VwGH 2007/06/0155

VwGH2007/06/015527.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Dr. M B in St. L, vertreten durch Baier Böhm Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Europäische und Internationale Angelegenheiten vom 23. April 2007, Zl. BMeiA-US 6.27.91/104-VI.2/2007, betreffend die Festsetzung der Kaufkraftausgleichszulage, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GehG 1956 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GehG 1956 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zlen. 2006/06/0195 und 0196, zu entnehmen.

Hieraus ist festzuhalten:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Die beschwerdegegenständlichen Ansprüche beziehen sich auf das aktive Dienstverhältnis des Beschwerdeführers; er versah seinen Dienst am österreichischen Generalkonsulat in XY.

Im Beschwerdefall geht es um die dem Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004 gebührende Kaufkraftausgleichszulage (§ 21 GehG in der bis Ende 2004 geltenden Fassung (aF); der Zeitraum Jänner 2005 ist Gegenstand einer gesonderten Beschwerde), wobei insbesondere (das ist der Kern des Streites) strittig ist, welcher Paritätswert zugrundezulegen ist (der Paritätswert, meist kurz Parität genannt, drückt das Verhältnis der Kaufkraftunterschiede zwischen dem Inland = 100 und dem ausländischen Dienstort aus). Wie sich aus den Akten ergibt, wurde bis Ende des Jahres 2004 der Ermittlung dieser Paritätswerte von der belangten Behörde (im Übrigen auch vom Bundeskanzleramt) eine Methode (ein System) der "Statistik Austria" (Bundesanstalt Statistik Österreich, zuvor Österreichisches Statistisches Zentralamt, kurz: ÖSTAT) zugrundegelegt, wobei die Preiserhebungen von den österreichischen Vertretungsbehörden (vor Ort) durchgeführt wurden. Seit 1. Jänner 2005 erfolgt die Ermittlung dieser Paritätswerte auf Grundlage einer vom international tätigen Unternehmen (mit Sitz in der Schweiz) MERCER Human Resource Consulting (kurz: Mercer) entwickelten und zum "Austrian Government Index" (AGI) adaptierten Methode, wobei das Unternehmen Mercer auch mit den laufenden Preiserhebungen zur Erfassung der Veränderungen der Paritätswerte betraut ist.

Mit Dienstrechtsmandat der belangten Behörde vom 5. November 2004 wurde die dem Beschwerdeführer gebührende Kaufkraftausgleichszulage (KAZ) für den Monat November 2004 betragsmäßig festgesetzt, ausgehend von einem Paritätswert von 105, mit weiterem Dienstrechtsmandat vom 4. Jänner 2005 mit Null, ausgehend von einem Paritätswert von 100. Der Beschwerdeführer erhob dagegen (unbestritten rechtzeitige) Vorstellungen und machte geltend, die angenommenen Paritätswerte seien viel zu gering, weil sich aus der letzten Preiserhebung weit höhere Paritätswerte ergeben. Weiters beantragte er, die ihm gebührende KAZ ab 1. Juli 2004 auf Grundlage des Ergebnisses der Preiserhebung 2003 bescheidmäßig "zuzuerkennen" (Hintergrund des Streites sind, wie den Akten zu entnehmen ist, unterschiedliche Auffassungen über die Richtigkeit der Ergebnisse dieser Preiserhebung, die von der Statistik Österreich als nicht plausibel erachtet und demnach nicht anerkannt wurden).

Im Verwaltungsverfahren kam es zu einem umfangreichen Schriftverkehr zwischen der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer. Die belangte Behörde bezog sich darin auch auf ein Gedächtnisprotokoll über ein im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten am 9. Juni 2004 durchgeführte Besprechung zwischen drei Vertretern der belangten Behörde, einem Vertreter des Bundeskanzleramtes und zwei Vertretern der Statistik Österreich, worüber ein "Gedächtnisprotokoll" aufgenommen wurde. Das Datum 9. Juni 2004 ergibt sich nicht aus diesem Gedächtnisprotokoll, sondern dem Schriftverkehr in den Akten, ist aber unstrittig; wer dieses Gedächtnisprotokoll aufgenommen hat, ist unklar, ein vollständiges Exemplar in den Verwaltungsakten ist auf einem "Kopfpapier" der Statistik Österreich verfasst; unterschrieben ist es nicht. Die belangte Behörde hat im Schriftverkehr mit dem Beschwerdeführer mit einem Auszug aus diesem Gedächtnisprotokoll argumentiert, in welchem nämlich auch verschiedene Punkte enthalten sind, die sich nicht auf die strittige Problematik beziehen. Sofern im Folgenden demnach vom Gedächtnisprotokoll die Rede ist, bezieht sich dies auf diesen Auszug.

