VwGH 2007/17/0037

VwGH2007/17/003728.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Waidhofen an der Thaya in Waidhofen an der Thaya, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19 (IZD Tower), gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Jänner 2007, Zl. IVW3-BE-3222001/012-2006, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Parteien: 1. AP und 2. RP, beide in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §4 Z7;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3 idF 8230-5;
BauO NÖ 1996 §4 Z7;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3 idF 8230-5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 3. Jänner 2003 schrieb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Stadtgemeinde den mitbeteiligten Parteien ab dem 1. Jänner 2003 für eine näher bezeichnete Liegenschaft unter Zugrundelegung einer Fläche von 282 m2 gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230, jährliche Kanalbenützungsgebühren in der Höhe von EUR 776,60 vor.

1.2. Mit Schreiben vom 19. Jänner 2005 teilten die mitbeteiligten Parteien dem Stadtamt der beschwerdeführenden Stadtgemeinde mit, dass ihre zweite Wohneinheit (Dachboden) in der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft schon seit längerer Zeit nicht benötigt werde und sie daher diese Wohneinheit abmelden würden.

Am 21. Mai 2005 meldeten die mitbeteiligten Parteien die Fertigstellung des mit Bauanzeige vom 1. Februar 2005 angezeigten Bauvorhabens (Umwidmung des Badezimmers im Dachgeschoß in einen Abstellraum).

1.3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 28. August 2006 wurde der als Antrag auf Herabsetzung der Kanalbenützungsgebühr gewerteten Eingabe der mitbeteiligten Parteien vom 19. Jänner 2005 nicht stattgegeben und der Bescheid betreffend die Kanalbenützungsgebühr vom 3. Jänner 2003 vollinhaltlich bestätigt.

1.4. Die mitbeteiligten Parteien erhoben Berufung.

Mit Bescheid des Stadtrates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 23. Oktober 2006 wurde die Berufung der mitbeteiligten Parteien als unbegründet abgewiesen.

1.5. Die mitbeteiligten Parteien erhoben Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge, behob den Bescheid des Stadtrates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 23. Oktober 2006 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Stadtgemeinde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die mitbeteiligten Parteien Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft seien und dass diese Liegenschaft an den öffentlichen Kanal angeschlossen sei.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2005 hätten die mitbeteiligten Parteien im Wege einer Bauanzeige mitgeteilt, dass der 1994 erfolgte Dachausbau rückgebaut und das dort befindliche Bad abmontiert worden sei und nunmehr als Abstellraum genutzt werde.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2005 sei diese Bauanzeige von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde zur Kenntnis genommen worden.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2005 sei von den mitbeteiligten Parteien die Fertigstellung der angeführten Baumaßnahmen mitgeteilt worden.

Nach detaillierter Darstellung des weiteren Verfahrensganges und eines von den Gemeindebehörden eingeholten Gutachtens, demzufolge die Wiederherstellung des Anschlusses "keinen erheblichen Aufwand" erfordere, wird in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich festgehalten, dass sich das Vorstellungsbegehren im Wesentlichen auf die Frage reduzieren lasse, ob die durch die mitbeteiligten Parteien gesetzten Baumaßnahmen als ausreichend zu betrachten seien, um das bisher angeschlossene Dachgeschoß als nicht mehr angeschlossen betrachten zu können. Denn nur in diesem Fall könne die von den mitbeteiligten Parteien gewünschte Reduktion der Kanalbenützungsgebühren erzielt werden.

Stehe ein Geschoß mit der öffentlichen Kanalanlage in einer Weise in Verbindung, dass auch nur an einer Stelle, gleich in welchem Raum, ein Rohr münde, welches ausschließlich zur öffentlichen Kanalanlage führe, so handle es sich um ein angeschlossenes Geschoß, wobei die Anzahl der Anschlüsse pro Geschoß dabei nicht maßgeblich sei. Aus diesen Überlegungen folge aber, dass das einmündende Rohr auch entsprechend benützt werden können müsse. Wenn die Verbindung zwischen Geschoß und Kanalanlage (durch bauliche Maßnahmen) nicht mehr gegeben sei, liege auch kein angeschlossenes Geschoß vor.

