VwGH 2007/02/0277

VwGH2007/02/027714.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Ing. PH in L, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 26. Juli 2007, Zl. UVS 30.15-11/2007-19, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Normen

ArbIG 1993 §23 Abs1;
AVG §1;
BArbSchV 1994;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;
VwRallg;
ArbIG 1993 §23 Abs1;
AVG §1;
BArbSchV 1994;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VStG §9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 2007 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H BaugmbH in L zu verantworten, dass auf der Baustelle in St am 11. Oktober 2005 der Arbeitnehmer M in einer ca. 2,5 m tiefen Künette mit Arbeiten im Bereich des Kanalrohrs in dieser Künette beschäftigt gewesen sei, obwohl die nahezu senkrechten Erdwände, die im lehmigen Material gegraben gewesen seien, nicht entsprechend § 50 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV) abgeböscht und auch nicht entsprechend §§ 51 und 52 BauV verbaut gewesen seien, obwohl Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen durch Maßnahmen wie Abböschen (§ 50 BauV), Verbaue einbringen (§§ 51, 52 BauV) sowie Bodenverfestigung (§ 53 BauV) zu sichern seien, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden könnten.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 48 Abs. 2 BauV begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst mit weitwendigen Ausführungen vor, er sei nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, weil ein verantwortlicher Beauftragter bestellt gewesen sei.

§ 23 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, BGBl. Nr. 27/1993, erklärt die Bestellung von verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (wie im Beschwerdefall) erst dann als rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 3 nur eine Person sein, der u.a. für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Daraus ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt. Bei der Auslegung einer Bestellungsurkunde ist sohin ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. zum Ganzen mwN das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1999, Zl. 98/09/0231). Diese Grundsätze gelten sowohl für den Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches als auch für die Zustimmungserklärung.

Der Beschwerdeführer stellt die Feststellung der belangten Behörde nicht in Abrede, dass beim zuständigen Arbeitsinspektorat nur eine "Bestellungsurkunde", und zwar jene vom 26. November 2004, eingelangt sei. Diese weist zwei verschiedene Inhalte auf:

Zum Einen sollte Ing. K laut dem Text der Punkte 1. bis 4. der "Bestellungsurkunde" für die gegenständliche Baustelle zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Die in Punkt 6. vorgesehene Zustimmungserklärung wurde jedoch nicht von Ing. K unterfertigt (sondern vom Prokuristen Ing. W). Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen war die Bestellung nach dem objektiven Erklärungswert auf Grund der fehlenden Zustimmungserklärung daher nicht geeignet, den Übergang der Verantwortlichkeit an Ing. K zu bewirken. Auf etwaige andere Beweismittel etwa zur Klärung, warum die Zustimmungserklärung durch Ing. K nicht unterfertigt wurde, oder zur Auslegung des Inhaltes der Bestellungsurkunde ist im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht Bedacht zu nehmen.

Zum Anderen wurde mit Punkt 5. dieser "Bestellungsurkunde" die Bestellung des Prokuristen Ing. W vom 1. Juli 2003 zum verantwortlichen Beauftragten "für die unter Punkt 3. angeführte Baustelle" (das ist die verfahrensgegenständliche Baustelle) widerrufen. Im Hinblick auf diesen Widerruf ist die Urkunde jedenfalls korrekt (siehe deren Punkt 7., Unterschrift Beschwerdeführer auf Stampiglie der H GmbH) unterzeichnet. Da beide Inhalte der "Bestellungsurkunde" voneinander unabhängig in zwei getrennten Urkunden hätten errichtet werden können, sie voneinander nicht abhängen und sie überdies getrennt dem Arbeitsinspektorat hätten gemeldet werden können, bewirkt die Rechtsunwirksamkeit der Bestellung des Ing. K - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht auch die Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung des Ing. W.

Die belangte Behörde hat deshalb zu Recht die Strafe über den gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beschwerdeführer verhängt.

Der Beschwerdeführer bringt im Zusammenhang mit seiner Verantwortlichkeit unter Bezugnahme auf die Verfahrensergebnisse und Feststellungen der belangten Behörde noch vor, er sei "über die angeblichen Verwaltungsübertretungen nicht unterrichtet" worden, weil der Prokurist seine Informationspflicht über drohende oder bereits eingetretene Normübertretungen nicht beachtet habe. Er fügt hinzu, dass die "Sicherheit der Arbeiter" im verfahrengegenständlichen Unternehmen "ein großes Thema" sei und es "immer zu Beginn der Bausaison einen Vortrag bzw. eine Besprechung über Arbeitnehmerschutzvorschriften gebe, bei der ca. 80 % - 90 % der Arbeiter teilnähmen. Es gebe auch laufend Schulungen unter Einbeziehung der AUVA, bei denen Mitarbeiter u.a. auch über die einschlägigen Vorschriften betreffend Pölzungen informiert würden. Bei monatlichen Prokuristenbesprechungen werde von den "jeweiligen Firmenchefs eindringlich auf die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes hingewiesen". Zusätzlich erhielten alle Arbeiter bei ihrer Einstellung Sicherheitsdatenblätter, die in mehreren Sprachen ausgegeben würden, mit entsprechenden Belehrungen, u.a. in Hinblick auf die Helmpflicht, die Sicherheitsschuhe und die Pölzungen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften entscheidend die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 2000/02/0228).

Mit dem obigen Vorbringen hat der Beschwerdeführer zwar allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen auf der beschwerdegegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen. Hiezu wäre es jedenfalls erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh. sicherzustellen, dass die erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch tatsächlich befolgt würden. Nach der hg. Rechtsprechung reichen die Erteilung von Weisungen, das Austeilen von Sicherheitsdatenblättern oder die Abhaltung von Schulungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus. Es entspricht auch der ständigen hg. Rechtsprechung, dass gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen hat (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001 mwN).

Zuletzt wendet der Beschwerdeführer noch örtliche Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz ein, als Tatort sei die Baustelle anzusehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Falle der Heranziehung eines zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugten Organs gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung ist, weil auch an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 95/02/0243). Auf die Lage der Baustelle kam es daher insoweit im Beschwerdefall nicht an.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Dezember 2007

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