VwGH 2007/18/0566

VwGH2007/18/056612.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des M C in W, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juli 2007, Zl. E1/271783/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86, § 63 sowie § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei auf Grund eines Visums C mit Gültigkeit vom 9. bis 20. Juli 2002 in das Bundesgebiet eingereist, habe am 15. Juli 2002 einen Asylantrag gestellt und am 6. November 2002 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Auf diese Ehe gestützt habe er am 7. November 2002 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehefrau gestellt. Am 15. November 2002 habe er seinen Asylantrag zurückgezogen.

Nachdem die Ehefrau im Rahmen einer niederschriftlichen Vernehmung am 30. November 2002 das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten habe, sei dem Beschwerdeführer zunächst die beantragte Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Im Dezember 2004 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt.

Bei einer Erhebung an der angeblich ehelichen Wohnadresse hätten Wohnungsnachbarn jedoch angegeben, die Ehefrau des Beschwerdeführers wohne "allein mit ihren Kindern", in Begleitung eines Türken sei sie noch nie gesehen worden.

Am 31. März 2005 habe die Ehefrau des Beschwerdeführers im Rahmen einer Vernehmung als Zeugin unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht zugegeben, dass es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine Aufenthaltsehe handle, die sie auf Grund ihrer finanziellen Notlage eingegangen sei. Ein gemeinsamer Wohnsitz habe nie bestanden, sie wolle sich auch scheiden lassen, aber der Beschwerdeführer sei aus Angst vor dem Verlust des Aufenthaltstitels dagegen und biete ihr deshalb laufend Geld an.

Aus Sicht der belangten Behörde spreche für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, dass sich die Ehepartner erst einen Monat vor der Eheschließung kennengelernt hätten, sich nur über einen Dolmetsch verständigen könnten, die Ehefrau 13 Jahre älter sei als ihr Ehemann, das Ehepaar nie zusammengelebt habe, die Ehefrau Notstandshilfe beziehe, in einer finanziellen Notlage sei und von ihrem Ehemann für die Eheschließung einen namhaften Geldbetrag bekommen habe. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass die Ehefrau anfangs das Eingehen einer Aufenthaltsehe geleugnet habe, weil ihr erst später bewusst geworden sei, welche Nachteile dies mit sich bringe. Während der Beschwerdeführer ein großes subjektives Interesse an der Darstellung eines geordneten Familienlebens - was allerdings nicht einmal ausdrücklich behauptet worden sei - gehabt haben müsse, um weiterhin die angestrebten fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorteile genießen zu können, sei die Interessenlage seiner Ehefrau keineswegs derartig eindeutig. Ihre Aussagen erschienen im wesentlichen Punkt, nämlich dem Abschluss einer bloßen Aufenthaltsehe, glaubwürdig. Das vorgelegte Foto von der Hochzeitsfeier könne keinen Beweis für das Nichtvorliegen der Aufenthaltsehe darstellen.

In der Stellungnahme vom 26. April 2005 habe der Beschwerdeführer die Zeugenvernehmung von S C., dem Bruder des Beschwerdeführers, beantragt, jedoch kein genaues Beweisthema genannt, weshalb keine Verpflichtung zur Vernehmung des namhaft gemachten Zeugen bestanden habe. Auch eine neuerliche (und somit dritte) Vernehmung der Ehefrau des Beschwerdeführers habe sich nicht als erforderlich erwiesen, weil deren Aussage vom 31. März 2005 glaubhaft gewesen sei.

Es bestehe somit kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile eingegangen sei, die den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet des geordneten Ehe- und Familienwesens, darstelle. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit nicht nur zulässig, sondern sogar dringend geboten.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG habe die belangte Behörde den nunmehr fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie seine familiären Bindungen zu seinen Eltern und Geschwistern im Bundesgebiet berücksichtigt. Die davon ausgehende Integration in Österreich werde jedoch dadurch gemindert, dass sowohl die Niederlassungsbewilligung als auch die Arbeitserlaubnis nur auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe erteilt worden seien. Daher überwögen die öffentlichen Interessen an der Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.

Im Rahmen des Ermessens habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sich seine Eltern und seine beiden Brüder, wovon einer österreichischer Staatsbürger sei, im Bundesgebiet aufhielten und zu diesen (mit denen der Beschwerdeführer jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe) ein enger familiärer Kontakt bestehe. Aus Sicht der belangten Behörde bestehe für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Ehe- und insbesondere Fremdenwesens ein derart hohes öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, dass die bestehenden familiären Bindungen keine für den Beschwerdeführer positive Ermessenentscheidung zuließen. Auch andere Gründe, die eine solche rechtfertigen könnten, seien weder vorgebracht noch amtswegig erkannt worden.

Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei von einer fünfjährigen Befristung nunmehr auf einen Zeitraum von acht Jahren hinaufgesetzt worden. Seit 1. Jänner 2006 sei in § 63 FPG auch in den Fällen von Aufenthaltsehen die Höchstdauer von fünf auf zehn Jahre hinaufgesetzt worden. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers erscheine eine fünfjährige Befristung nicht gerechtfertigt, weil ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines achtjährigen Zeitraumes erwartet werden könne.

