Normen
EheG §55a;
MRK Art6;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985;
EheG §55a;
MRK Art6;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer wurde am 9. Februar 1975 in Ägypten geboren. Er hielt sich seit 7. November 2001 im Bundesgebiet auf und heiratete am 29. November 2001 die österreichische Staatsbürgerin M H. Am 16. Februar 2004 beantragte er bei der belangten Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 2005 wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Erhalt des Bescheides das Ausscheiden aus dem ägyptischen Staatsverband nachweist. Im Zuge der Ausfolgung des Zusicherungsbescheides am 28. Februar 2005 bestätigte der Beschwerdeführer unter anderem niederschriftlich, dass er mit M H im gemeinsamen Haushalt lebe sowie dass er jede bis zum Abschluss des Einbürgerungsverfahrens allenfalls eintretende Änderung seiner persönlichen Verhältnisse unaufgefordert der Behörde mitteilen werde. Am 3. März 2005 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Konsulates der Arabischen Republik Ägypten vor, wonach das Innenministerium der Arabischen Republik Ägypten das Ansuchen des Beschwerdeführers zur Bewerbung um die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft genehmigt habe und der Beschwerdeführer mit Annahme der österreichischen Staatsangehörigkeit die ägyptische Staatsangehörigkeit verliere.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 2005 wurde dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. Juni 2005 wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit M H gemäß § 55a Ehegesetz einvernehmlich geschieden. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die eheliche Gemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben gewesen sei und beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zugestanden hätten.
5. Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 teilte die Österreichische Botschaft in Ägypten mit, im Zuge der Behandlung eines Sichtvermerkantrages eines ägyptischen Staatsangehörigen sei aufgefallen, dass der als Einlader auftretende Beschwerdeführer bis 30. Juni 2005 mit M H verheiratet gewesen sei und am 2. August 2005 die ägyptische Staatsangehörige M S geheiratet habe.
6. Am 24. Juli 2006 wurden der Beschwerdeführer und M H durch die belangte Behörde niederschriftlich befragt und gaben unter anderem übereinstimmend an, dass seit Sommer 2004 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden habe.
7. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2006 beantragte die Bundesministerin für Inneres - nachdem sie die belangte Behörde um Akteneinsicht ersucht hatte, die von der belangten Behörde nicht gewährt wurde, da betreffend den Beschwerdeführer kein Verfahren anhängig sei - gemäß § 35 StbG iVm § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG die Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverfahrens.
8. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. August 2007 wurde das Verleihungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG zum Zeitpunkt vor Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft von Amts wegen wieder aufgenommen (Spruchpunkt 1.) und das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, § 11a Abs. 1 und § 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden: StbG nF) abgewiesen (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei sowohl bei Ausfolgung des Zusicherungsbescheides als auch des Verleihungsbescheides niederschriftlich befragt worden und habe jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er mit M H im gemeinsamen Haushalt lebe. Im Verfahren zur Prüfung der Wiederaufnahme hätten beide hingegen übereinstimmend angegeben, dass seit Sommer 2004 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe entgegen besseren Wissens unrichtige Angaben zum Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes gemacht, sodass der Tatbestand der Erschleichung sowohl zum Zeitpunkt der Ausfolgung des Zusicherungsbescheides als auch zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllt gewesen sei, weshalb das Verfahren vor Ausfolgung des Zusicherungsbescheides wieder aufzunehmen gewesen sei.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG sei auch zulässig, wenn der Beschwerdeführer dadurch staatenlos werde.
Es seien weder die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z.1 StbG noch des § 11a Abs. 1 bzw. Abs. 4 Z. 1 bis 4 gegeben, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abzuweisen gewesen sei.
9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte die Behandlung mit Beschluss vom 5. Dezember 2007, B 1563/07-10, ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Rechtslage
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG nF lauten:
"§ 24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird.
...
§ 35. Die (...) Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Inneres zu erfolgen."
Die im Beschwerdefall (im Hinblick auf die Wiederaufnahme) maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG aF) lauten:
"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,
..."
2. Zur Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens
2.1. Zum Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG:
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bereits bei der Zusicherung der Staatsbürgerschaft objektiv unrichtig angegeben habe, er lebe mit M H im gemeinsamen Haushalt. Dies hat die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG (Erschleichung) gewertet, da diese Angabe des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 11a Abs. 1 StbG aF von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.
Zu der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Irreführungsabsicht kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 25. Juni 2009, Zl. 2007/01/1051, verwiesen werden (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 19. März 2009, Zl. 2008/01/0496, vom 26. Mai 2009, Zl. 2009/01/0017, und vom 23. September 2009, Zl. 2008/01/0628, die alle eine Wiederaufnahme wegen objektiv unrichtiger Erklärung bei Verleihung der Staatsbürgerschaft zum Gegenstand hatten).
