Normen
BauO NÖ 1996 §4 Z7;
KanalG NÖ 1977 §1a Z6;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3 idF 8230-5;
BauO NÖ 1996 §4 Z7;
KanalG NÖ 1977 §1a Z6;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3 idF 8230-5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit erstinstanzlichem Abgabenbescheid vom 12. März 1997 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 5 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-0 (im Folgenden: NÖ KanalG 1977), die jährliche Kanalbenützungsgebühr für den Schmutzwasserkanal in Ansehung einer näher bezeichneten Liegenschaft ausgehend von einer Berechnungsfläche von 463 m2 und dem Einheitssatz von S 18,50 mit S 8.566,-- vorgeschrieben.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er insbesondere geltend machte, die Berechnungsfläche sei unrichtig ermittelt worden.
Mit Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. Mai 1997 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtete sich ein Vorlageantrag des Beschwerdeführers.
Die Berufungsbehörde führte am 6. November 1997 eine Verhandlung durch, in deren Zuge die Fläche des Erdgeschoßes des auf der in Rede stehenden Liegenschaft errichteten Hauses mit 279,64 m2 festgestellt wurde. Die Fläche des Dachgeschoßes wurde mit 169,35 m2 ermittelt, wobei die Fläche eines nicht ausgebauten Teiles des Dachbodens, welcher von den ausgebauten Teilen desselben durch eine Türe zugänglich war, nicht mit berücksichtigt wurde.
Demgegenüber wurde in die Geschoßfläche des Dachgeschoßes eine sich über zwei Geschoße erstreckende Halle und der in dieser Halle befindliche Stiegenaufgang miteinbezogen, wobei die Fläche der Halle mit Stiege mit 17,72 m2, die Fläche der Halle ohne Stiege mit 9,69 m2 festgestellt wurde.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. November 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass die jährliche Schmutzwassergebühr bis zur Erlassung eines neuen Bescheides mit S 8.306,-- vorgeschrieben werde. Die Berufungsbehörde ging dabei von einer Berechnungsfläche von 448,99 m2 und einem Einheitssatz von S 18,50 aus. Rechtlich vertrat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Auffassung, die Halle samt Stiegenaufgang, die über zwei Geschoße reiche, sei sowohl in die Berechnungsfläche des Erdgeschoßes, als auch in jene des Dachgeschoßes miteinzubeziehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Februar 1998 wies diese die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Geschoßfläche werde durch die äußersten Begrenzungen einer in einer Ebene liegenden Fläche gebildet. Räume mit einem Niveauunterschied bis zur halben Höhe eines Raumes innerhalb einer Ebene würden zu einem Geschoß gezählt. Die Geschoßfläche ergebe sich durch Multiplikation der größten Länge und der größten Breite eines Geschoßes. Diese ergeben sich durch den äußeren Umriss. Das heiße, dass die Mauerstärke zur Geschoßfläche zähle. Hingegen zählten Balkone oder Terrassen, ebenso wenig wie "nicht existente Flächen", also etwa ein Atrium, zur Geschoßfläche. Im vorliegenden Fall wäre daher die Halle, soweit sie sich über zwei Geschoße erstrecke, jedoch mit Ausnahme des Stiegenaufganges, nicht bei der Ermittlung der Geschoßfläche für die Kanalbenützungsgebühr im Obergeschoß miteinzubeziehen gewesen. Sehr wohl wäre jedoch die Fläche des nicht ausgebauten Dachgeschoßes miteinzubeziehen gewesen. Gemäß § 6 ABGB dürfe einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Sinn beigelegt werden, als welcher aus der eigentlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchte. Demnach seien primär der Wortlaut des Gesetzes und seine Systematik zu berücksichtigen. Andere Erkenntnisquellen betreffend die Absicht des Gesetzgebers seien erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers objektiv zweifelhaft sei. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichne ein Geschoß alle auf gleicher Höhe liegenden Räume eines Gebäudes. Es sei dem NÖ KanalG 1977 nicht zu entnehmen, dass bei der Ermittlung der Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr für die Berücksichtigung eines angeschlossenen Geschoßes dessen Nutzung entscheidend wäre bzw. dass ein Geschoß nur in bestimmter Weise genutzte Räume umfassen würde. Das NÖ KanalG 1977 enthalte dementsprechend auch keine Ausführungen über allenfalls nicht zum Geschoß gehörende Räume. Es sei nicht geregelt, wie solche Räume genutzt werden müssten, damit sie nicht zum Geschoß zu rechnen wären. Es sei nicht geregelt, dass bestimmte bauliche Gestaltungen die Zugehörigkeit eines Raumes zu einem Geschoß ausschließen würden. Hätte der niederösterreichische Landesgesetzgeber andere Grundlagen zur Gebührenbemessung heranziehen wollen, wie etwa die Wohnnutzfläche oder die Fläche der "ausgebauten" Räume, so hätte er dies im NÖ KanalG 1977 derart geregelt. Ein Geschoß umfasse daher unabhängig von der Nutzung, Nutzbarkeit oder baulichen Gestaltung sämtliche Räume einer Ebene, wobei Räume mit einem Niveauunterschied bis zu halben Höhe eines Raumes innerhalb einer Ebene ebenfalls zum Geschoß gezählt würden.
