VwGH 2007/18/0723

VwGH2007/18/072316.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des S R, geboren 1971, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 31. Juli 2007, Zl. Fr-172/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §70;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z13;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z14;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 31. Juli 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß §§ 86 und 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, dass der Beschwerdeführer mangels der Inanspruchnahme der Freizügigkeitsbestimmungen durch seine österreichische Ehegattin nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger, sondern lediglich als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG zu behandeln sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. April 2005 sei über ihn wegen des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Deliktsfall und § 15 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 leg. cit. und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 leg. cit. eine bedingte Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verhängt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass er im Februar 2005 in Salzburg gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in wiederholten Angriffen gegen nachweislich sieben Personen gestohlen habe, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben sei. Darüber hinaus habe er drei Bankomatkarten, über die er nicht habe verfügen dürfen, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, und Urkunden, über die er nicht habe verfügen dürfen, durch Entsorgung in Mistkübeln mit dem Vorsatz vernichtet, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der darin verbrieften Rechte gebraucht würden.

Mit dem weiteren Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 13. Dezember 2006 sei über den Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § "139" (offensichtlich gemeint: 130) erster Deliktsfall StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 leg. cit. eine teilbedingte Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten rechtskräftig verhängt worden, weil er im September 2006 in Linz gewerbsmäßig Personen fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,-- übersteigenden Betrag gestohlen und weiters Urkunden, über die er nicht habe verfügen dürfen, durch Wegnahme unterdrückt habe, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht würden.

Darüber hinaus weise er drei einschlägige rechtskräftige Verurteilungen in der Bundesrepublik Deutschland aus den Jahren 1997, 1998 und 2001 auf, und zwar wegen Diebstahles und Hehlerei bzw. gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Geldstrafe, zu einer bedingten zehnmonatigen Freiheitsstrafe und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.

Auf Grund der genannten Verurteilungen des Landesgerichtes Salzburg, denen eine Vielzahl von Straftaten zu Grunde liege, seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und 2 FPG erfüllt.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde im Hinblick auf die Vielzahl der überaus gravierenden Tathandlungen gegen verschiedene Rechtsgüter, vor allem gegen fremdes Vermögen, massiv die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, und es komme die negative Verhaltensprognose bereits durch die ca. ein Jahr zurückliegenden Tathandlungen, die er gewerbsmäßig begangen habe, zum Ausdruck. Die Menge an gestohlenen Gegenständen lasse erkennen, dass er durch diese Diebstähle vorwiegend seinen Lebensunterhalt finanziert habe, und es gefährde sein weiterer Aufenthalt somit die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv. Das vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzte Fehlverhalten stelle eine schwere Verletzung der österreichischen Rechtsordnung und jedenfalls eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Auch unter Berücksichtigung der §§ 86 und 87 FPG sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes daher auf Grund seiner massiven Missachtung der österreichischen Rechtsordnung geboten und wegen akuter Gefährdung öffentlicher Interessen auch dringend erforderlich.

Der Beschwerdeführer sei im Juni 2004 illegal in Österreich eingereist. Ein am 13. Juli 2004 beim Bundesasylamt gestellter Asylantrag sei durch Einstellung als gegenstandslos abgelegt worden. Seit seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 3. August 2004 sei er als integriert im Sinn des § 66 FPG anzusehen. Er gehe keiner Beschäftigung nach. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 (Abs. 1) FPG eingegriffen.

Diese aufenthaltsbeendende Maßnahme sei jedoch zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ruhe und Ordnung dringend erforderlich und zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, vorwiegend der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und des Schutzes fremden Eigentums, dringend erforderlich und unabdingbar. Diese Dringlichkeit ergebe sich auf Grund der obgenannten gravierenden negativen Verhaltensprognose. Auf Grund der zum Teil gewerbsmäßigen Tatausführungen sei die Annahme gerechtfertigt, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die genannten öffentlichen Interessen massiv gefährde.

