Normen
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
TilgG 1972 §6;
VwRallg;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §20 Abs1;
StbG 1985 §20 Abs2;
TilgG 1972 §6;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ihren Bescheid vom 28. Februar 2006, ausgefolgt am 6. März 2006, mit welchem dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert wurde, dass er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem Staatsverband von Serbien und Montenegro erbringe (Spruchpunkt 1).
Sodann wies sie das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 30. Juni 2005 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ab (Spruchpunkt 2).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei serbischer Staatsangehöriger und halte sich seit seiner Geburt im Bundesgebiet auf. Vor Erlassung des Zusicherungsbescheides sei der Beschwerdeführer am 16. August 2000 mit näher bezeichnetem Urteil wegen §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Der Verurteilung sei versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt zu Grunde gelegen, weil er am 7. Juni 2000 anlässlich seiner Festnahme einem Polizeibeamten gezielte Schläge und Tritte versetzt habe. Eine Anzeige wegen Suchtmittelkonsums sei am 16. September 2004 vorläufig gemäß § 35 SMG für eine Probezeit von zwei Jahren zurückgelegt worden. Da die gerichtliche Straftat aus dem Jahr 2000 bereits getilgt gewesen sei und auch sonst keine anderen Einbürgerungshindernisse festgestellt worden waren, sei der Zusicherungsbescheid erlassen worden.
Nachdem der Beschwerdeführer angegeben habe, dass seine Entlassung aus dem früheren Staatsverband bei der Botschaft aufliege, sei das Ermittlungsverfahren fortgesetzt worden. Dabei sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer mit näher bezeichnetem Urteil vom 17. August 2007 (richtig: 27. März 2007) wegen §§ 88 Abs. 1, 94 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen a EUR 3,-- verurteilt worden sei. Dieser Verurteilung sei die Verletzung eines anderen Verkehrsteilnehmers und anschließendes Imstichlassen des Verletzten (am 17. August 2006) zu Grunde gelegen. Weiters gehe aus einer Niederschrift bei der Kriminaldirektion 1 vom 8. September 2006 hervor, dass der Beschwerdeführer zwei bis drei Mal pro Monat einen "Joint" rauche.
Neben der Tathandlung aus dem Jahr 2000 sei der Beschwerdeführer bereits zwei Mal wegen Suchtgiftkonsums (2004 und 2006) angezeigt worden. Dass die Anzeigen nach § 35 SMG vorläufig zurückgelegt worden seien, ändere nichts an der Tatbegehung, die der Beschwerdeführer auch eingestanden habe.
Hinzu komme die Verurteilung vom 17. August 2007 (richtig: 27. März 2007) wegen Straftaten gegen die Sicherheit Dritter im Straßenverkehr. Das Staatsbürgerschaftsverfahren biete keinen Raum, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafgerichtsverfahren neu zu beurteilen.
Der am 10. Oktober 2006 dem Beschwerdeführer entzogene Führerschein sei ihm am 23. November 2006 wieder ausgefolgt worden. Dennoch hindere das verkehrspsychologische Gutachten vom 10. November 2006 und die darin festgestellte Eignung des Beschwerdeführers, ein Fahrzeug zu lenken, die belangte Behörde nicht, das im Straßenverkehr gesetzte strafrechtliche Verhalten ihrer negativen Prognose zu Grunde zu legen, zumal die Aussage des Beschwerdeführers im November 2006, drogenabstinent zu sein, der Niederschrift bei der Kriminaldirektion im September 2006 widerspreche, wo er angegeben habe, seit dem Jahr 2000 ca. 2-3 Mal monatlich einen Joint zu konsumieren.
Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse gerade in der letzten Phase seines Aufenthaltes erneut eine negative Einstellung zu wesentlichen Schutznormen des Straßenverkehrs bzw. der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erkennen. Trotz des langen Zeitraums des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und der gegebenen persönlichen und beruflichen Integration könne der Beschwerdeführer bei einer Gesamtbetrachtung seines bisherigen Verhaltens und unter Einbeziehung der nach Zusicherung erfolgten gerichtlichen Verurteilung sowie erneuten Anzeige gemäß § 27 SMG derzeit keine Gewähr dafür bieten, dass es zukünftig zu keinen weiteren Verletzungen der Rechtsvorschriften im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kommen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg wird festgehalten, dass die belangte Behörde beim Widerruf der Zusicherung und der nachfolgenden Abweisung des Verleihungsantrages aus dem Grund des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG - wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - richtigerweise die Rechtslage vor der Staatsbürgerschafts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG) angewendet hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0546, mwN).
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2010, Zl. 2008/01/0331, mwN).
Dabei ist es der Behörde nicht verwehrt, bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers - neben dem nach der Zusicherung gesetzten Fehlverhalten, das für das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG den Ausschlag gibt - auch vor der Zusicherung begangene Übertretungen heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0546, mwN).
4. Im Beschwerdefall wird vorgebracht, der Beschwerdeführer lebe seit seiner Geburt, somit mehr als 30 Jahre in Österreich, habe ein unbefristetes Niederlassungsrecht und ein langjähriges Dienstverhältnis, zudem befinde sich die gesamte Kernfamilie im Bundesgebiet und besitze teilweise die österreichische Staatsbürgerschaft.