II.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Im Zusammenhang mit der Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe die in der Berufung beantragten Zeugen, nämlich die Ehefrau des Beschwerdeführers und dessen Bruder, nicht vernommen. Seine Ehefrau habe zwei divergierende Aussagen gemacht, daher hätte sich die belangte Behörde selbst ein Bild von der Zeugin und deren Glaubwürdigkeit machen müssen. Es sei auch verfehlt, davon auszugehen, dass hinsichtlich des Antrags auf Vernehmung seines Bruders kein genaues Beweisthema angegeben worden sei. Da der Beweisantrag am Ende der Berufungsschrift gestellt worden sei, sei dieser zum Beweis für das gesamte Vorbringen, insbesondere zum Beweisthema, dass keine Aufenthaltsehe vorgelegen sei und zum Beweisthema der intensiven familiären Beziehungen des Beschwerdeführers, gestellt worden. Er habe auch Fotos von seiner Hochzeit vorgelegt, mit denen sich die belangte Behörde inhaltlich nicht auseinander gesetzt habe.

Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, auf Grund welcher konkreten Angaben des beantragten Zeugen die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers vom 31. März 2005 in Zweifel hätte gezogen werden können.

Weiters ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dieser - schlüssigen und nachvollziehbaren - Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers, wonach sie mit diesem auf Grund ihrer finanziellen Probleme eine Aufenthaltsehe geschlossen und nie ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden habe, trotz deren anfänglichen Leugnens Glauben geschenkt hat. Diese Aussage steht im Einklang mit den Ergebnissen der Erhebung im Wohnhaus, wobei Wohnungsnachbarn angaben, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers "allein mit ihren Kindern" wohne und noch nie in Begleitung eines Türken gesehen worden sei.

Auf Grund der dargestellten Erwägungen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Diese begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis keinen Bedenken.

Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, indem er eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass das persönliche Verhalten eines Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG darstellt, wenn er eine solche Aufenthaltsehe geschlossen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0416, mwN). Diesem Ergebnis steht auch der Beschwerdehinweis auf den seit der Eheschließung verstrichenen Zeitraum und das bisherige Wohlverhalten des Beschwerdeführers nicht entgegen. Der Verlängerungsantrag vom Dezember 2004, in dem sich der Beschwerdeführer neuerlich auf die Aufenthaltsehe berufen hat, lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich zweieinhalb Jahre zurück. Der Zeitraum des Wohlverhaltens ist daher keinesfalls bereits so lang, dass er der genannten Gefährdungsprognose entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2007/18/0559), zumal der Beschwerdeführer bis zuletzt das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten hat.

Entgegen der Beschwerdeansicht setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2010, Zl. 2010/18/0388, mwN).

In Bezug auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG bzw. mit Blick auf die Ermessensübung verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er sich seit über fünf Jahren in Österreich aufhalte, seit Jahren für denselben Dienstgeber arbeite, hier sozial integriert sei und auch seine Eltern und zwei seiner Brüder in Wien lebten. Nunmehr lebe er wieder mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt. Dies habe die belangte Behörde jedoch nicht berücksichtigt, weil sie seit Aufhebung des ersten Bescheides vom 10. Oktober 2006 (durch das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2006/18/0445) kein weiteres Ermittlungsverfahren insbesondere im Hinblick auf die genaue Begründung ihres Ermessens geführt habe.

Die belangte Behörde hat sowohl die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als auch seine familiären Bindungen zu seinen Eltern und Geschwistern berücksichtigt, jedoch auch darauf hingewiesen, dass sowohl die Erteilung der Niederlassungsbewilligung als auch der Arbeitserlaubnis auf das verpönte Verhalten zurückzuführen ist. Sie durfte auch davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer mit seinen Familienangehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, zumal für die belangte Behörde diesbezüglich keine Anhaltspunkte bestanden. Im Übrigen würde der Umstand, dass der volljährige und berufstätige Beschwerdeführer einen gemeinsamen Wohnsitz mit seinen Eltern hat, seine persönlichen Interessen am weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht entscheidungswesentlich stärken. Wenn die belangte Behörde somit im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung des hohen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens zum Ergebnis gelangt ist, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Sinn des § 66 FPG zulässig sei, ist dies nicht zu beanstanden.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen, zeigt doch auch die Beschwerde keine besonderen Umstände auf, die ein Absehen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Was die von der Beschwerde bekämpfte Gültigkeitsdauer des vorliegenden Aufenthaltsverbotes gemäß § 63 Abs. 1 FPG anlangt, so zeigt sie auch in diesem Zusammenhang keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf der Gültigkeitsdauer von acht Jahren erwartet werden könne. Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel und den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt zu haben. Diese Vorteile nimmt der Beschwerdeführer nach wie vor für sich in Anspruch.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. April 2011

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