertungsprogrammes des NÖ Landesjagdverbandes der AK II zugeordnet und wurde dies vom Beschuldigten auch nicht widersprochen.
In der Abschussliste wurde der Hirsch mit einem Gewicht von 124 kg eingetragen.
In der Stellungnahme vom 19.12.2006 wurde vom Beschuldigten angeführt:
'Es ist immer ein Problem beim Abschuss eines Hirschen, zu welcher AK er gehört; eine eindeutige Bewertung des Hirschen ist erst nach seiner Erlegung in aller Ruhe und bei bestem Licht möglich. Das NÖ Jagdgesetz sieht deshalb vor, dass gemäß § 26a NÖ Jagdverordnung die Durchführung eines Abschusses dann rechtmäßig ist, wenn auf Grund der Körper- und Trophäenentwicklung der Schütze - vor Abgabe des Schusses - darauf schließen durfte, dass das Stück ein der bewilligten Altersklasse entsprechendes Lebensalter auch tatsächlich haben wird.'
Weiters führt der Beschuldigte in dieser Stellungnahme an:
'Die dadurch hinaus am ausgekochten Unterkieferast durchgeführte Bewertung der Zahnsituation des Hirschen hat objektiv dazu geführt, dass der Hirsch tatsächlich nicht ein Lebensalter über zehn Jahre aufweist; dies kann jedoch keinesfalls dazu führen, dass die Rechtswidrigkeit des Abschusses festgestellt wird, da diese durch den Rechtfertigungsgrund gemäß § 26a JagdVO bereits aufgehoben war.'
Aus jagdfachlicher Sicht wird somit Folgendes festgestellt:
Bei dem erlegten Hirschen handelt es sich um einen Hirsch der Altersklasse II mit beiderseitiger Krone.
Die vom Beschuldigten und seinem Pirschbegleiter angeführten Merkmale, wie Verhalten, Körperbau, sowie Trophäenzustand lassen grundsätzlich darauf schließen, dass es sich bei diesem Hirschen um einen älteren Hirschen handelt. Sie lassen jedoch keineswegs eine zweifelsfreie Unterscheidung zu, ob es sich dabei um einen älteren Hirsch der Altersklasse II oder einen jüngeren Hirsch der Altersklasse I handelt. Aus jagdfachlicher Sicht wird festgestellt, dass es in freier Wildbahn nicht möglich ist, einen Hirsch zweifelsfrei der Altersklasse I oder II zuzuordnen, wenn das tatsächliche Alter des Hirsches im Grenzbereich zwischen diesen beiden Altersklassen gelegen ist.
Bei Kenntnis des § 26a NÖ Jagdverordnung hat somit in diesem Fall ein Schuss zu unterbleiben, wenn dadurch die Möglichkeit besteht, einen beidseitigen Kronenhirsch der Altersklasse II entgegen dieser jagdrechtlichen Vorschrift zu erlegen."
Über Befragen des Vertreters des Beschwerdeführers habe der Amtssachverständige angegeben, dass auch die Kommission bei ihrer Bewertung aus jagdfachlicher Sicht einen Fehler gemacht habe, wenn sie bei der Grünvorlage den Hirschen als vertretbar erachtet habe, obwohl durch den Abschuss jagdrechtliche Vorschriften verletzt worden seien.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und insbesondere auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen für das Jagdwesen stehe mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen habe. Der Sachverständige habe festgestellt, es habe sich beim gegenständlichen Hirschen um einen älteren Hirschen gehandelt, beim Ansprechen habe jedoch auf Grund seiner Merkmale keinesfalls festgestellt werden können, ob der Hirsch der Altersklasse I oder der Altersklasse II angehöre. Bei derartigen Zweifeln, die der Beschwerdeführer gehabt haben hätte müssen, müsse ein Abschuss unterbleiben, zumal auch der Zeuge ausgeführt habe, dass es sich im Zug der Ansprache nicht um einen ausgeprägten Hirschen der Altersklasse I gehandelt habe. Auch habe der Zeuge angeführt, dass bereits Dämmerung beim Ansprechen eingetreten gewesen sei, weshalb umso genauer und länger angesprochen werden müsse.
Da der Beschwerdeführer sohin sowohl objektiv als auch subjektiv die Bestimmung des § 26a Abs 2 der NÖ Jagdverordnung verletzt habe, sei die Berufung erfolglos geblieben.
