VwGH 2000/01/0487

VwGH2000/01/048718.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des E N in L, vertreten durch Dr. Michael Augustin und Mag. Peter Haslinger, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfergasse 4, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. September 2000, Zl. 2-11.N/128-98/16, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8 Abs2;
SGG §16 Abs1;
SGG §16 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
MRK Art8 Abs2;
SGG §16 Abs1;
SGG §16 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. September 2000 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Nigerias, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 11a in Verbindung mit 10 Abs. 1 Z. 6 und § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 25. März 1993 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und seit 3. Mai 1997 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Mit Eingabe vom 30. Juni 1998 habe er um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Somit hätte er gemäß § 11a StbG einen Rechtsanspruch auf Verleihung, jedoch müssten auch die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG (das seien Freiheit von bestimmten Vorstrafen im In- und Ausland, kein bestehendes Aufenthaltsverbot, gesicherter Lebensunterhalt und bejahende Einstellung zur Republik Österreich) erfüllt sein.

Im Ermittlungsverfahren sei jedoch festgestellt worden, dass er "am 13.01.1995 vom Bezirksgericht Leoben wegen § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a ATS 30,--, im Uneinbringlichkeitsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

und

am 21.06.1995 vom Landesgericht Wien wegen § 16 Abs. 1 und 2 SGG zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf 3 Jahre,"

verurteilt worden sei.

Im Strafregister der Bezirkshauptmannschaft Leoben scheine der Beschwerdeführer mit nachstehend angeführten Verwaltungsübertretungen auf:

"1993:

§ 366 Abs. 1 Ziffer 1 iVm § 5 Abs. 2 Ziffer 3 GewO

ATS 1.000,-- /1 Tag

 

§ 102 Abs. 1 KFG iVm § 4 Abs. 4 KDV

ATS 1.000,-- /1 Tag

 

§ 366 Abs. 1 Ziffer 1 iVm § 5 Abs. 2 Ziffer 2 GewO

ATS 2.000,-- /2 Tage

1996:

§ 83 Zi. 2 lit. a iVm § 16 FrG

ATS 400,--/10 Std."

Im Strafregister der Bundespolizeidirektion Leoben scheine er mit nachstehend angeführten Verwaltungsübertretungen auf:

"1996:

§ 43 Abs. 4 lit. b KFG

ATS 500,--

 

§ 102 Abs. 8 KFG

ATS 500,--

1997:

§ 42 Abs. 1 KFG

ATS 1.000,--"

Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 sei dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben worden, zum vorliegenden Sachverhalt eine Stellungnahme abzugeben. In seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2000 habe sein Rechtsvertreter im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers auf unglückliche Umstände zurückzuführen wären und er seither strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten wäre. Hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen werde ausgeführt, dass diese kaum nachteilige Folgen nach sich gezogen hätten und der Beschwerdeführer das letzte Mal 1997 negativ in Erscheinung getreten wäre. Er hätte beim BFI Leoben einen Schweißkurs belegt und diesen im August 1997 auch erfolgreich abgeschlossen. Seit Februar 1998 wäre er nun als Eisenschneider beschäftigt und würde durch dieses Einkommen der Lebensunterhalt hinreichend gesichert. Der Beschwerdeführer verfügte auch über ausgezeichnete Deutschkenntnisse und pflegte mit seiner Familie einen österreichischen Lebensstil.

Hiezu werde festgestellt: Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangene strafbare Handlungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG bilde, komme es lediglich darauf an, ob es sich um einen Rechtsbruch handle, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lasse, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten. Durch das bisherige Gesamtverhalten (eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung, eine Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz, zwei Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung, eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdengesetz und vier Verwaltungsübertretungen nach dem KFG) des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass er sich auch weiterhin nicht an die österreichische Rechtsordnung halte und somit keine Gewähr dafür biete, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle.

