Spruch:
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 30. Jänner 2007 erhob die Antragstellerin Beschwerde gegen eine nur inhaltlich umschriebene Berufungsentscheidung des "Unabhängigen Verwaltungssenates" und beantragte zugleich die Bewilligung der Verfahrenshilfe.
Nach Bewilligung der Verfahrenshilfe forderte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 4. Juni 2007 auf, binnen einer Frist von sechs Wochen näher bezeichnete Mängel der Beschwerde zu beheben und drei weitere Ausfertigungen der Beschwerde (für die belangte Behörde, für den Bundesminister für Finanzen sowie für den Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend) beizubringen. Dabei wurde die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zurückgestellte Beschwerde auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingereicht werden sollte. Dessen ungeachtet schloss die Beschwerdeführerin ihrem Verbesserungsschriftsatz vom 1. August 2007 die unverbesserte Beschwerde und die erforderlichen weiteren Ausfertigungen derselben nicht an, sodass der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 24. September 2007, Zl. 2007/15/0047-9, einstellte.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der ihr beigegebene Verfahrenshelfer und der bei diesem tätige Rechtsanwaltsanwärter MMag. V. hätten sich entschlossen, nicht nur einzelne Elemente des ursprünglichen Schriftsatzes zu verbessern, sondern aus Gründen der Übersichtlichkeit einen vollkommen eigenständigen - den Formvorschriften entsprechenden - Beschwerdeschriftsatz einzubringen. MMag. V. habe den verbesserten Schriftsatz in vierfacher Ausfertigung ausgedruckt und diesem ebenfalls in vierfacher Ausfertigung ein Beilagenkonvolut, bestehend aus dem angefochtenen Bescheid, der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde und dem Bescheid der Rechtsanwaltskammer betreffend Vertreterbestellung, angefügt.
In der Folge habe der Verfahrenshelfer den Schriftsatz samt Beilagenkonvolut auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft, alle vier Ausfertigungen unterfertigt und MMag. V. übergeben. Tags darauf habe MMag. V. die Abfertigung des Schriftstückes vorgenommen. Diese Tätigkeit zähle zwar nicht zu seinem gewöhnlichen Tätigkeitsbereich, doch sei seine Mitwirkung bei der Postaufgabe an diesem Tag, dem 2. August 2007, erforderlich gewesen, weil die langjährige Kanzleimitarbeiterin am 31. Juli 2007 aus der Kanzlei ausgeschieden sei und bis zur Einschulung einer Nachfolgerin auch der Rechtsanwaltsanwärter zu Verwaltungstätigkeiten habe herangezogen werden müssen.
MMag. V. sei beim Abfertigen und Kuvertieren der Postsendung der vom Verwaltungsgerichtshof gerügte Fehler unterlaufen. Da das zur Übermittlung an den Verwaltungsgerichtshof vorgesehen Beilagenkonvolut auf der ersten Seite ebenfalls den angefochtenen letztinstanzlichen Bescheid umfasst habe, habe MMag. V. dieses Beilagenkonvolut mit "zufällig ebenfalls im Handakt befindlichen, mehreren weiteren angefertigten Kopien bloß des letzten Bescheides" verwechselt. Dies habe zur Folge gehabt, dass neben dem verbesserten Beschwerdeschriftsatz letztlich nicht das vorgesehene Beilagenkonvolut, sondern bloß mehrere Exemplare des angefochtenen Bescheides übersendet worden seien.
Der Fehler sei auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen, weil einerseits die Postabfertigung nicht zum gewöhnlichen Aufgabenkreis des Mitarbeiters gehört habe und andererseits der Fehler durch die Verwechslung von einander sehr ähnlichen Beilagen - die auf ihrer jeweils ersten Seite identisch gewesen seien - entstanden sei. MMag. V. sei bereits mehr als ein Jahr in der Kanzlei des Verfahrenshelfers als Rechtsanwaltsanwärter tätig, derartige Fehlleistungen seien zuvor nie vorgekommen. Überhaupt sei in der Kanzlei des Verfahrenshelfers ein vergleichbarer Fehler bei der Postabfertigung noch nie aufgetreten. Der Verfahrenshelfer habe nunmehr den Ablauf der Postabfertigung einer kritischen Würdigung unterzogen und seinen Mitarbeiter nochmals auf die "Formvorschriften" hingewiesen. "Zur dauerhaften Minimierung des Auftretens vergleichbarer Fehler" sehe der Verfahrenshelfer nunmehr vor, auf der Titelseite der Schriftsätze nicht mehr bloß "Beilage" oder "x Beilagen" zu verzeichnen, sondern diese einzeln aufzuzählen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd §§ 1324, 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Zudem muss der Vertreter seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sicher gestellt ist (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0157).
In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Beschwerdeführer oder sein Vertreter verhalten, sowohl die Rechtzeitigkeit als auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung der Beschwerde sein Augenmerk u.a. auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die diesem anzuschließenden Beilagen vermerkt sind (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2006, 2006/15/0109)
Im vorliegenden Fall trägt der vom Vertreter unterfertigte "verbesserte Schriftsatz einer Bescheidbeschwerde" vom 1. August 2007 auf seiner ersten Seite folgenden Hinweis auf Beilagen: "4-fach, 1 HS, 1 Beilage".
Wie das im Wiedereinsetzungsantrag angesprochene, dem Ergänzungsschriftsatz bei der Unterfertigung noch angeschlossene "Beilagenkonvolut" (bestehend aus dem angefochtenen Bescheid, der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde und dem Bescheid der Rechtsanwaltskammer betreffend die Vertreterbestellung) diesem Beilagenvermerk subsumiert werden könnte, ist nicht nachvollziehbar. Zu Recht räumt der Vertreter im Wiedereinsetzungsantrag selbst ein, dass ein lediglich allgemein gehaltener Beilagenvermerk das Auftreten von Fehlern bei der Abfertigung der Schriftstücke begünstigt. Durch eine solche Beilagenverfügung wird - auch für den Fall, dass die geforderten Beilagen dem Mängelbehebungsschriftsatz bei dessen Unterfertigung wie behauptet angeschlossen gewesen waren - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, weil dem abzufertigenden Schriftsatz selbst nicht zu entnehmen ist, welche Schriftstücke tatsächlich mitübersandt werden sollen. Eine derartige Vorgangsweise lässt das Vorliegen einer Kanzleiorganisation, wie sie für berufsmäßige Parteienvertreter gefordert ist, um Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen, selbst dann nicht erkennen, wenn erfahrenes Kanzleipersonal mit der Abfertigung von Schriftstücken betraut ist. Ein solcher Organisationsmangel wiegt um so schwerer, wenn wie im vorliegenden Fall entsprechend geschultes Personal gar nicht vorhanden ist und zudem offenbar auch keine strikte Trennung zwischen Postausgangsmappe und Handakt besteht.
Unter den geschilderten Umständen ist es dem Beschwerdevertreter als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er bei Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung richtig zu stellen (vgl. mit weiteren Nachweisen den hg. Beschluss vom 23. April 2002, 2002/14/0041, sowie den eine ähnliche Fallkonstellation betreffenden hg. Beschluss vom 7. August 2001, 2001/14/0140). Dieses Verschulden des Rechtsanwaltes ist nach dem oben Gesagten dem Verschulden der Antragstellerin selbst gleichzuhalten.
Aus den dargelegten Erwägungen war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist nicht stattzugeben.
Wien, am 20. Februar 2008
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