VwGH 2007/18/0488

VwGH2007/18/048813.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des J O in S, geboren 1983, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Juni 2007, Zl. St 132/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs1;
EheG §23 Abs1;
EheG §27;
EheG §46;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs1;
EheG §23 Abs1;
EheG §27;
EheG §46;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 iVm §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 19. Februar 2002 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. November 2002 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 2003 sei der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Nach einem Versuch, eine humanitäre Niederlassungsbewilligung zu erhalten, habe er am 19. März 2004 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittst. - Ö § 49 Abs. 1 FrG" unter Hinweis auf seine in S geführte Familiengemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin Maria Christine P., die er am 6. März 2004 geheiratet habe, beantragt. Daraufhin sei ihm eine bis zum 28. Februar 2005 gültige Erstniederlassungsbewilligung erteilt worden. In der Folge seien ihm weitere Aufenthaltstitel ausgestellt worden, zuletzt am 22. Februar 2006 eine Niederlassungsbewilligung mit der Gültigkeitsdauer bis zum 21. Februar 2007.

Am 23. Februar 2006 sei bei der belangten Behörde ein Bericht der Polizeiinspektion Mauerkirchen vom 13. Februar 2006 eingelangt, aus dem hervorgegangen sei, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers seit 10. Februar 2006 mit Hauptwohnsitz in 5274 Burgkirchen angemeldet hätte und der Verdacht einer Scheinehe bestünde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe angegeben, jedes Wochenende beim Beschwerdeführer in S zu verbringen. In der Einzimmerwohnung des Beschwerdeführers in S habe im Kleiderkasten nur eine Damenlederjacke und eine Damenhose vorgefunden werden können. Ansonsten sei keine Frauenbekleidung vorhanden gewesen. Im Bad hätten zwei Zahnbürsten und verschiedene Schminksachen gelegen. Weitere Gebrauchsgegenstände seien in der Wohnung nicht vorhanden gewesen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, seine Frau würde nur drei Mal im Monat bei ihm in S schlafen. Ansonsten würde er seine Frau in Burgkirchen besuchen. Bei der Befragung von Nachbarn der Ehefrau habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits seit Monaten nicht mehr im Hause in Burgkirchen gesehen worden sei. Der Schwiegervater des Beschwerdeführers habe angegeben, diesen überhaupt nicht zu kennen. Er hätte erst vor einer Woche von seiner Tochter erfahren, dass diese mit dem Beschwerdeführer verheiratet wäre. Seine Tochter wäre sehr "hilfsbedürftig" und hätte den Ausländer nur geheiratet, um diesem eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe angegeben, diesen nur zum Schein geheiratet zu haben, um ihm eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen. Sie habe ein Scheidungsurteil des Bezirksgerichts Braunau vom 28. April 2006 übergeben, wonach sich der Beschwerdeführer von ihr an diesem Tag in beiderseitigem Einvernehmen habe scheiden lassen.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - habe vorgebracht, es wäre ihm unerklärlich, warum seine frühere Ehefrau mitgeteilt habe, ihn nur zum Schein geheiratet zu haben. Auch wenn sie keinen gemeinsamen ständigen Wohnsitz gehabt hätten, so wäre zumindest die gesamte Freizeit miteinander verbracht worden, und zwar entweder bei seiner Ehefrau in Burgkirchen oder bei ihm in S. Dies könnte auch sein Bekannter Amir O. wohnhaft in Seewalchen bezeugen, dessen Einvernahme er beantrage. Auf Grund der Enge seiner Wohnung in S hätte seine frühere Ehefrau dort nur die nötigsten Dinge zum Bekleiden aufbewahrt. Das Vorhandensein zweier Zahnbürsten und verschiedener Schminksachen würde das Vorliegen einer aufrechten Ehe bestätigen.

Auf Grund der Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers, seines Schwiegervaters und der befragten Nachbaren stehe fest, dass es sich bei der Eheschließung um das Eingehen einer "Scheinehe" gehandelt habe. Auch dass sich der Beschwerdeführer beim Verlängerungsantrag am 22. Februar 2006 noch auf die Ehe berufen habe, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt nur mehr auf dem Papier bestanden habe und kurze Zeit später geschieden worden sei, zeuge von mangelndem Pflichtbewusstsein. Den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers sei schon deshalb mehr Gewicht beizumessen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass derartige Angaben (Eingeständnisse) gegenüber Behörden und deren Organen nicht leichtfertig gemacht würden. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Ehefrau des Beschwerdeführers wahrheitswidrig belasten sollte.

