VwGH 2007/05/0015

VwGH2007/05/001528.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der H L in Wien, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stadtplatz 29, gegen den Bescheid des Stadtsenats der Stadt Krems vom 14. Dezember 2006, Zl. MD-L-2/2006/Mag.Z/Z, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Mag. E S, 3500 Krems), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Stadt Krems hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde als gemäß § 2 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 in Baurechtsangelegenheiten zuständige Berufungsbehörde - wie in ihrer Sitzung am 12. Dezember 2006 beschlossen - die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Krems vom 15. Juli 2005 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück.

Begründend wurde Folgendes ausgeführt: Mit Schreiben vom 15. Juli 2005 (nach Ausweis der Verwaltungsakten auf Geschäftspapier des Magistrats der Stadt Krems) sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass ihr der Abbruchbescheid mangels Parteistellung nicht zugestellt würde. Dieses Schreiben weise Bescheidcharakter auf. Dies sei im Bescheid der belangten Behörde vom 4. Mai 2006 ausdrücklich festgestellt und ein seitens der Beschwerdeführerin gestellter Devolutionsantrag auf Grund bereits ergangener bescheidmäßiger Erledigung als unzulässig zurückgewiesen worden. Da gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Krems vom 15. Juli 2005, in dem die Zustellung des gegenständlichen Baubescheids mangels Parteistellung zurückgewiesen worden sei, nicht rechtzeitig - das heiße binnen 14 Tage ab Zustellung - Berufung erhoben worden sei, sei der Bescheid vom 15. Juli 2005 in Rechtskraft erwachsen. Im vorliegenden Fall sei daher die vorliegende Berufung mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen und daher nicht näher auf die vorgebrachten Berufungsargumente einzugehen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG werde die Berufung mangels Parteistellung (rechtskräftig festgestellt durch Bescheid des Magistrats vom 15. Juli 2005) als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird eingewendet, dass das besagte Schreiben vom 15. Juli 2005 keine Bescheidqualität aufweise. Damit ist die Beschwerde im Recht.

Das Schreiben des Magistrats der Stadt Krems an der Donau vom 15. Juli 2005 lautete wie folgt:

"Rechtsanwaltskanzlei

Dr. L, Steyr

z.Hd. Dr. W L

Stadtplatz 29

4402 Steyr

.....

Betreff: Abbrucharbeiten auf dem Grundstück .98/2 KG Krems

Mag. E S

Bezug: Ihr Schreiben vom 23.6.2005

Sehr geehrter Dr. L!

Zu ihrem Schreiben vom 23.6.2005, Zeichen: L14S00 c, teilen wir ihnen mit, dass im Baubewilligungsbescheid vom 7.6.2005, Zl: I/A-1753/1/23-2005 für den Abbruch des Hauses samt Nebengebäude in 3500 Krems, Kremser Frauenbergstiege 1 auf dem Grundstück .98/2 KG Krems, welcher an Frau Mag. E S übermittelt wurde, die gutachterlichen Stellungnahmen der R Ziviltechniker Ges.m.b.H. (Ingenieurkonsulenten für Bauwesen, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft) vom 23.2.2005 sowie vom Mai 2005 als wesentliche Bestandteile für die Verwirklichung der gegenständlichen Abbruchmaßnahmen angeschlossen wurden.

Dem Bauführer BM W K (Fa. Ing. K GmbH) wurden am 22.6.2005 eine Parie der Einreichunterlagen, der Baubewilligungsbescheid, sowie deie beiden gutachterlichen Stellungnahmen der R Ziviltechniker Ges.m.b.H. übermittelt.

Gemäß § 23 NÖ Bauordnung 1996 hat die Baubehörde den Baubewilligungsbescheid dem Bauwerber, dem Grundeigentümer und den Nachbarn, die Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben haben, zuzustellen.

Werden von Parteien keine Einwendungen erhoben, dass heißt wird die Zustimmung für die geplanten Baumaßnahmen gegeben, so wird ihnen die Baubewilligung für dieses Bauvorhaben nicht zugestellt.