Den Abgabenbehörden der beschwerdeführenden Stadtgemeinde sei zuzugestehen, dass etwa das Verschließen der in einem Geschoß vorhandenen Ablaufrohre mit einer bloßen Kunststoffkappe allein nicht ausreiche, um eine Gebührenreduktion zu bewirken. Dies vor allem deshalb, weil dann ein neuerlicher Anschluss eines Geschoßes mit geringstem Aufwand möglich wäre. Vielmehr sollte nach Auffassung der belangten Behörde der (Wieder-)Anschluss einen gewissen technischen Aufwand erfordern, der aber immer im konkreten Einzelfall zu beurteilen sei.

Daraus folge, dass die Beurteilung der Frage, ob die im gegenständlichen Fall gesetzten Baumaßnahmen als ausreichend zu betrachten seien, um eine Veränderung darzustellen, die gebührenrechtliche Auswirkungen habe, eine Rechtsfrage darstelle. Die Einholung eines bautechnischen Gutachtens sei aus diesem Blickwinkel entbehrlich gewesen.

Darüber hinaus sei festzuhalten, dass der Abgabenbehörde zweiter Instanz der beschwerdeführenden Stadtgemeinde auch ein Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung insofern unterlaufen sei, als diese das eingeholte Gutachten und die dort (unzulässigerweise) getroffenen rechtlichen Feststellungen einfach übernommen habe. Dadurch sei dem Gutachter letztlich die Rolle des Entscheidungsträgers zugefallen, obwohl die rechtliche Entscheidung nur und ausschließlich von der Behörde zu treffen wäre.

Im Übrigen sei auch das Gutachten in sich nicht schlüssig und nachvollziehbar. Zum einen werde als Ergebnis (rechtlich) ausgeführt, dass eine Wiederanordnung der sanitären Einrichtungsgegenstände samt der Herstellung der Ablaufverbindungen und der wasserseitigen Anschlüsse keinen erheblichen Aufwand darstelle. Zum anderen werde aber vom Gutachter ausdrücklich ausgeführt, dass die baulichen Leistungen und die Installationsarbeiten von Facharbeitern innerhalb eines Arbeitstages erbracht werden könnten. Daraus folge aber, dass die Wiederherstellung nicht ohne weiteres möglich sei, gehe doch der Gutachter davon aus, dass zur Wiederherstellung qualifiziertes (Fach-)Wissen beziehungsweise entsprechende Fertigkeiten nötig seien. Andererseits seien nach Ansicht des Gutachters zumindest zwei Facharbeiter (Verwendung des Plurals) notwendig, sodass unter Zugrundelegung eines achtstündigen Arbeitstages mindestens 16 Facharbeiterstunden zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nötig seien. Daraus folge in rechtlicher Hinsicht, dass eine (Wieder-)Benutzung der Abwasserleitungen nur mit erheblichem technischen und zeitlichen Aufwand bewerkstelligt werden könne.

1.6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.7. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Stellungnahme. Die beschwerdeführende Partei replizierte auf die Gegenschrift.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230 in der Fassung der am 11. September 1996 ausgegebenen Novelle LGBl. 8230-5, lauten auszugsweise:

"§ 1a

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

...

6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche;

7. Gebäudeteil: ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

...

§ 5

Kanalbenützungsgebühr

(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre."

2.2. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem in Rede stehenden Dachgeschoß um eine angeschlossene Geschoßfläche im Sinne des NÖ Kanalgesetzes handle, weshalb es in die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr miteinzubeziehen sei.