Für den gegenständlichen Fall ergebe sich somit, dass die Halle (ohne Stiegenaufgang) bei der Ermittlung der Geschoßfläche des Obergeschoßes nicht miteinbezogen hätte werden dürfen. Andererseits hätte die Fläche des "nicht ausgebauten" Obergeschoßes in die Berechnung der Geschoßfläche des Obergeschoßes miteinbezogen werden müssen. Damit sei der Beschwerdeführer aber durch den angefochtenen Berufungsbescheid in subjektiven Rechten nicht verletzt, weil die Fläche der Halle mit Ausnahme des Stiegenhauses kleiner sei als die Fläche des nicht ausgebauten Obergeschoßes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, aufgrund des NÖ KanalG 1977 lediglich mit Flächen in die Berechnungsfläche einbezogen zu werden, die
a) in dem Geschoß, in dem sie gerechnet werden sollen, tatsächlich ausgebildet sind,
und
b) keine Dachbodenflächen sind,
verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1a Z. 6 und 7 und § 5 Abs. 1 bis 3 NÖ KanalG 1977 in der Fassung der am 11. September 1996 ausgegebenen Novelle LGBl. 8230-5
lauten:
"§ 1a
Begriffe
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
...
6. Geschoßfläche:
die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche;
7. Gebäudeteil:
ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.
...
§ 5
Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre."
§ 1a Z. 7 und § 5 NÖ KanalG 1977 erhielten ihre hier anzuwendende Fassung durch die Novelle LGBl. 8230-5. In den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle (vgl. Antrag der Abgeordneten Böhm u.a. betreffend Änderung des NÖ KanalG 1977 vom 20. Oktober 1994, Zl. Ltg. 215/A-1/21) heißt es:
"Die flächenbezogene Berechnungsmethode soll dadurch verbessert werden, dass Kellergeschoße nur mit der halben Geschoßfläche, nicht angeschlossene Gebäudeteile gar nicht berechnet werden. Damit wird ein Gleichklang in der Berechnungsmethode zwischen der Ermittlung der Berechnungsfläche zur Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der flächenbezogenen Kanalbenützungsgebühr herbeigeführt. Es war bisher unverständlich, dass beispielsweise eine angebaute Garage oder Lagerhalle zwar bei der Einmündungsabgabe nicht, jedoch bei der Kanalbenützungsgebühr voll berechnet wurde. Angeschlossene Kellergeschoße sollen jedoch nur mit der halben Geschoßfläche berechnet werden. Damit werden die Härten, die sich dadurch ergaben, dass wegen des Anschlusses bloß einer Waschmaschine im Keller das gesamte Geschoß berechnet wurde, entschärft. Weiters soll die bisherige Praxis, dass bei Dachgeschoßen nur der ausgebaute Teil (inklusiver gedeckter Außenmauern) berechnet wurde, im Gesetz seinen Niederschlag finden."
§ 4 Z. 7 der am 11. September 1996 ausgegebenen Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0 (im Folgenden: NÖ BauO 1996), lautet:
"§ 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
...
7. Geschoß: die Gesamtheit der in einer Ebene liegenden Räume eines Gebäudes, auch wenn die Ebene bis zur halben Höhe des Geschoßes versetzt ist;
..."
Strittig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist zunächst die Frage, ob die Fläche des nicht ausgebauten Teiles des Dachgeschoßes in die Berechnungsfläche gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 einzubeziehen war oder nicht.