2.2. Zum gemeinsamen Haushalt nach § 11a StbG aF:
Die Beschwerde bringt vor, bei einer einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG komme es auf die Aufhebung der "ehelichen Lebensgemeinschaft" und nicht auf die des "gemeinsamen Haushaltes" nach § 11a StbG aF an. Der gemeinsame Haushalt habe sehr wohl noch bestanden, so sei M H bis 25. Februar 2005 und der Beschwerdeführer bis 21. Juli 2005 in der gemeinsamen Wohnung wohnhaft gewesen. Im Zuge der einvernehmlichen Scheidung hätten die Ehegatten lediglich bestätigt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit Dezember 2004 aufgehoben gewesen sei. Im Februar 2005 habe sich die Ehe in einer Krise befunden, weshalb M H vorübergehend eine eigene Wohnung angemietet habe, die häusliche Gemeinschaft sei dadurch jedoch noch nicht aufgehoben gewesen. Auf Grund der einvernehmlichen Scheidung lasse sich daher nicht auf ein Fehlen der Voraussetzungen des § 11a StbG schließen.
Mit dem Begriff des gemeinsamen Haushaltes nach § 11a StbG aF im Verhältnis zu § 55a EheG hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2007/01/1051, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, auseinandergesetzt. Danach setzt der gemeinsame Haushalt nach § 11a StbG aF das Zusammenleben der Ehegatten in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei kurzfristige Unterbrechungen dieses Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung nicht schaden. Bei der Prüfung, ob ein derartiger gemeinsamer Haushalt vorgelegen ist, macht ein Ehescheidungsbeschluss nach § 55a EheG bzw. die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit mindestens einem halben Jahr aufgelöst, Ermittlungen darüber, ob der Betreffende mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebte, nicht schlechterdings entbehrlich.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ihre Annahme, zum Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer habe kein gemeinsamer Haushalt mit M H bestanden, beweiswürdigend nicht auf das Protokoll der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG, sondern auf die vor der belangten Behörde gemachten niederschriftlichen Aussagen der M H sowie des Beschwerdeführers gestützt, wonach seit Sommer 2004 (also bereits vor Zusicherung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer) kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden hat.
Das Vorbringen, M H und der Beschwerdeführer hätten bis 25. Februar 2005 (also wenige Tage vor der Ausfolgung des Zusicherungsbescheides an den Beschwerdeführer) noch in der gemeinsamen Ehewohnung gelebt und auch danach sei die später folgende Ehescheidung keinesfalls absehbar gewesen, steht in Widerspruch zu den vom Beschwerdeführer und M H selbst gemachten Aussagen und kann daher schon deshalb keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde erweisen. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie angenommen hat, dass bereits zum Zeitpunkt der Zusicherung der Staatsbürgerschaft kein gemeinsamer Haushalt bestanden habe.
2.3. Zur Irreführungsabsicht:
Auch in diesem Punkt erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als nicht unschlüssig, wenn sie auf Grund der übereinstimmenden Aussagen, dass seit Sommer 2004 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden habe, annimmt, dass dies dem Beschwerdeführer auch im Zeitpunkt der Zusicherung bekannt war und er diese Tatsache daher bewusst verschwiegen habe (vgl. im Übrigen zur Verpflichtung des Staatsbürgerschaftswerbers im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 4 StbG, nicht unerhebliche Änderungen der familiären Verhältnisse und der persönlichen Lebensumstände während des Verfahrens der Behörde bekannt zu geben, das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2008/01/0243, mwN) .
2.4. Somit begegnet die auf § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG gestützte Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens im Stadium vor Zusicherung der Verleihung keinen Bedenken.
3. Zur Abweisung des Verleihungsantrags
Nach der von der belangten Behörde zu Recht angewendeten neuen Rechtslage nach der Staatsbürgerschaftsnovelle 2005 - das Verfahren wurde im Stadium vor Zusicherung wieder aufgenommen, sodass die Übergangsbestimmung des § 64a Abs. 4 StbG nF nicht zur Anwendung kam - darf gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nF einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war.
Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer diese Verleihungsvoraussetzung nicht erfülle, da er sich erst seit 7. November 2001 im Bundesgebiet aufhalte. Auch die Voraussetzungen für eine Verleihung nach § 11a Abs. 1 StbG nF sowie nach § 11a Abs. 4 Z. 1 bis 4 StbG lägen nicht vor.
Die Beschwerde führt dazu aus, durch die Vorgehensweise der belangten Behörde werde in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK eingegriffen.
Zu diesem (bereits in der an den VfGH gerichteten Beschwerde erstatteten) Vorbringen hat der VfGH im obzitierten Beschluss vom 5. Dezember 2007, B 1563/07, vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK festgehalten, dass dieses die behauptete Rechtsverletzung als so wenig wahrscheinlich erkennen lässt, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das in der ergänzten Beschwerde lediglich wiederholte Vorbringen veranlasst den Verwaltungsgerichtshof nicht, eine andere Beurteilung vorzunehmen.
Weiters führt die Beschwerde aus, die belangte Behörde habe nicht ausreichend ermittelt, weshalb eine Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. des Rechtes des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK vorliege.
Was diesen Vorwurf anlangt, genügt es darauf hinzuweisen, dass Verfahren über die Verleihung oder Aberkennung der Staatsbürgerschaft nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen (vgl. die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 29. Juni 2000, Drasko Soc gegen Kroatien, Beschwerde Nr. 47863/99, Randnr. 4, mwN, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2007, Zl. 2006/01/0477, mwN).
4. Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. Jänner 2010
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