Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §82;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §82;
FrPolG 2005 §83;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das die Schubhaft desselben Beschwerdeführers betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0127, verwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Juni 2006 wies die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer am 14. Juni 2006 erhobene zweite Schubhaftbeschwerde, soweit sie den Antrag auf Rechtswidrigerklärung des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der weiteren Anhaltung in Schubhaft bis zum 24. Mai 2006 betraf, gemäß den §§ 68 Abs. 1 und 67c AVG iVm § 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zurück.
Im Übrigen wies sie die Beschwerde, soweit sie den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers "ab Vorliegen des Gutachtens des ärztlichen Amtssachverständigen (somit ab 24.05.2006)" betreffe, gemäß § 83 FPG ab. Weiters stellte sie gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen.
Unter dem Titel "Begründung" folgen sodann auf 40 Seiten auszugsweise Kopien der Akten des Asylverfahrens und des fremdenpolizeilichen Verfahrens des Beschwerdeführers. Danach verweist die belangte Behörde auf ihren (mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0127, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehobenen) Bescheid vom 2. Mai 2006, mit dem der ersten Schubhaftbeschwerde keine Folge gegeben und überdies festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Nunmehr wende sich der Beschwerdeführer "vor allem" gegen seine Anhaltung ab dem Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung durch Dr. L. "ab Ende Mai 2006".
Die belangte Behörde stellte fest, am 19. April 2006 sei die Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ergangen, dass beabsichtigt sei, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil seit 19. April 2006 "Dublin Konsultationen" mit Polen geführt würden. Dem Beschwerdeführer sei ein entsprechendes Informationsblatt über die Anwendung der Dublin II-Verordnung übergeben und er sei darauf hingewiesen worden, dass gleichzeitig das Ausweisungsverfahren eingeleitet worden sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juni 2006 sei der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18. April 2006 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden. Es sei festgestellt worden, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-Verordnung Polen zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 sei verfügt worden, dass der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen werde. Demzufolge sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig. Die Durchführung der Ausweisung sei gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. bis zum 1. Juli 2006 aufgeschoben. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer am 14. Juni 2006 Berufung erhoben. Eine Mitteilung des unabhängigen Bundesasylsenates betreffend eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 sei bis dato nicht erfolgt.
Bereits im (eingangs erwähnten) Bescheid vom 2. Mai 2006 sei - so begründete die belangte Behörde auf Seite 49 des Bescheides weiter - "unter Zugrundelegung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, des bisherigen Sachverhaltes und vor allem des Verhaltens des Beschwerdeführers" umfassend begründet worden, "warum die Schubhaftverhängung gerechtfertigt war und weshalb die Anwendung des gelinderen Mittels nach § 77 FPG nicht in Betracht kam". Im gegenständlichen Fall seien somit in Bezug auf die Anträge auf Rechtswidrigerklärung des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der weiteren Anhaltung (bis zum Vorliegen des Gutachtens Dris. L. vom 24. Mai 2006) weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung "des Parteibegehrens" maßgeblichen und tatsächlichen Umständen Änderungen eingetreten, sodass die Schubhaftbeschwerde "in Bezug auf diese Beschwerdepunkte" wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei.
Hinsichtlich der weiteren Anhaltung (ab dem 24. Mai 2005) werde "festgestellt", dass der Anhaltung ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid zu Grunde liege. Zum Umstand, dass die Schubhaft das "gegenständlich erforderliche und einzig mögliche Sicherungsmittel" sei, werde wiederum auf die Begründung des zitierten Bescheides vom 2. Mai 2006 verwiesen. Dasselbe gelte für den Umstand, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung gelangen könne. Da der Beschwerdeführer in Kenntnis des zurückweisenden Bescheides des Bundesasylamtes vom 1. Juni 2006 sei, in dem gleichzeitig der Abschiebungstermin bis 1. Juli 2006 aufgeschoben worden sei, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er sich (gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinem Kind) "erneut" behördlichen Zugriffen (zum Zweck der Abschiebung) entziehen werde. Die Fortsetzung der Schubhaft sei somit auch nach dem 24. Mai 2006 erforderlich, ein gelinderes Mittel komme nicht in Betracht.
Aus dem Gutachten Dris. L. vom 24. Mai 2006 ergebe sich keine gänzliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers. Zur Frage der Haftfähigkeit werde "unter Hinweis auf ... § 78 FPG festgestellt, dass ab Vollzugsbeginn diesbezüglich die Zuständigkeit jener Behörde gegeben (sei), deren Haftraum in Anspruch genommen (werde) und dass diese Überprüfung nicht vom Entscheidungsumfang des § 82 Abs. 1 FPG umfasst" sei.
Zur Dauer der Schubhaft sei unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 5 FPG "festzustellen", dass selbst dann, wenn der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden sei, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt werde, die Schubhaft "bis zur Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylamtes aufrecht erhalten werden" dürfe. Die Schubhaft erweise sich somit als zulässig, auch dauere die Anhaltung noch nicht unverhältnismäßig lange an. Es sei daher gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG festzustellen gewesen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass die bloße Inklusion der Kopie von Aktenteilen im angefochtenen Bescheid der in den §§ 58 bis 60 AVG normierten Begründungspflicht nicht genügt. Weder sind daraus nämlich mit ausreichender Deutlichkeit die Feststellung eines bestimmten Sachverhaltes noch eine nachvollziehbare Beweiswürdigung, die die belangte Behörde zu bestimmten Feststellungen veranlasst hat, ersichtlich.
Der in der Begründung des angefochtenen Bescheides mehrfach erwähnte Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 2006, mit dem über eine erste Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers abgesprochen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0127, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Dieser Aufhebung kommt gemäß § 42 Abs. 3 VwGG ex tunc-Wirkung zu, was bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2007, Zl. 2006/05/0254). Ist demnach die Rechtslage so zu beurteilen, als ob der genannte Bescheid vom 2. Mai 2006 nicht ergangen wäre, so kann der angefochtene Bescheid insoweit, als er im Hinblick auf die genannte Vorentscheidung die gegenständliche zweite Schubhaftbeschwerde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, schon deshalb keinen Bestand haben. Auf die Richtigkeit der behördlichen Überlegungen betreffend den Zurückweisungsausspruch brauchte davon ausgehend nicht näher eingegangen zu werden. Festzuhalten ist aber jedenfalls, dass die belangte Behörde nur in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum (bis zur Erlassung des Bescheides vom 2. Mai 2006) und nicht in Bezug auf bestimmte "Einwendungen" von "entschiedener Sache" hätte ausgehen dürfen (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0284, mwN).
Auch was den abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides und die Feststellung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen der Schubhaft gemäß § 83 Abs. 4 FPG anlangt, ist diesem, besteht er doch weitgehend aus Verweisungen auf den ex tunc aufgehobenen Bescheid vom 2. Mai 2006, durch diese Aufhebung der Boden entzogen. Im Übrigen hätte eine inhaltliche Prüfung - soweit dies nach den auszugsweise wiedergegebenen rudimentären Feststellungen der belangten Behörde beurteilt werden kann - wohl zum Ergebnis führen müssen, dass seit Beginn der Schubhaft keine (sich zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirkende) relevante Änderung eingetreten ist, sodass sich die Schubhaft aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0127, dargestellten Gründen nach wie vor als unzulässig erweist.
Der angefochtene Bescheid war daher, auf Grund des Vorranges dieses Tatbestandes, zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. April 2008
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