Wie sich aus den zitierten Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung unzweifelhaft ergibt, lag es in der Absicht des niederösterreichischen Landesgesetzgebers, bei Dachgeschoßen nur den ausgebauten Teil in die Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr einzubeziehen.
Diese gesetzgeberische Absicht erweist sich angesichts der Tatsache, dass - zumindest bei typisierender Betrachtungsweise - das Vorhandensein nicht ausgebauter Flächen von Dachgeschoßen zu keiner zusätzlichen Belastung des Kanalsystems durch Anfall von Abwässern führt, auch als sachlich gerechtfertigt.
Schließlich entspricht es dem Zweck einer Kanalbenützungsgebühr, wenn sich ihre Höhe proportional zu der von einer bestimmten Liegenschaft herrührenden potentiellen Belastung des Kanalsystems durch die Einleitung von Abwässern errechnet. Eine solche Belastung ist aber - wie oben dargelegt - von nicht ausgebauten Dachgeschoßflächen nicht zu erwarten.
Im Hinblick auf die in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachte Absicht des niederösterreichischen Landesgesetzgebers einerseits und die oben dargelegten teleologischen Erwägungen andererseits, verbietet sich die von der belangten Behörde gewählte Interpretation, wonach nicht ausgebaute Teile eines Dachgeschoßes zur Summe der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen im Sinne des § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 zu zählen seien.
Vielmehr erscheint die Interpretation geboten, nicht ausgebaute Teile eines Dachgeschoßes als "nicht angeschlossen" aus der Berechnungsfläche herauszunehmen. Diese vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Interpretation steht nicht im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, sieht das NÖ KanalG 1977 doch keine Definition der "angeschlossenen Geschoßfläche" vor. Die Geschoßfläche im Verständnis der Definition des § 1a Z. 6 NÖ KanalG 1977 kann aus angeschlossenen und nicht angeschlossenen Teilen bestehen.
Die Frage, welche Teile einer Geschoßfläche als angeschlossen und welche als nicht angeschlossen zu gelten haben, ist im Wege der Interpretation unter Berücksichtigung des oben dargelegten Gesetzeszwecks zu ermitteln. Demnach gelten nicht nur die Flächen jener Räume als angeschlossen, die eine unmittelbare Verbindung zum Kanalnetz aufweisen, sondern auch jene, die infolge ihrer Nutzung, etwa zu Wohn-, Schlaf- und Arbeitszwecken, geeignet sind, eine Belastung des Kanalsystems durch erhöhten Abwasseranfall zu verursachen, was bei ausgebauten Teilen eines Geschoßes regelmäßig, bei nicht ausgebauten Teilen eines Dachgeschoßes hingegen nicht der Fall ist.
Indem die belangte Behörde die dargestellte Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Hiedurch wurde der Beschwerdeführer in subjektiven Rechten verletzt, zumal auch seine Auffassung zutrifft, dass die Fläche der durchgehend errichteten Halle sowie die Fläche des in dieser Halle befindlichen Stiegenaufganges der Berechnungsfläche des Obergeschoßes nicht hinzuzurechnen war:
Das NÖ KanalG 1977 enthält keine Definition des Begriffes Geschoß. Wenn in § 5 dieses Gesetzes in der Fassung der am 11. September 1996 ausgegebenen Novelle LGBl. 8230-5 die Rede von "angeschlossenen Geschoßflächen" ist, so liegt es nahe, dass dem Gesetzgeber dieser Novelle der Begriff des Geschoßes, wie er von der ebenfalls am 11. September 1996 ausgegebenen NÖ BauO 1996, LGBl. 8200-0, verstanden wird, vorschwebte. Demnach ist unter einem Geschoß die Gesamtheit der in einer Ebene liegenden Räume eines Gebäudes zu verstehen, auch wenn die Ebene bis zur halben Höhe des Geschoßes versetzt ist. Nach dieser Definition ist aber weder die Fläche der sich über zwei Geschoße erstreckenden Halle selbst, noch die Fläche des in dieser Halle errichteten Stiegenaufganges der Berechnungsfläche des Obergeschoßes zuzurechnen, weil sich auf diesen Flächen keine Räume befinden, die in einer Ebene mit dem Obergeschoß liegen, auch wenn man im Sinne der Definition des § 4 Z. 7 NÖ BauO 1996 hiezu auch solche Räume zu zählen hat, deren Ebenen bis zur halben Geschoßfläche versetzt sind.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. August 1999
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