VwGH 2007/07/0168

VwGH2007/07/016830.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des Mag. B D und 2. der Mag. K D, beide in U, beide vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Döllacherstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Oktober 2007, Zl. Wa-105253/2-2007-Lab/Pi, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung in einer Angelegenheit nach dem WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft U, vertreten durch den Obmann, dieser vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 4600 Wels, Bauernstraße 9), zu Recht erkannt:

Normen

VVG §3 Abs2;
WRG 1959 §77 Abs3 liti;
WRG 1959 §78;
WRG 1959 §80 Abs1;
WRG 1959 §84;
WRG 1959 §85 Abs1;
WRG 1959 §85;
VVG §3 Abs2;
WRG 1959 §77 Abs3 liti;
WRG 1959 §78;
WRG 1959 §80 Abs1;
WRG 1959 §84;
WRG 1959 §85 Abs1;
WRG 1959 §85;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Mitglieder der Wassergenossenschaft U. (mitbeteiligte Partei).

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft V. (kurz: BH) als Wasserrechtbehörde erster Instanz vom 25. Juni 2007 wurde der Antrag der Beschwerdeführer vom 1. Dezember 2006 auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wegen Unzuständigkeit gemäß § 6 AVG zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung sei auf Grund eines von der mitbeteiligten Wassergenossenschaft erlassenen Rückstandsausweises wegen ausständiger Genossenschaftsgebühren (Schwimmbadpauschale aus den Jahren 2003 - 2006) eingebracht worden. Da die Erlassung von Rückstandsausweisen in die Zuständigkeit der jeweiligen Genossenschaft falle, ergebe sich für die Verwaltungsbehörde in erster Instanz auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung, wie dies von den Beschwerdeführern in deren Eingabe vom 1. Dezember 2006 vorgebracht worden sei. Tatsächlich sei bei der BH weder ein Antrag auf Ausstellung eines Rückstandsausweises noch ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung gestellt worden, weshalb auch keine sachliche· Zuständigkeit zur Aufhebung einer von einer Wassergenossenschaft erlassenen Vollstreckbarkeitsbestätigung vorliegen könne und eindeutig feststehe, dass im Falle der Ausstellung eines Rückstandsausweises durch eine Wassergenossenschaft die Einwendungen bei dieser zu erheben seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Oktober 2007 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Vollstreckbarkeitsbestätigung bilde einen Exekutionstitel, gegen den die Verpflichteten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Einwendungen erheben könnten. Allerdings seien diese im Sinne des § 35 EO bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen sei. Da die Vollsteckbarkeitsbestätigung von der mitbeteiligten Wassergenossenschaft ausgestellt worden sei, seien gemäß § 3 Abs. 2 VVG Einwendungen bei dieser anzubringen.

Auch bei Einwendungen gegen Rückstandsausweise und bei Anträgen auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung, die aus Anlass der Nichtentrichtung von Schwimmbadpauschalen entstünden, sei zuerst eine Schlichtung durch das zuständige Organ der Wassergenossenschaft zu versuchen. Die Veranlassung eines Streitschlichtungsverfahrens sei also eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Zuständigkeitsregelung gemäß § 85 Abs. 1 WRG 1959 zur Geltung gelange.

Ausschließlich dann, wenn dieser Streitschlichtungsversuch ins Leere gehe, ab dem Zeitpunkt also, wenn eine Schlichtung erfolglos gewesen sei, greife § 22 Abs. 3 der Satzung der mitbeteiligten Wassergenossenschaft, wonach richtigerweise auch die Möglichkeit der Einschaltung der Wasserrechtsbehörde einen "Ausspruch des Schiedsgerichts" voraussetze.

Die Tatsache, dass von einer Schlichtungsmöglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - nicht Gebrauch gemacht worden sei, sei unbestritten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Wassergenossenschaft - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitigkeiten zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i leg. cit. beigelegt werden.

Nach § 77 Abs. 3 lit. i WRG 1959 haben die Satzungen einer Wassergenossenschaft Bestimmungen zu enthalten über die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten.