2.3. Das NÖ KanalG 1977 enthält keine Definition des Begriffes Geschoß. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung grundsätzlich auf den Geschoßbegriff der gleichzeitig mit der Novelle zu § 5 des Kanalgesetzes 1977 erlassenen NÖ Bauordnung abgestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 1999, Zl. 98/17/0329). Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 kommt es primär darauf an, ob ein Geschoß an die Kanalanlage angeschlossen ist. Steht ein Geschoß mit der öffentlichen Kanalanlage solcherart in Verbindung, dass auch nur an einer Stelle, gleich in welchem Raum, ein Rohr mündet, welches schließlich zur öffentlichen Kanalanlage führt, so handelt es sich um ein angeschlossenes Geschoß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2003, Zl. 2003/17/0224).

2.4. Im Beschwerdefall steht nicht die Frage im Vordergrund, welche Teile des Dachgeschoßes als angeschlossen zu gelten haben (auch zu dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. August 1999, Zl. 98/17/0329, Stellung genommen), sondern, ob das Dachgeschoß überhaupt ein im oben dargestellten Sinn angeschlossenes Geschoß ist.

Entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die Ansicht vertrat, dass aufgrund der im angefochtenen Bescheid festgestellten Umbauarbeiten (Demontage des Waschbeckens, Entfernung der WC-Anlagen und Zumauern des Kanalanschlusses) das gegenständliche Geschoß keine unmittelbare Verbindung zum Kanalnetz aufweist und kein Rohr in das in Rede stehende Geschoß mündet. Es kann im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeiten jederzeit wieder "leicht" rückgängig gemacht werden könnten und die vermauerten Rohre daher "de facto" noch nutzbar wären. Auf eine gänzliche Entfernung der Rohre aus dem Mauerwerk kann es für die Beurteilung, ob ein angeschlossenes Geschoß vorliegt, nicht ankommen, zumal dieses Kriterium auch bei der Neuerrichtung eines Gebäudes, bei dem in einem Stockwerk kein Anschluss vorgenommen wird, aber im Mauerwerk die Leitungen vorhanden sein werden, nicht maßgeblich sein kann. Im Lichte der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen sind die von den mitbeteiligten Parteien getätigten Baumaßnahmen vielmehr als ausreichend zu beurteilen.

2.5. Die Argumentation der beschwerdeführenden Stadtgemeinde bezüglich der mangelnden Überprüfbarkeit der durchgeführten Baumaßnahmen hinsichtlich eines allfälligen Rückbaus und Wiederinbetriebnahme der zugemauerten Abflussrohre wird nicht geteilt. Die allfällige Möglichkeit, nach Rückbau der Umbauarbeiten das Dachgeschoß wieder an die Kanalanlage anzuschließen, ändert nichts daran, dass das Dachgeschoß im maßgeblichen Zeitraum nicht an die Kanalanlage angeschlossen war. Die Möglichkeit einer baulichen Umgestaltung besteht bei jedem Bau, sodass das Argument bei jeglicher Abgabenvorschreibung verwendbar wäre. Auch die Frage der Vollziehbarkeit und der Überprüfungsmöglichkeiten stellt sich bei der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr generell, sodass für die von der belangten Behörde angewendete differenzierende Beurteilung gleichsam auf Grund des Verdachts eines gesetzwidrigen Vorgehens in Einzelfällen kein Raum bleibt.

2.6. Die belangte Behörde hat den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt. Die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens erübrigte sich, da der relevante Sachverhalt im Hinblick auf die zu lösenden Rechtsfragen hinreichend geklärt war.

2.7. Daraus ergibt sich, dass es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben und den Berufungsbescheid der beschwerdeführenden Stadtgemeinde mit der Begründung aufgehoben hat, dass die Abgabenbehörden der beschwerdeführenden Stadtgemeinde zu Unrecht die auf das nicht angeschlossene Dachgeschoß entfallenden Flächen der gegenständlichen Liegenschaft in die Bemessungsgrundlage für die Kanalbenützungsgebühr miteinbezogen haben.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Juni 2011

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