Zur Strafbemessung könne als mildernd das Fehlen von Verwaltungsvormerkungen gewertet werden, erschwerend sei demgegenüber kein Umstand gewesen. Der Beschwerdeführer verdiene als Rechtsanwalt monatlich netto ca EUR 7.000,--, er sei sorgepflichtig für zwei Kinder und besitze ein Einfamilienhaus. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und im Hinblick auf die von der Behörde erster Instanz im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens bis zu EUR 7.000,-- festgesetzten Geldstrafe habe daher nicht mit Reduzierung vorgegangen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an der Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 10. Juni 2008, B 1388/07). Begründend führte der Verfassungsgerichtshof bezüglich der behaupteten Gesetzwidrigkeit des § 26a Abs 2 NÖ Jagdverordnung aus, dass der Verordnungsgeber nicht gegen die in § 2 JG normierten Grundsätze verstoße, wenn er zum Zweck des biologisch richtigen Altersklassenaufbaus beim männlichen Rotwild ein selektives Abschussverbot bestimmter Altersklassen normiere.
3. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5.1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des JG bzw der JVO von Bedeutung:
5.1.1. JG:
"§ 135
Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wenn die Tat nicht einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer
...
25. einem in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes verfügten sonstigen Verbot oder Gebot zuwiderhandelt;
(2) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 sind mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.000,-, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen."
5.1.2. JVO:
"§ 25
Altersklassen
Die der Abschußplanung unterliegenden Wildstücke sind in Altersklassen zu unterteilen. Die Zuordnung in eine bestimmte
Altersklasse ist wie folgt vorzunehmen:
...
2. Rothirsche, die
das 5. Lebensjahr noch nicht vollendet haben: Klasse III, das 5. Lebensjahr vollendet und das 10. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben: Klasse II,
das 10. Lebensjahr vollendet haben: Klasse I;
...
§ 26a
Durchführung des Abschusses
(1) Bei der Durchführung des Abschusses dürfen nur jene Stücke erlegt werden, die auf Grund ihrer Körper- und Trophäenentwicklung darauf schließen lassen, daß sie das der bewilligten Altersklasse entsprechende Lebensalter haben.
(2) Beim Rotwild dürfen zur Gewährleistung des biologisch richtigen Altersklassenaufbaues in der Altersklasse III ein- und beidseitige Kronenhirsche und in der Altersklasse II beidseitige Kronenhirsche nicht erlegt werden. Als Krone gilt jedes Geweih mit mehr als zwei Enden über dem Mittelspross, wobei die Endenanordnung gleichgültig ist. Als Ende zählt jede Stangenabzweigung ab 4 cm Länge, gemessen vom tiefsten Punkt der inneren Seitenlänge des jeweiligen Endes bis zu deren Spitze."
5.2. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der vom Beschwerdeführer am 29. September 2006 erlegte Hirsch ein der Alterklasse II zugehöriger beidseitiger Kronenhirsch war. Der Beschwerdeführer hat daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach § 26a Abs 2 JVO iVm § 135 Abs 1 Z 25 JG objektiv zu verantworten.
Da es sich bei einer derartigen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG handelt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, Zl 2007/03/0008, mwH) war es am Beschwerdeführer gelegen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft; ihm oblag es, alles seiner Entlastung Dienende vorzubringen.