Im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer erst seit dem Jahr 2004 gemeinsam mit seiner österreichischen Ehegattin im Bundesgebiet aufhalte, er die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf das Massivste gestört habe und eine überaus negative Verhaltensprognose für ihn bestehe, wögen gemäß § 66 Abs. 2 FPG die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie.

Durch die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung wesentlicher öffentlicher Interessen gelange die belangte Behörde bei der ihr auferlegten Ermessensübung zum Ergebnis, dass im Interesse eines geordneten Fremdenwesens und zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegen den Beschwerdeführer auch im Hinblick auf § 66 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot habe erlassen werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen, das heißt nicht ausgeübt, habe. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen sei und die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid daher zuständig sei (vgl. § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG), begegnet somit keinen Bedenken.

2. Nach den weiteren insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer, wie oben (I.1.) dargestellt, vom Landesgericht Salzburg am 27. April 2005 verurteilt, weil er im Februar 2005 zum Nachteil von sieben Geschädigten diese bestohlen bzw. in einem Fall zu bestehlen versucht hat, wobei er gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB), gehandelt hat. Darüber hinaus hat er durch Entsorgung in Mistkübeln fremde Bankomatkarten entfremdet und Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt.

Diese Verurteilung konnte den Beschwerdeführer jedoch nicht davon abhalten, im September 2006, wie oben dargestellt, in einschlägiger Weise neuerlich in Österreich straffällig zu werden und andere Personen gewerbsmäßig zu bestehlen sowie fremde Urkunden zu unterdrücken.

Schon in Anbetracht dieses in Österreich gesetzten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere seiner wiederholt gesetzten gewerbsmäßigen Straftaten, ist die Beurteilung der belangten Behörde, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, und somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 iVm § 86 (Abs. 1 erster und zweiter Satz) FPG erfüllt seien, nicht zu beanstanden. Im Übrigen wird diese Annahme auch dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer - was von ihm nicht in Abrede gestellt wird - bereits vor seiner Einreise in Österreich wiederholt einschlägige Straftaten gegen fremdes Vermögen in Deutschland verübt hat, weshalb er dort in den Jahren 1997, 1998 und 2001 jeweils rechtskräftig verurteilt wurde und über ihn zum Teil empfindliche Freiheitsstrafen verhängt wurden. Wenn die Beschwerde vorbringt, das Landesgericht Salzburg habe bei der Verurteilung vom 27. April 2005 als mildernd gewertet, dass der Beschwerdeführer ein umfassendes und reumütiges Geständnis abgelegt habe, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FPG, unabhängig von strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0438, mwN).

Wenn die Beschwerde darüber hinaus die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 ins Treffen führt, so ist dieses Beschwerdevorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil - abgesehen davon, dass, was von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird, die österreichische Ehegattin des Beschwerdeführers das (gemeinschaftliche) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen hat, und nicht behauptet wird, dass er sie begleitet habe oder ihr nachgezogen sei - die genannte Richtlinie bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits aufgehoben war.

3. Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Juni 2004 und seine Bindungen zu seiner österreichischen Ehegattin berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Sie hat jedoch - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn der genannten Bestimmung dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes wiederholtes Fehlverhalten die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und am Schutz der Rechte anderer, insbesondere am Eigentum, erheblich beeinträchtigt.

Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Beendigung seines Aufenthaltes ist ferner das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung nicht zu beanstanden. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch seine wiederholt verübten Straftaten eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Ehegattin.

4. Schließlich begegnet auch die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes keinen Bedenken.

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Dieses ist - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 leg. cit. - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0396, mwN).

Die dem Beschwerdeführer angelasteten Verurteilungen durch das Landesgericht Salzburg erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG. Darüber hinaus kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts der vom Beschwerdeführer in Österreich verübten Straftaten - wozu noch kommt, dass auch die über ihn in Deutschland verhängten, zum Teil empfindlichen Freiheitsstrafen wegen der Begehung von einschlägigen Straftaten ihn zu keinem dauernden Wohlverhalten bewegen konnten - die Auffassung vertreten hat, dass das Aufenthaltsverbot nicht befristet erlassen werden könne.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Oktober 2007

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