Dadurch zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit der über seinen Verleihungsantrag ergangenen Entscheidung auf. Durch seine Geburt in Österreich hätte er die Staatsbürgerschaft erwerben können, sofern seine Eltern zu diesem Zeitpunkt österreichische Staatsbürger gewesen wären (vgl. § 7 Abs. 1 StbG). Dies wird nicht behauptet. Dass manche Familienmitglieder nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, hat für das herangezogene Verleihungshindernis (§ 10 Abs. 1 Z. 6 StbG) keine Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 2007, Zl. 2005/01/0526). Die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich und das aufrechte Dienstverhältnis können Verhaltensweisen, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten wesentlichen Vorschriften missachten, nicht verdrängen. Vielmehr indiziert die Begehung von Straftaten gegen Ende des Aufenthaltes in Österreich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten, dass sich die Persönlichkeit des Antragstellers gegen Ende seines Aufenthaltes zum Schlechteren entwickelt hat. Es ist daher nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde diesen Umstand negativ für den Beschwerdeführer in ihre Beurteilung des Gesamtverhaltens einbezogen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2000, Zl. 99/01/0377, mwN).
5. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, seine Verurteilung vom 16. August 2000 sei bereits getilgt und daher nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG unbeachtlich, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten: Dass diese strafgerichtliche Verurteilung im Strafregister nicht (mehr) aufscheint, allenfalls einer beschränkten Auskunft (im Sinne von § 6 Tilgungsgesetz 1972) unterliegt und damit keine maßgebliche Verurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG ist (vgl. nunmehr § 10 Abs. 2), ist bei Prüfung der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht erheblich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 2007, Zl. 2005/01/0526, mwN).
Ebenso führt der Beschwerdeführer zu der gegen ihn vorliegenden Anzeige wegen Suchtmittelkonsums aus, diese sei bereits vor rund dreieinhalb Jahren gemäß § 35 SMG auf eine Probezeit von zwei Jahren eingestellt worden, die längst verstrichen sei, und somit ebenfalls unbeachtlich. Seit September 2006 konsumiere der Beschwerdeführer kein Cannabis mehr. Er sei an multipler Sklerose erkrankt und habe daher seine Lebensgewohnheiten grundlegend ändern müssen.
Dass die Staatsanwaltschaft am 16. September 2004 die Anzeige gemäß § 35 Abs. 1 SMG für eine Probezeit zurückgelegt hat, ändert nichts daran, dass Grundlage für dieses Vorgehen eine vom Beschwerdeführer begangene Straftat nach dem SMG war, die er auch nie bestritten hat; dieser Rechtsbruch gehört (auch) zum Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, von dem die belangte Behörde bei ihrer Prüfung auszugehen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0393). Bei Suchtgiftkriminalität handelt es sich regelmäßig um ein die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0487, mwN).
Im Beschwerdefall kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der mehrmaligen Anzeigen sowie der eigenen (widersprüchlichen) Angaben des Beschwerdeführers - zumindest bis September 2006 - von einem regelmäßigen Drogenkonsum ausgeht und diesen als Indiz für eine negative Gesamtprognose wertet.
6. Zum Vorfall vom August 2006 bringt der Beschwerdeführer vor, ihm sei die Unfallsituation damals nicht bewusst gewesen. Er habe nicht erkannt, dass sich der Inlineskater bei der Kollision leichte Verletzungen zugezogen habe. Dies relativiere das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches nicht geeignet sei, auf ein Charakterbild zu schließen, das die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausschließe.
Wie die belangte Behörde zu Recht ausführte, bietet das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft keinen Raum, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2002/01/0291, mwN). Davon ausgehend stehen Verhaltensweisen wie die vom Beschwerdeführer gesetzten - die vorsätzliche Unterlassung der Hilfeleistung nach einem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall - der Verleihung im Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entgegen. Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit fallen in diesem Zusammenhang besonders ins Gewicht (vgl. zu fahrlässiger Körperverletzung in Verbindung mit Imstichlassen eines Verletzten das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0586, mwN).
7. Zuletzt führt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel an, die belangte Behörde habe es unterlassen, konkrete Feststellungen zu den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen, zu seinem Gesundheitszustand, seinen familiären und beruflichen Bindungen im Bundesgebiet sowie zur positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme zu treffen. Außerdem habe die belangte Behörde nach rein formellen Kriterien entschieden, ohne das tatsächliche Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zu bewerten, weshalb ein Begründungsmangel vorliege.
Wie bereits oben ausgeführt, ist es nicht Aufgabe des Staatsbürgerschaftsverfahrens, ein Strafverfahren neu aufzurollen und neu zu bewerten. Die belangte Behörde hat sich jedoch nicht mit formalen Kriterien sowie mit bloßen Hinweisen auf das Vorliegen von Vorstrafen begnügt, sondern sehr wohl festgestellt, welche Übertretungen auf Grund welcher zu Grunde liegender Vorfälle sie im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG gewürdigt hat. Das Vorliegen eines Begründungsmangels ist daher nicht zu erkennen.
Auch wird nicht dargetan, inwieweit genauere Feststellungen zum Gesundheitszustand zur Verleihung der Staatsbürgerschaft führen hätten können, dem Verfahrensmangel fehlt es somit an Relevanz.
Was die verkehrspsychologische Stellungnahme betrifft, hat die belangte Behörde - richtigerweise - ausgeführt, dass die in dem Gutachten festgestellte Eignung, ein Fahrzeug zu lenken, die Staatsbürgerschaftsbehörde nicht daran hindert, das im Straßenverkehr gesetzte strafrechtlich relevante Verhalten ihrer negativen Prognose zu Grunde zu legen.
8. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 24. Juni 2010
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