Die Satzungen der mitbeteiligten Wassergenossenschaft sehen

hinsichtlich der Streitschlichtung Folgendes vor:

"§ 22

Schlichtung von Streitigkeiten

1) Über die Streitigkeiten die zwischen Mitgliedern untereinander oder zwischen diesen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstehen, entscheidet ein Schiedsgericht.

Gegen Entscheidungen und Verfügungen (Beschlüsse) der Genossenschaftsorgane einschließlich von Wahlen können die betroffenen Genossenschaftsmitglieder oder die Genossenschaft durch den Ausschuss binnen Monatsfrist schriftlich beim Obmann die Einberufung eines Schiedsgerichtes zur Entscheidung über die Streitigkeit verlangen.

In dieses Schiedsgericht wählt jeder Streitteil einen Vertrauensmann. Ein von der Genossenschaft zu entsendender Vertrauensmann wird vom Ausschuss gewählt. Die beiden Vertrauensmänner bestimmen einen Dritten als Obmann. Die Mitglieder des Schiedsgerichtes müssen der Wassergenossenschaft nicht angehören.

Das Schiedsgericht hat eine gütliche Regelung anzustreben und falls dies nicht gelingt, einen Schiedsspruch schriftlich zu fällen. Die Entscheidung des Schiedsgerichtes ergeht mit einfacher Stimmenmehrheit.

2) Das Schiedsgericht ist binnen Monatsfrist namhaft

zu machen und dieses hat dann innerhalb von 6 Monaten eine

Entscheidung zu treffen.

Sollte eine dieser Fristen überschritten werden, so liegt ein

erfolgloser Schlichtungsversuch vor.

3) Wenn sich ein Streitteil dem Ausspruch des

Schiedsgerichtes nicht unterwirft oder bei erfolglosem Schlichtungsversuch, steht es jedem Streitteil frei, die Angelegenheit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung vorzulegen."

Verfahrensgegenstand des vorliegenden Beschwerdefalles ist der mit Schreiben vom 1. Dezember 2006 an die BH gestellte "Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung" sowie der "Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens der Forderung", der im Schreiben vom 11. Mai 2007 wiederholt wurde.

Eine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung über diese Anträge ist im vorliegenden Fall aber aus nachstehenden Gründen nicht gegeben:

Die mitbeteiligte Wassergenossenschaft bediente sich bei der Vorschreibung der Wassergebühr an die Beschwerdeführer des Mittels des Rückstandsausweises (§ 84 WRG 1959). Rückstandsausweise dienen der Eintreibung ausständiger Genossenschaftsbeiträge, somit von Beiträgen, die ihre Grundlage im Genossenschaftsverhältnis selbst haben. Daraus folgt, dass Streitigkeiten über den Inhalt eines Rückstandsausweises Streitsachen aus dem Genossenschaftsverhältnis sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 2000/07/0262).

Differenzen hinsichtlich der verfahrensgegenständlich zu Grunde liegenden Bereitstellungsgebühr für Schwimmbäder sind Streitigkeiten, die das das Verhältnis zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern betreffen. Bei Vorliegen solcher Streitigkeiten ist das nach § 22 Abs. 1 der Satzung eingerichtete Schiedsgericht anzurufen, eine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde nach § 85 Abs. 1 WRG 1959 ergibt sich diesfalls erst bei ergebnislosem Verlauf der Schlichtungsverhandlungen (§ 22 Abs. 3 der Satzung).

Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis sind nach § 3 Abs. 2 letzter Satz VVG bei der Stelle einzubringen, von der der Exekutionstitel (hier: der Rückstandsausweis) ausgegangen ist. Der Rückstandsausweis wurde von der mitbeteiligten Wassergenossenschaft ausgestellt, richtigerweise wären die Einwendungen daher bei der mitbeteiligten Wassergenossenschaft zu erheben gewesen, welche - wie oben dargestellt - zuerst das Streitschlichtungsverfahren durchzuführen gehabt hätte; erst danach wäre die Anrufung der Wasserrechtsbehörde zulässig (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Februar 1982, Zlen. 82/07/0003,0004, sowie das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030).

