VwGH 2000/15/0157

VwGH2000/15/015731.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über den Antrag des A in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorferstraße 10-12, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln des mit Beschluss vom 3. August 2000, 2000/15/0068, eingestellten Verfahrens, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46;
VwGG §46;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluss vom 3. August 2000, 2000/15/0068, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. November 1998, RV/354-17/13/97, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 1993 und 1994 mit der Begründung ein, der Antragsteller habe auf Grund des ihm erteilten Mängelbehebungsauftrages zwar einen ergänzenden Schriftsatz, nicht jedoch die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde sowie den angefochtenen Bescheid, die beide zurückgestellt worden seien, vorgelegt. Da der Mängelbehebungsauftrag somit nur teilweise erfüllt worden sei, gelte die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG als zurückgezogen.

Im innerhalb offener Frist gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (idF nur: Antrag) führt der Antragsteller aus, er habe aus dem am 30. August 2000 zugestellten hg Beschluss vom 3. August 2000 erfahren, dass entgegen dem Mängelbehebungsauftrag dem ergänzenden Schriftsatz die beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde sowie der angefochtene Bescheid (idF: zurückgestellte Schriftstücke) nicht angeschlossen gewesen seien. Nachforschungen im Handakt seines Rechtsanwaltes hätten ergeben, dass die zurückgestellten Schriftstücke nicht mehr vorhanden seien. Es habe sodann unter Mitwirkung seines Rechtsanwaltes und der bei ihm beschäftigten Kanzleikräfte festgestellt werden können, die zurückgestellten Schriftstücke seien zunächst von Frau CK übernommen worden, die seinen Rechtsanwalt darauf aufmerksam gemacht habe, dass die zurückgestellten Schriftstücke anlässlich der Einbringung des ergänzenden Schriftsatzes wieder zu retournieren wären. Sein Rechtsanwalt habe daraufhin angeordnet, auf dem Aktendeckel mit roter Schrift zu vermerken, "Urkunden VfGH B + Berufungsentsch. d. VwGH Wiedervorl.!". Anlässlich des Diktats des ergänzenden Schriftsatzes habe sein Rechtsanwalt seine persönliche Sekretärin, Frau BM, angewiesen, die zurückgestellten Schriftstücke mit dem ergänzenden Schriftsatz zur Abfertigung vorzubereiten, und ihm sodann die Reinschrift des ergänzenden Schriftsatzes samt den zurückgestellten Schriftstücken zwecks Unterfertigung wieder vorzulegen. Sein Rechtsanwalt habe anlässlich der Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes festgestellt, dass Frau BM seiner Anweisung entsprochen habe. Das gesamte Konvolut sei daraufhin in die Auslaufmappe gelegt und von Frau MP abgefertigt worden. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen müssten sich die zurückgestellten Schriftstücke während der Abfertigung "verschloffen" haben. Frau MP, die seit fünf Jahren die Post abfertige, wobei ihr hiebei noch nie ein Fehler unterlaufen sei, könne sich nicht erinnern, wo die zurückgestellten Schriftstücke geblieben sein könnten.

Sowohl der Rechtsanwalt als auch Frau CK und Frau BM bestätigen die Richtigkeit der eben dargestellten Ausführungen. Als Bescheinigungsmittel für die Richtigkeit seiner Behauptungen verweist der Antragsteller auf die beiliegende Kopie des Aktendeckels. Abschließend vertritt der Antragsteller die Ansicht, das ihm zurechenbare Versehen beruhe auf einem minderen Grad des Verschuldens, weswegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei.

Wie im Rubrum des Antrages ausgeführt, legte der Antragsteller den Antrag dreifach samt einer Halbschrift sowie Beilagen (ergänzender Schriftsatz dreifach, Ablichtung der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde dreifach, angefochtener Bescheid), die überdies im Antrag dezidiert angeführt sind, vor.

Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluss vom 17. Dezember 1993, 93/15/0202, 0203, mwA), gibt ein dem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Rechtsanwalt dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Rechtsanwalt verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Nun hat jedoch der Antragsteller keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, ob und in welcher Weise sein Rechtsanwalt seine Kanzleikräfte kontrolliert bzw in welcher Weise er der ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen ist. Insbesondere hat der Antragsteller nicht aufgezeigt, durch welche Kontrollen sichergestellt wird, dass abzufertigende Schriftstücke tatsächlich in die Auslaufmappe gelegt werden.

Dem Rechtsanwalt des Antragstellers fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln zur Last, das einen minderen Grad des Versehens gemäß § 46 Abs 1 VwGG übersteigt, weswegen dem Antrag schon aus diesem Grund nicht stattzugeben war.

Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt es überdies in freier Beweiswürdigung zu entscheiden, ob ein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht worden ist. Die im Antrag als Bescheinigungsmittel angekündigte Kopie des Aktendeckels ist dem Antrag nicht beigelegt. Ungeachtet der Bestätigungen über die Richtigkeit des im Antrag dargestellten Sachverhaltes durch seinen Rechtsanwalt sowie Frau CK und Frau BM gelangt der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen zu dem Schluss, dass kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht worden ist:

Im Antrag ist im Rubrum vermerkt, "3-fach, 1 HS, Beilagen". Dementsprechend wurden dem Verwaltungsgerichtshof der Antrag dreifach samt einer Halbschrift, der ergänzende Schriftsatz dreifach, die Ablichtung der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde dreifach und der angefochtene Bescheid vorgelegt, wobei die Beilagen im Antrag dezidiert angeführt sind. Auf dem ergänzenden Schriftsatz ist im Rubrum vermerkt, "3-fach, 1 HS". Dementsprechend wurde dem Verwaltungsgerichtshof (nur) der ergänzende Schriftsatz dreifach samt einer Halbschrift vorgelegt. Es wurde somit stets jenes Konvolut abgefertigt, das im Rubrum des jeweiligen Schriftstückes vermerkt ist, was auch der forensischen Erfahrung entspricht. Die Behauptung des Antragstellers, sein Rechtsanwalt habe anlässlich der Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes festgestellt, dass Frau BM seiner Anweisung, die zurückgestellten Schriftstücke dem ergänzenden Schriftsatz anzuschließen, entsprochen habe, ist mit dem Vermerk im Rubrum nicht in Einklang zu bringen. Denn bei einer auch nur flüchtigen Kontrolle des ergänzenden Schriftsatzes hätte der Rechtsanwalt des Antragstellers bemerken müssen, dass in dessen Rubrum keine Beilagen vermerkt sind. Er hätte daher den ergänzenden Schriftsatz nicht unterfertigen und damit nicht genehmigen dürfen, weil er damit hätte rechnen müssen, dass nur jenes Konvolut abgefertigt werden werde, das auf dem Rubrum vermerkt ist. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass entgegen den Ausführungen im Antrag der Rechtsanwalt des Antragstellers anlässlich des Diktates des ergänzenden Schriftsatzes Frau BM nicht angewiesen hat, die zurückgestellten Schriftstücke mit dem ergänzenden Schriftsatz zur Abfertigung vorzubereiten, weswegen die zurückgestellten Schriftstücke auch nicht in die Auslaufmappe gelegt worden sind. Die zurückgestellten Schriftstücke konnten daher von Frau MP auch nicht abgefertigt werden.

Der als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Sachverhalt ist somit nicht bescheinigt, weswegen auch aus diesem Grund dem Antrag nicht stattzugeben war.

Wien, am 31. Oktober 2000

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