VwGH 2007/21/0160

VwGH2007/21/016019.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/5/24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. März 2007, Zl. 2 F / 134 / 2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von "Bosnien-Herzegowina", gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Jänner 2007 wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, 2 und 4, erster und dritter Deliktsfall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (davon 12 Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt worden. Er habe einen im Dezember 2002 bei einem Einbruch auf dem Werksgelände der "Fa. Magna Steyr" in Graz gestohlenen Puch G (Mercedes G 500) im Wert von mehr als EUR 60.000,-- im Wissen, dass dieser Pkw gestohlen worden war, und unter billigender Inkaufnahme, dass das Fahrzeug durch Einbruchsdiebstahl von einer international agierenden Tätergruppe erbeutet worden war, mit dem Auftrag übernommen, es gegen Entgelt nach Russland zu verbringen; am 30. Dezember 2002 sei er mit dem Fahrzeug von Ungarn in die Ukraine ausgereist, nach Erlassung eines internationalen Haftbefehles am 30. September 2006 sei er beim Versuch, einen weiteren gestohlenen Pkw auftragsgemäß nach Istanbul zu überstellen, in Bulgarien festgenommen und in der Folge nach Österreich ausgeliefert worden. Das Strafgericht habe den Beschwerdeführer als "professionellen Autoschieber" eingestuft. Wegen der Schwere der Straftat (Mitglied einer international agierenden Tätergruppe im Bereich der organisierten Kriminalität mit grenzüberschreitenden Kontakten in den russisch-ukrainischen Raum) laufe der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz fremden Vermögens grob zuwider. Der Beschwerdeführer bilde eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinn einer Gefährdung von Grundinteressen der Gesellschaft.

Der Beschwerdeführer verfüge - so die belangte Behörde weiter - im österreichischen Bundesgebiet über keinerlei wirtschaftliche, familiäre oder sonstige Bindungen bzw. Kontakte. Seine Ehegattin und ihre zwei minderjährigen Kinder lebten in Belgrad. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer "persönliche Bindungen" in der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht. Es läge daher kein relevanter Eingriff in ein in Österreich geführtes Privat- oder Familienleben vor. Selbst wenn ein solcher zu bejahen wäre, könnte es keinem Zweifel unterliegen, dass er zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten wäre. Eine positive Verhaltensprognose sei im Hinblick auf die Schwere der als Mitglied einer international agierenden Tätergruppe begangenen Straftat und die Kürze der seither vergangenen Zeit nicht möglich. Im Hinblick darauf könnte auch eine Ermessensentscheidung gemäß § 60 Abs. 1 FPG nicht zur Abstandnahme von dem sonst zulässigen Aufenthaltsverbot führen. Wegen des kurzen Aufenthalts des in Österreich weder beruflich noch familiär gebundenen Beschwerdeführers wögen gemäß § 66 Abs. 2 FPG die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

Die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes für einen befristeten Zeitraum von zehn Jahren erscheine "angemessen und rechtlich vertretbar", weil mit einem Gesinnungswandel vor Ablauf dieser Frist nicht gerechnet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die genannte Alternative dieses Tatbestandes ist im gegenständlichen Fall ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten erfüllt. Die Beschwerde tritt auch der - zu Recht auf das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers gestützten - Ansicht der belangten Behörde, es sei die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht konkret entgegen. Soweit er mit einer bloß fahrlässigen Tatbegehung argumentiert, steht dem die Rechtskraft der dargestellten strafgerichtlichen Verurteilung entgegen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0310). Auch das Alter und Vorleben des (1965 geborenen) Beschwerdeführers führen ebenso wie die Begleitumstände der Tat zu keiner anderen Beurteilung.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist eine Ausweisung, mit der in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Eine Ausweisung darf nach § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Nach § 60 Abs. 6 FPG gilt § 66 FPG auch für Aufenthaltsverbote.

In der Beschwerde wird gerügt, die belangte Behörde habe diese Interessenabwägung nicht im Sinn des Gesetzes vorgenommen und insbesondere die vom Strafgericht angenommenen Milderungsgründe, die zu einer - zum Teil - bedingten Strafnachsicht geführt hätten, nicht ausreichend berücksichtigt.

Diesem Einwand ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FPG, unabhängig von strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung, zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0723, mwN). Im Übrigen wäre im Hinblick auf die Schwere der Straftat sowie das Fehlen beruflicher oder nennenswerter familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich (laut Aussage des Beschwerdeführers leben Verwandte seiner Ehefrau im Bundesgebiet) eine andere Beurteilung mit dem Gesetz nicht im Einklang gestanden.

Soweit der Beschwerdeführer mit der Absicht einer Berufsausübung in der Bundesrepublik Deutschland argumentiert, liegt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung vor. Auch seine in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Familienangehörigen wurden - weder im Verwaltungsverfahren, in dem der Beschwerdeführer auf seine in Belgrad lebende Familie verwiesen hat, noch in der vorliegenden Beschwerde - konkretisiert. Soweit er Unannehmlichkeiten ins Treffen führt, die aus Reisebeschränkungen infolge des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes resultieren, sind diese im Hinblick auf das von der belangten Behörde zutreffend dargestellte hohe öffentliche Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. zum Ganzen neuerlich das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0310 mwN.).

Weiters begegnet auch die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keinen Bedenken. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Dieses ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0723).

Angesichts der erheblichen strafgerichtlichen Verurteilung, die zu einem Vollzug des unbedingt verhängten Teils der Freiheitsstrafe bis zum 29. März 2007 geführt hat, kann der belangten Behörde nicht in ihrer Prognose entgegengetreten werden, dass vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren nicht von einem Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. Auch ist kein Grund ersichtlich, aus dem die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel, dass ihm die Berufungsbehörde nicht die Möglichkeit eingeräumt habe, zur Frage des Aufenthaltsverbotes ausführlich (schriftlich oder mündlich) Stellung zu nehmen.

Dem ist zu entgegnen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren ein Recht des Fremden, von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2007/21/0057, mwN). Es wäre dem Beschwerdeführer freigestanden, ein entsprechendes umfassendes Vorbringen vor der Erstbehörde, die ihn am 6. Februar 2007 einvernommen hat, oder in seiner Berufung an die belangte Behörde zu erstatten. Auch wird in der Beschwerde nicht konkretisiert, welche weiteren Angaben der Beschwerdeführer im Fall einer ergänzenden Einvernahme hätte tätigen können oder welcher Sachverhalt im Fall ergänzender Erhebungen hervorgekommen wäre, weshalb auch insoweit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargestellt wird.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch beruht - im Umfang des ziffernmäßigen Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Juni 2008

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