5.3. In der Beschwerde werden diesbezüglich im Wesentlichen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wiedergegeben. Ferner habe auch der Jagdsachverständige festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer und seinem Pirschbegleiter angeführten Merkmale allesamt darauf schließen hätten lassen, dass es sich um einen älteren Hirsch handeln würde. Auch der Sachverständige habe angegeben, aus jagdfachlicher Sicht sei es in freier Wildbahn unmöglich, einen Hirsch zweifelsfrei der Altersklasse I oder II zuzuordnen, wenn das tatsächliche Alter des Hirschen im Grenzbereich zwischen diesen beiden Altersklassen gelegen sei. Die Auffassung des Jagdsachverständigen, dass der in Rede stehende Abschuss zu unterbleiben gehabt habe, sei eine dem Sachverständigen nicht zukommende rechtliche Würdigung. Ausgehend von diesen Feststellungen habe die belangte Behörde die Bestimmung des § 26a JVO falsch ausgelegt. Auf Grund systematischer Interpretation sei § 26a Abs 1 dieser Bestimmung als "programmatische Grundbestimmung" zu betrachten, die inhaltliche vorgebe, wie § 26a Abs 2 leg cit zu verstehen sei. Entscheidend sei nach § 26a Abs 1 leg cit, dass bei Durchführung des Abschusses, nicht irgendwann nach der Schussabgabe, eben genau solche Stücke beschossen werden dürften, die auf Grund ihrer Körper- und Trophäenentwicklung auf ein entsprechendes Lebensalter schließen ließen. Aus der Formulierung des § 26a Abs 1 leg cit ("bei der Durchführung des Abschusses", "schließen lassen") komme ganz klar hervor, dass der Verordnungsgeber nicht auf lange nach einem Abschuss durch Computeranalysen und sonstige Untersuchungsmethoden hervorkommende Überprüfungsergebnisse abstellen wollte, ob die Schussabgabe zu Recht erfolgt sei, sondern auf den subjektiven Eindruck des sich mit dem zu erlegenden Stück vor Abgabe des Schusses auseinandergesetzt habenden Schützen. Aus der Formulierung des § 26a Abs 1 JVO ergäben sich daher ganz klar folgende Verhaltensanforderung an den Schützen:
"a. Genaues Beobachten der Körper- und Trophäenentwicklung des zu erlegen beabsichtigten Stückes, Beobachten desselben hinsichtlich seines Verhaltens, der Art und Weise des Auftrittes, sofern erkennbar, des Sozialverhaltens, usw.
b. Aufgrund der Beobachtungsergebnisse Zuordnung des Stückes in eine Altersklasse
c. Gegebenenfalls Abschuss des als erlegbar erkannten Stückes".
Wenn der Beschwerdeführer (untermauert durch Beweisergebnisse) die Entwicklung der Trophäe, vor allem aber des Körpers wie auch des Verhaltens, konkret beobachtet und auf Grund dessen zum Schluss gekommen sei, dass das Stück ein Hirsch der Altersklasse I und der Abschuss vertretbar sei, dann habe der Beschwerdeführer verordnungskonform gehandelt.
5.4. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Vorauszuschicken ist, dass ein sorgfältiges Ansprechen des zu erlegenden Wildstücks unerlässliche Voraussetzung für die zulässige Schussabgabe ist. Dabei darf sich der Jäger nicht auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verlassen, er muss sich vielmehr darüber Gewissheit verschaffen, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden darf. Im Zweifel hat eine Schussabgabe daher zu unterbleiben (vgl wiederum das hg Erkenntnis Zl 2007/03/0008, mwH).
Der im Verfahren von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige hat - unter Zugrundelegung der Aussagen des Beschwerdeführers und des als Zeugen vernommenen Jagdbegleiters - zum Verhalten des erlegten Hirsches sowie zum Tathergang ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer und seinem Begleiter angeführten Merkmale (wie Verhalten, Körperbau sowie Trophäenzustand) grundsätzlich darauf schließen ließen, dass es sich bei diesem Hirschen um einen älteren Hirschen handelte. Diese Merkmale ließen jedoch keineswegs eine zweifelsfreie Unterscheidung zu, ob es sich dabei um einen älteren Hirschen der Altersklasse II oder einen jüngeren Hirschen der Altersklasse I handelte, zumal es in freier Wildbahn nicht möglich ist, einen Hirschen zweifelsfrei der Altersklasse I oder der Altersklasse II zuzuordnen, wenn das tatsächliche Alter des Hirschen im Grenzbereich zwischen diesen beiden Altersklassen liegt. Diesen nicht als unschlüssig erkennbaren Ausführungen, die die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde legte, ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Mit seinem Hinweis auf die Beurteilung durch den Forstdirektor, mit dem er den Hirsch geborgen hat, dass nämlich "der Hirsch passen würde", ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts gewonnen, weil der Forstdirektor die Durchführung des Abschusses nicht selbst wahrnahm und daher über die Alterseinschätzung des Hirschen unmittelbar zuvor keine Aussage treffen konnte. Auch mit seiner Auslegung des § 26a Abs 1 JVO vermag der Beschwerdeführer für sich nichts zu gewinnen, zumal nach den schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen bei einem Hirsch im Grenzbereich zwischen den Altersklassen I und II eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer der beiden Altersklasse in freier Wildbahn nicht möglich ist, und (wie auch vom Beschwerdeführer dargestellt) in einem Fall wie dem vorliegenden der Abschuss eines Stückes die vorherige Zuordnung des Stückes zu einer bewilligten Altersklasse voraussetzt. Schließlich vermag an der vorstehenden Beurteilung nichts zu ändern, dass (wie in der Beschwerde vorgebracht) zur Tatzeit im betreffenden Jagdgebiet der Abschuss eines männlichen Stückes Rotwild der Altersklasse II erlaubt und das Recht zum Abschuss damit noch nicht konsumiert gewesen sei.
