VwGH 2007/04/0033

VwGH2007/04/003330.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eisner, über die Beschwerde des H in , vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 1, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 22. Dezember 2006, Zl. US 4A/2006/7-32, betreffend Zurückweisung eines Wiederaufnahmeauftrages i.A. Verfahren nach dem UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: L in W, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heitzmann GmbH in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1;
AVG §8;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2007, Zl. 2006/04/0250, zu entnehmen.

Daraus ist festzuhalten, dass die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 31. Jänner 2006 der mitbeteiligten Partei die Genehmigung für ein näher genanntes Vorhaben gemäß § 17 Abs. 1, 2, 4 und 6 und Anlage 1 Z 20 Spalte 2 lit. a UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993 idF BGBl. I Nr. 14/2005, erteilte. In der Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe innerhalb der 6-wöchigen Ediktalfrist keine schriftlichen Einwendungen erhoben. Er habe somit seine Parteistellung verloren und sei als präkludierte Partei anzusehen. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 18. Juli 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe einerseits keine schriftlichen Einwendungen während der Ediktsfrist erhoben und andererseits hätten die nach Ediktserlassung erfolgten Projektsänderungen für seine subjektiven Rechte keine zusätzliche Beeinträchtigung, sondern eine Verbesserung gebracht und demnach keinen Einfluss auf die eingetretene Präklusion. Die erstinstanzliche Behörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seine Parteistellung verloren habe. Mangels Parteistellung komme ihm keine Berufungsrecht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof wies mit dem genannten Erkenntnis die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet ab und legte seiner Entscheidung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer es nach den Feststellungen der belangten Behörde unterlassen habe, während der Ediktsfrist die Einwendung der zu hohen Lärmbelastung während der Bauphase geltend zu machen, und dass eine nachteilige Beeinflussung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte durch Projektsänderungen nicht dargetan bzw. nicht einmal behauptet werde und auch nach der Aktenlage nicht zu erkennen sei.

2. Mit Schreiben vom 29. August 2006 beantragte der Beschwerdeführer bei der Tiroler Landesregierung die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 31. Jänner 2006 abgeschlossenen Verfahrens. Er brachte vor, beim Landesgericht Innsbruck würden Vorerhebungen gegen drei am wiederaufzunehmenden Verfahren beteiligte Organwalter (nämlich den medizinischen Amtssachverständigen Dr. S., die Verhandlungsleiterin Mag. G. sowie die Rechtsreferentin erster Instanz Mag. R.) wegen des Verdachtes des Verbrechens des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 Abs. 1 StGB geführt. Gemäß einer Anzeige des Landespolizeikommandos für Tirol vom 2. Mai 2006 sei der Amtssachverständige verdächtig, seine Befugnisse als medizinischer Sachverständiger dahingehend missbraucht zu haben, dass er in sein mit 27. Juni 2005 datiertes Umweltverträglichkeitsgutachten habe einfließen lassen, der Beschwerdeführer verzichte auf sein Wohnrecht während der Bauphase des geplanten Projektes, weshalb eine Gefährdung der Gesundheit im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 trotz der unduldbar hohen Schallemissionen während der Bauphase ausgeschlossen sei. Diesen Wohnverzicht habe der Sachverständige angenommen, ohne sich selbst tatsächlich von dessen Bestehen zu überzeugen. Die den Bescheid erster Instanz konzipierende Rechtsreferentin habe dieses Gutachten in den Bescheid aufgenommen, ebenfalls ohne sich vom Bestehen eines solchen Wohnverzichts zu überzeugen, und sei daher verdächtig, ihre Befugnisse missbraucht zu haben. Die Verhandlungsleiterin habe ihre Befugnisse insofern missbraucht, als sie dem medizinischen Amtssachverständigen auf dessen Anfrage hin - zuerst mündlich und in weiterer Folge fernmündlich - mitgeteilt habe, der Beschwerdeführer habe eine Verzichtserklärung auf das Wohnrecht während der Bauphase des Hotels abgegeben. Die Behörde erster Instanz sei in ihrem Bescheid von einem schriftlichen Verzicht des Beschwerdeführers auf sein Wohnrecht ausgegangen, obwohl ein solcher Verzicht nie vorgelegen sei. Es liege somit der Verdacht des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB vor. Durch das beim Landesgericht anhängige Strafverfahren seien außerdem neue Tatsachen - nämlich das Nichtvorliegen des Wohnverzichts - hervorgekommen, die zu einem anderen Gutachten und in weiterer Folge auch zu einem anderen Bescheid geführt hätten, weshalb eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und 2 AVG beantragt werde.

Die Tiroler Landesregierung wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. September 2006 als unzulässig zurück und begründete dies damit, der Beschwerdeführer habe seine Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen verloren. Einen Antrag auf Wiederaufnahme könne nach dem Wortlaut des § 69 AVG jedoch nur eine Partei des Verfahrens stellen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 2006 abgewiesen wurde. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seine Parteistellung durch Unterlassung der Einwendung unzumutbarer Lärmbelästigung während der Bauphase innerhalb der Ediktalfrist verloren. Da die behaupteten strafrechtswidrigen Handlungen erst nach Ablauf der Ediktalfrist gesetzt worden seien, komme ihm daher kein Antragsrecht auf Wiederaufnahme zu. Die Behörde erster Instanz habe demnach zu Recht den Antrag zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 69 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1999, lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten ..."

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die belangte Behörde habe zu Unrecht seine Parteistellung für das Wiederaufnahmeverfahren verneint. Er habe erst durch Einsicht in den Strafakt und die darin erliegenden Aussagen in Erfahrung gebracht, dass der dem wiederaufzunehmenden Verfahren zu Grunde liegende Bescheid mit einem Gutachten, das offensichtlich von einem niemals abgegebenen Wohnverzicht ausgehe, begründet worden und das Vorhaben nur dadurch genehmigungsfähig geworden sei.

Ein Antrag auf Wiederaufnahme kann nur von demjenigen gestellt werden, der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Partei war (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S 1476 E 29 f. zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Da der Beschwerdeführer im zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren innerhalb der Ediktalfrist keine Einwendungen erhoben hat, seiner Parteistellung somit verlustig wurde, und auch die späteren Projektsänderungen zu keinem Wiederaufleben seiner Parteistellung geführt haben (vgl. dazu das eingangs zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2007, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), fehlt ihm auf Grund der Präklusion die Möglichkeit, seine subjektivöffentlichen Rechte durchzusetzen und daraus resultierend auch die Antragslegitimation nach § 69 Abs. 1 AVG.

Das Vorbringen, die Rechtsreferentin der Tiroler Landesregierung hätte sich wegen ihrer Mitwirkung am wiederaufzunehmenden Verfahren bei der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag für befangen erklären müssen, kann der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil selbst die Mitwirkung eines befangenen Organs bei der Entscheidung der ersten Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung saniert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2005, Zl. 2004/04/0137). Eine Befangenheit der Berufungsbehörde wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. April 2008

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