Der Antrag auf Einvernahme des Amir O. sei abzuweisen gewesen, weil es auf diesen Antrag nicht ankomme und das Beweismittel darüber hinaus untauglich sei. Eine außenstehende Person könne wohl kaum über das Vorliegen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK, welches sich in einer Wohn- , Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft äußere, Angaben machen. Selbst wenn der Zeuge O. im Falle einer Befragung ausführen würde, dass sowohl eine Wohnung- als auch eine Wirtschafts- als auch eine Geschlechtsgemeinschaft bestanden hätte, könne dies in Anbetracht der dargestellten Beweislage kein anderes Ergebnis zu Folge haben, werde die dargelegte Schlussfolgerung der Behörde doch von objektiven Beweismitteln getragen, welche glaubwürdiger seien als die Angabe des dem Beschwerdeführer bekannten Zeugen Amir O.

Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und eines geordneten Arbeitsmarktes dar. Er wolle sich mit allen Mitteln den Aufenthalt in Österreich verschaffen und schrecke auch nicht vor dem Missbrauch der Institution der Ehe zurück. Deshalb habe auch nicht mehr mit einer bloßen Ausweisung aus dem Bundesgebiet das Auslangen gefunden werden können, sondern mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorgegangen werden müssen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten, weil das Eingehen einer Ehe lediglich zum Erlangen eines Aufenthaltstitels in Österreich gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht sei und einen krassen Rechtsmissbrauch darstelle. Dem Beschwerdeführer, der einer geregelten Arbeit nachgehe, sei eine der Dauer seines Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen jedoch die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Aus den angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen, zumal weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Berufungsschrift besondere Umstände ersehen werden könnten, die eine Ermessensübung zu seinen Gunsten begründen würden. Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, eine Nichtigerklärung der Ehe sei nicht erfolgt. Schon allein auf Grund der "verfassungsrechtlich gebotenen Bindungswirkung an die Entscheidung des zuständigen Zivilgerichtes, kann von der Verwaltungsbehörde nicht von einer Scheinehe ausgegangen werden."

1.2. Dem ist zu entgegnen, dass nur der Spruch über die Auflösung einer Ehe von der Rechtskraft eines Scheidungsurteils bzw. eines Beschlusses über eine einvernehmliche Scheidung umfasst ist. Die Entscheidung über die Scheidung einer Ehe enthält keine der Rechtskraft fähige Aussage darüber, dass die Voraussetzungen für deren Nichtigerklärung vorliegen oder nicht vorliegen würden. Daher kann aus dem Beschluss über die einvernehmliche Scheidung des Beschwerdeführers des Bezirksgerichts Braunau vom 28. April 2006 nicht abgeleitet werden, dass keine Scheinehe vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2006/18/0404). Ein solcher Schluss kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Staatsanwaltschaft kein Verfahren zur Nichtigerklärung der Ehe eingeleitet hat.

2.1. Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde den Sachverhalt unzureichend ermittelt habe, weil der vom Beschwerdeführer gestellte Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen Amir O. abgelehnt worden sei. Herr O. sei ein guter Freund der ehemaligen Ehefrau und des Beschwerdeführers. Er habe beide oft besucht und oft die Freizeit mit ihnen verbracht. Er wäre sohin sehr wohl in der Lage gewesen, Angaben hinsichtlich einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu machen. Herr O. wäre in der Lage gewesen, konkretere Angaben als die befragten Nachbarn und der Schwiegervater zu tätigen.

2.2. Der Beschwerdeführer hat den Zeugen Amir O. zum Beweis dafür genannt, dass er (der Beschwerdeführer) die gesamte Freizeit gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau verbracht habe, und zwar entweder bei ihr in Burgkirchen oder bei ihm in S. Anders als die belangte Behörde meint kann nicht gesagt werden, dass das vom Beschwerdeführer genannte Beweisthema für die Beurteilung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK von vornherein irrelevant sei. Die Überlegungen der belangten Behörde, dass der Zeuge O. selbst im Fall einer Befragung weniger glaubwürdig gewesen wäre als andere Beweismittel, ist zudem eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Die Unterlassung der Vernehmung dieses Zeugen ist ein relevanter Verfahrensmangel (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2005/18/0567).

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. November 2007

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