In diesem Auszug heißt es:

" Ad 3) Spezialfall: US-amerikanische DO (Chicago, Los Angeles, New York, Washington)

Zu diesem Thema gab es bereits im Vorfeld dieser Besprechung laufend Telefonate und Schriftverkehr. Nach äußerst sorgsamer Validierung konnte nur für Washington ein plausibles Ergebnis errechnet werden. Für die anderen 3 ergaben die Kalkulationen trotz mehrfacher intensiver Prüfschritte keine plausiblen Ergebnisse, unter die ST.AT die Unterschrift setzten kann. Auf Ersuchen des BMaA wurden zusätzlich Proberechnungen (siehe entsprechende Excel-Tabelle) mit Preisen aus der MERCER-Studie angefertigt, die für Washington und Chicago ein Ergebnis unter 90 erbrachten. Dies deckt sich auch mit den Zahlen (landesweit) aus den OECD-Studien. (Fußnote zu 'MERCER-Studie': Daten wurden uns vom BMaA zur Verfügung gestellt. Gewählt wurden Preise aus der mittleren Kategorie. Preise wurden in die PAD-Eingabemaske importiert und nach dem PAD-Gewichtungsschema kalkuliert. Kein Vergleich also möglich mit den Ergebnistabellen von Mercer. Fußnote zu 'OECD-Studien': Das Endergebnis Washingtons von 104 (- 2) reflektiert gegenüber den multilateralen OECD-Zahlen sicherlich den sog. Laspeyres-Effekt.)