Wie bereits zu Beginn festgestellt, wurden die beiden gutachterlichen Stellungnahmen der Retter & Partner Ziviltechniker Ges.m.b.H. zum wesentlichen Bestandteil des Bewilligungsbescheides erklärt, es jedoch aus rechtlicher Sicht nicht möglich ist den Bewilligungsbescheid der Frau Mag. Ernestine Schöfmann an sie zu übersenden, hoffe ich trotzdem im Sinne der Sache gedient zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

für den Magistrat

..... (elektronisch unterfertigt)"

Da Gegenstand eines Berufungsverfahrens iSd § 63 AVG nur ein Bescheid sein kann und Zweifel bestehen, ob es sich bei dem genannten - nicht als Bescheid bezeichneten - Schreiben um einen solchen handelt, ist die Bescheidqualität dieser Erledigung zu klären.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. Mai 2002, Zlen. 2001/08/0046, 0047, (auf das in einer Reihe von hg. Entscheidungen verwiesen wird, vgl. etwa die Erkenntnisse vom 31. Jänner 2006, Zl. 2005/05/0202, vom 27. Juni 2006, Zl. 2005/05/0352, vom 30. Juni 2006, Zlen. 2006/03/0029, 0030, und vom 21. März 2007, Zl. 2004/05/0240) seine bisherige Judikatur zur Bescheidqualität von Erledigungen, denen die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid fehlt, wie folgt zusammengefasst:

"Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell. Die Rechtskraftfähigkeit der Erledigung ist kein neben der normativen Natur derselben selbstständig anzuführendes Merkmal eines Bescheides, weil die Rechtskraftfähigkeit nicht Ursache, sondern Folge der normativen Natur der Erledigung ist ... . Für die Beurteilung als Bescheid sind jedenfalls die objektiven Merkmale eines Schriftstückes maßgebend und nicht die subjektive Absicht der Behörde, von der das Schriftstück ausgegangen ist ..."

Die Äußerungen der Lehre zu dieser Frage wurden wie folgt zusammengefasst:

"Ob ein (nicht in Bescheidform im Sinne der §§ 56 ff AVG ergangener) Akt einer Behörde (dennoch) ein Bescheid ist, hängt nach herrschender Lehre im Wesentlichen davon ab, ob er nach seinem Inhalt (dh. nach dem aus der Erledigung hervorleuchtenden Willen der Behörde ...) eine normative Erledigung im Einzelfall (also gegenüber einem individuell bestimmten Personenkreis) darstellt und ob die Behörde nach der anzuwendenden Rechtslage einen Bescheid zu erlassen hatte ..."

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die in Rede stehende Erledigung vom 15. Juli 2005 nicht als einen die Beschwerdeführerin gerichteter Bescheid zu qualifizieren.

Es fehlt dieser Erledigung die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid. Da sie die in Briefen übliche Anrede- und Grußformel ("Sehr geehrter Dr. L!"; "mit freundlichen Grüßen") verwendet und es auch an einer Gliederung in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung mangelt, könnte nach der oben angeführten Rechtsprechung auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus der Erledigung eindeutig ergebe, dass die Behörde nicht nur individuelle Akte der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Bestehen nach dem Inhalt der Erledigung hingegen Zweifel über deren Bescheidcharakter, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für einen Bescheidcharakter als Erledigung essenziell (vgl. nochmals das schon zitierte Erkenntnis vom 30. Juni 2006, Zlen. 2006/03/0029, 0030, mwH).

In der vorliegenden Erledigung ist der Wille zu einem normativen behördlichen Abspruch nicht erkennbar. Zwar wird im letzten Absatz dieser Erledigung darauf hingewiesen, es sei aus rechtlicher Sicht nicht möglich, einen gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassenen Bewilligungsbescheid zu übermitteln und im vorletzten Absatz auf § 23 NÖ Bauordnung 1996 hingewiesen, diese Aussage ist aber im vorliegenden Zusammenhang als informative Mitteilung an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin - an den sich genannte Erledigung richtete - einzustufen. Ein an die Beschwerdeführerin selbst gerichteter Abspruch dahingehend, dass der von der Beschwerdeführerin (vertreten durch ihren Rechtsvertreter) in ihrem Schreiben vom 23. Juni 2005 gestellte formelle Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird, ist nämlich weder der Adressierung des Schreibens noch dem letztem Absatz oder den sonstigen Ausführungen in der besagten Erledigung entnehmbar.

Wenn die belangte Behörde der besagten Erledigung Bescheidcharakter zusprach, hat sie die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Jänner 2009

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