5.5. Die Beschwerde wendet sich auch gegen die Strafbemessung. Der Beschwerdeführer sei bisher verwaltungsrechtlich relativ unbescholten, es liege keine einzige jagdrechtliche Verwaltungsvormerkung vor. Weiters habe er sich darum bemüht, keinen Fehlabschuss zu tätigen. Im Rahmen der Strafzumessung habe die belangte Behörde auch das im Akt erliegende Bewertungsblatt gänzlich missachtet: Dort sei durch die fachkundigen Bewerter ganz klar festgehalten, dass der Abschuss des im Grünzustand vorgelegten Hirsches "als vertretbar" (zu ergänzen sei: betreffend die Frage, ob es sich um einen Hirschen der Altersklasse I oder II handle) beurteilt werde. Aus der Beurteilung dieser beiden fachkundigen Bewerter ergebe sich, dass auch diese ("gleichsam als personifizierte Maßmenschen") den Abschuss genau so getätigt hätten.
Auch dieses Vorbringen geht fehl. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) sind nach Abs 2 der genannten Bestimmung überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafen zu berücksichtigen. Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung dar. Gemäß Art 130 Abs 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessensrechts Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfung des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, Zl 2001/03/0027, mwH).
Auf dem Boden dieser Rechtslage bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was einen Ermessensfehler der Behörde bei der Handhabung des § 19 VStG aufzeigen könnte, zumal der Strafrahmen betreffend die in Rede stehende Verwaltungsübertretung bis zu EUR 7.000,-- reicht, die verhängte Verwaltungsstrafe sich somit im unteren Bereich dieses Strafrahmens bewegt und vor diesem Hintergrund auch die vorgebrachten Umstände nicht die Verhängung einer geringeren Strafe verlangen. Das Vorbringen zur Bewertung vermag auch im Rahmen der Strafbemessung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuschlagen. Die Beurteilung des Abschusses als vertretbar durch zwei Bewerter (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht aber seitens des dritten Bewerters) hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht für sich. Danach muss sich nämlich (wie erwähnt) der Jäger bei der sorgfältigen Ansprache vor der Schussabgabe Gewissheit darüber verschaffen, dass das beobachtete Wild tatsächlich erlegt werden darf, wobei im Zweifel eine Schussabgabe unterbleiben muss. Dass vorliegend aber eine Zweifelssituation vorlag, wird durch das schlüssige jagdfachliche Gutachten klargestellt.
5.6. Auf dem Boden des Gesagten gehen auch die Verfahrensrügen fehl, die belangte Behörde habe den maßgebenden Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt, keine Beweiswürdigung vorgenommen und insbesondere den im Akt der Erstinstanz erliegenden Bewertungsbogen nicht berücksichtigt. Vielmehr hat die belangte Behörde bei der mündlichen Verhandlung den Beschwerdeführer, den besagten Zeugen sowie den Amtssachverständigen einvernommen und die Ergebnisse dieser Verhandlung im angefochtenen Bescheid wiedergegeben. Dabei ist sie offenbar nicht zum Ergebnis gekommen, dass einer dieser Personen kein Glaube geschenkt werden könne. Sie hat ihrer Entscheidung das im angefochtenen Bescheid in seinen wesentlichen Passagen wiedergegebene Gutachten des Amtssachverständigen zugrundegelegt, dessen Schlüssigkeit durch die Beschwerde nicht erschüttet wurde. Da - wie ausgeführt - der ins Treffen geführte Bewertungsbogen für die Entscheidung der belangten Behörde nicht relevant war, schlägt auch die diesbezügliche Verfahrensrüge fehl.
5.7. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
5.8. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil der Anforderung des Art 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde (hier: dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich), einem Tribunal im Sinn der EMRK, Genüge getan wurde (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 19. Jänner 2010, Zl 2007/05/0254, mwH).
5.9. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl Nr 455.
Wien, am 27. Mai 2010
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