Gründe für die massive Überschätzung der Preissituation in diesen DO liegen aus unserer Sicht einerseits in der Wahl des Geschäftstyps (Stichwort: Supermarkt vs. Delikatessenladen bzw. Boutique) und andererseits in der konkreten Auswahl der Produkte selbst (Stichwort: Int. Markenprodukt vs. allgemeine Beschreibung; siehe auch allgm. Bemerkungen zur Erhebung). Des weiteren ergaben sich in gewichtigen Produktgruppen, wie z.B. Energiepreise (z.B. XY: Referenz: Wohnung des Generalkonsuls), Kraftstoffe (L.A.) od. Telekommunikation (NYC, CHG und LAN) nicht nachvollziehbare Preismeldungen, die das Gesamtergebnis weiter stark verzerrten. Von Extremmeldungen bzw. Ausreißerpositionen bei einzelnen Produkten ganz abgesehen. Aus einer Gegenüberstellung der Einzelpositionen (siehe Annex) ist auch klar ein Trend zu erkennen: vor allem in den gewichtigen Warengruppen liegt Washington deutlich unter den übrigen DO - ein derartiges Preisgefälle innerhalb der beobachteten Städte innerhalb der USA ist aber keinesfalls plausibel. Dies lässt zwei Rückschlüsse zu:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 21 GehG wurden bereits im eingangs genannten Vor-Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zlen. 2006/06/0195 und 0196, wiedergegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem (auch vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bezogenen) hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 99/12/0037, dargelegt, dass die (auch im Beschwerdefall) angewendete Methode der Statistik Österreich (damals österreichisches statistisches Zentralamt - ÖSTAT) eine taugliche Methode der Ermittlung der Paritätswerte ist. Der Beschwerdefall gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch nicht die Tauglichkeit der Methode an sich bestritten, sondern sinngemäß die Berücksichtigung unzutreffender Annahmen und Daten.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene, geradezu zentrale These, das Fachurteil der Statistik Österreich sei von ihr zur Kenntnis zu nehmen gewesen und sie habe "weder eine rechtliche noch auch eine fachliche Befugnis (...) ihre Arbeit fachlich zu überprüfen", ist unrichtig. Es gelten für die belangte Behörde dieselben Grundsätze wie für jede Behörde, wenn es darum geht, Sachverständigengutachten (das Ergebnis sachverständiger Ermittlungen) zu überprüfen, insbesondere auf ihre Schlüssigkeit. Der Umstand, dass die Paritätswerte als Ergebnis eines wirtschafts-wissenschaftlichen Verfahrens außerhalb eines behördlichen Verfahrens ermittelt werden, hat damit nichts zu tun und vermag daran nichts zu ändern (siehe im Übrigen das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/06/0184). Ausgehend von dieser unrichtigen rechtlichen Auffassung ist das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beurteilung der Statistik Österreich, die im genannten Gedächtnisprotokoll ihren zusammenfassenden Niederschlag gefunden hat, schon aus chronologischen Gründen gar nicht auf das spätere Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Verwaltungsverfahren eingehen konnte, und darüber hinaus wurde diese Zusammenfassung dem Beschwerdeführer offensichtlich auch nicht vollständig zur Kenntnis gebracht, hat er doch gerügt, dass ihm die bezogenen Beilagen nicht übermittelt worden seien (was nach der Aktenlage zutreffend sein dürfte); jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass ihm diese Beilagen auch nach seinem dementsprechenden Einwand übermittelt worden wären. Vorweg kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer in Kenntnis dieser ihm verborgen gebliebenen Unterlagen zielführend dahin hätte argumentieren können, dass bestimmte Annahmen der Statistik Österreich unzutreffend seien. Soweit er im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertreten hatte, sein Dienst- und Wohnort sei M, weshalb es auf die Preisverhältnisse in diesem Gebiet ankäme, wurde dem schon im eingangs genannten Vorerkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zlen. 2006/06/0195 und 0196, entgegnet, dass dies nicht zutreffe, weil sein Dienst- und Wohnort die Stadt XY sei und es nach der maßgeblichen Rechtslage nicht auf den Dienstort schlechthin, sondern auf das "Gebiet des ausländischen Dienstortes" ankomme, was ein Bereich sei, der größer sei als der eigentliche Dienstort selbst. Aber auch auf Grundlage dessen (also unter Ausklammerung des "M-Faktors", wie ihn der Beschwerdeführer bezeichnete) hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren argumentiert (so etwa in Richtung auf eine unterschiedliche Preisentwicklung im Vergleich zu Washington). Der Argumentation des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren kann jedenfalls nicht von vornherein Beachtlichkeit abgesprochen werden. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, diese Argumentation einer fachkundlichen Beurteilung zuzuführen, zweckmäßigerweise die Statistik Österreich hiezu einzubinden, was sie aber auf Grund ihrer zuvor dargelegten unrichtigen rechtlichen Auffassung unterließ.

Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Im fortgesetzten Verfahren wäre es allenfalls tunlich, einerseits dem Beschwerdeführer die vermissten Unterlagen zur Kenntnis zu bringen, andererseits der Statistik Österreich die Einwände des Beschwerdeführers (oder auch diesem zuvor Gelegenheit zu geben, seine Einwendungen zusammenzufassen und diese sodann der Statistik Österreich zu übermitteln). Da die Angelegenheit sichtlich komplex sein dürfte, wäre es allenfalls auch tunlich, in weiterer Folge in einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung des Beschwerdeführers und von informierten Vertretern der Statistik Österreich die Sache zu erörtern und die wesentlichen Streitpunkte zu klären (wobei eine solche Verhandlung durch die Möglichkeit der mündlichen Interaktion zwischen Beschwerdeführern und Vertretern der Statistik Österreich auch geeignet sein kann, Unklarheiten zu beseitigen) und das Ergebnis in einer den Vorschriften des AVG entsprechenden Niederschrift festzuhalten. Ob aber die belangte Behörde diese Anregungen aufgreift, muss ihrer Beurteilung der weiteren Verfahrensführung überlassen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. November 2007

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