Insoweit die Beschwerdeführer der Ansicht sind, es sei verfahrensgegenständlich von einem Scheitern der "Schlichtungsversuche" auszugehen gewesen, verkennen sie die Rechtslage. Nach dem Akteninhalt wurde - wie noch zu zeigen sein wird - entgegen dem Beschwerdevorbringen von einer Streitschlichtungsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht:

Die Beschwerdeführer bringen in ihrer Beschwerde zunächst vor, die Ablehnung des anlässlich der Mitgliederversammlung am 28. April 2004 gestellten Antrages des Erstbeschwerdeführers auf Änderung der Gebührenordnung komme dem Scheitern eines Schlichtungsversuches gleich. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, zielte der genannte Antrag doch eindeutig auf eine Änderung der Gebührenordnung ab und nicht auf die Einberufung eines Schiedsgerichtes zur Entscheidung über die verfahrensgegenständlich zu Grunde liegende Streitigkeit. Anhaltspunkte, dass diesem Antrag (im Falle seiner Ablehnung) die Bedeutung eines solchen (schriftlichen) Antrages zukommen solle, sind nicht ersichtlich.

Ebenfalls nicht zielführend sind die - im Übrigen nicht näher präzisierten - behaupteten persönlichen Kontaktaufnahmen mit dem Obmann der mitbeteiligten Wassergenossenschaft. Anhaltspunkte dafür, dass anlässlich einer solchen Kontaktaufnahme ein (schriftlicher) Antrag auf Einberufung eines Schiedsgerichtes zur Entscheidung über die verfahrensgegenständlich zu Grunde liegende Streitigkeit gestellt worden sei, sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und es wird dies auch in der Beschwerde nicht behauptet. Ein weiteres Eingehen auf diese im Übrigen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Wassergenossenschaft bestrittenen persönlichen Kontaktaufnahmen erübrigt sich.

Schließlich geht auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, dass auf Grund der seit dem ersten "Streitschlichtungsversuch" (offenbar gemeint: die Mitgliederversammlung am 28. April 2004) verstrichenen Zeit von rund 2,5 Jahren sowohl seitens der Beschwerdeführer als auch seitens der mitbeteiligten Wassergenossenschaft von einem Scheitern einer Streitschlichtung im Rahmen der Organisationsnormen der mitbeteiligten Wassergenossenschaft auszugehen war, ins Leere. Davon, dass eine Streitbeilegung im Wege der Schlichtung nicht gelungen ist, kann nur dann gesprochen werden, wenn ein darauf abzielender Versuch unternommen worden ist, also von der in der Satzung verankerten Streitschlichtungsregelung Gebrauch gemacht worden ist.

Nach dem Akteninhalt wurde von einer Schlichtungsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht. Wenn aber - aus welchen Gründen immer - von einer solchen in der Satzung vorgesehenen Streitschlichtungsregelung nicht Gebrauch gemacht wird, so mangelt es der Wasserrechtsbehörde an einer Zuständigkeit im Sinne des § 85 Abs. 1 WRG 1959, denn diese Bestimmung kann nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur so verstanden werden, dass die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde an die Voraussetzung des Misslingens der Beilegung eines Streitfalles im Wege einer Schlichtung geknüpft ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1990, Zl. 89/07/0173, m.w.N., sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. März 2002).

Eine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung über die Einwendungen gegen den Rückstandsausweis war daher nicht gegeben.

Es liegt auch keine Verletzung der Verpflichtung der Behörde, die verfahrensgegenständlichen Anträge im Sinne des § 6 AVG an die zuständige Stelle (mitbeteiligte Wassergenossenschaft) weiterzuleiten, vor. Die Beschwerdeführer wiederholten in ihrer Äußerung vom 11. Mai 2007 ihre im verfahrenseinleitenden Schreiben vom 1. Dezember 2006 gestellten Anträge auf Entscheidung dieser durch die BH, obwohl die BH mit Schreiben vom 2. Mai 2007 diesen eine "Ablehnung" ihrer Anträge in Aussicht gestellt hat. In der Abweisung der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid der BH kann eine Rechtswidrigkeit nicht erkannt werden, konnte doch die Behörde zu Recht davon ausgehen, dass die Beschwerdeführer durch Wiederholung ihrer Anträge auf einer Zuständigkeit der BH beharrten.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 30. Juni 2011

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