Hinsichtlich der Verurteilungen werde bemerkt, dass ein rechtskräftig abgeschlossenes gerichtliches Strafverfahren im Verwaltungsverfahren nicht neu aufgerollt werden könne. Auch sei die Verwaltungsbehörde im Verleihungsverfahren an den von der Strafbehörde angenommenen Sachverhalt und seine rechtliche Beurteilung gebunden und könne keineswegs die im Strafverfahren erhobenen Beweise anders würdigen. Durch die Art, die Schwere und die Häufigkeit von Rechtsbrüchen, die den Schluss zuließen, der Beschwerdeführer werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz von Gefahren für das Leben, die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten, komme seine negative Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck.

So scheine auch das bisherige dreijährige Wohlverhalten des Beschwerdeführers noch zu kurz, um daraus schließen zu können, er biete Gewähr dafür, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle.

Abschließend werde festgestellt, dass ein gesicherter Lebensunterhalt, die Deutschkenntnisse und ein österreichischer Lebensstil bei der Beurteilung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG unerheblich seien. Da somit diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG und bringt vor, die belangte Behörde hätte die Umstände zu berücksichtigen gehabt, die dazu geführt hätten, dass er letztlich strafbare Tatbestände zu verantworten habe, dies insbesondere auch zur Erstellung einer Zukunftsprognose betreffend das zu erwartende künftige Verhalten. Auch im Verbund mit den im Strafregister der Bezirkshauptmannschaft Leoben aufscheinenden Verwaltungsübertretungen, die allesamt geringfügig seien und keine wesentlichen nachteiligen Folgen nach sich gezogen hätten, vermöchten die strafgerichtlichen Verurteilungen der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht entgegen zu stehen.

Gemäß § 11a Abs. 1 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsnovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,

2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,

3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und

4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahre aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder

b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen österreichischer Staatsbürger ist oder

c) der Ehegatte die Staatsbürgerschaft durch Verleihung gemäß § 10 Abs. 4 Z. 2 oder durch Erklärung gemäß § 58c erworben hat und der Fremde seinen Hauptwohnsitz vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet hatte und sich damals gemeinsam mit seinem späteren Ehegatten ins Ausland begeben hat.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten dafür Gewähr bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich (auch) durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber - anders als nach § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG - nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0218). In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1999, Zl. 99/01/0040).

Der vorliegende Bescheid enthält jedoch keine ausreichenden Feststellungen zur Beurteilung dieser Kriterien, die daher einer nachprüfenden Kontrolle nicht unterzogen werden können. Die belangte Behörde beschränkte sich lediglich darauf, die Verurteilungen des Beschwerdeführers "wegen § 223 Abs. 2 StbG" und "wegen § 16 Abs. 1 und 2 SGG" und Vormerkungen über verwaltungsbehördliche Übertretungen festzustellen. Die für die Beurteilung des Gesamtverhaltens und die auf dieser Grundlage zu erstellende Prognose über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers insbesondere erforderlichen Feststellungen über das den Verurteilungen jeweils zu Grunde liegende strafbare Verhalten fehlen völlig in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wie der Beschwerdeführer im Ergebnis richtig aufzeigt. Betreffend das (grundsätzlich unbestrittene) Vergehen nach § 16 Abs. 1 und 2 SGG ist der belangten Behörde zwar zuzugestehen, dass es sich bei Suchtgiftkriminalität regelmäßig um ein die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten handelt, jedoch kann ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht schlichtweg stets der Schluss gezogen werden, die Begehung eines solchen Deliktes schließe die hier in Rede stehende Verleihungsvoraussetzung aus. Generalpräventive Erwägungen haben im vorliegenden Fall außer Betracht zu bleiben; maßgeblich ist vielmehr die individuelle Prognose betreffend den Beschwerdeführer (vgl. das schon genannte hg. Erkenntnis vom 6. März 2001).

Die aufgezeigten fehlenden Feststellungen verwehren dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung der von der belangten Behörde eingenommenen Ansicht, der Beschwerdeführer erfülle nicht die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG (offenbar bezugnehmend auf die Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 124/1998), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 18. April 2002

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