VwGH 2006/17/0106

VwGH2006/17/010622.10.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in der Beschwerdesache der X AG in Y, vertreten durch Laurer & Arlamovsky, Rechtsanwalts-Partnerschaft GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 6-8/47, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. Mai 2006, Zl. FMA-KI23 5155/0021-BEH/2006, betreffend Auftrag gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 BWG, den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949;
VwGG §33 Abs1;
AHG 1949;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zuerkannt.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 Bankwesengesetz, BGBl. Nr. 532/1993 in der geltenden Fassung, unter Androhung einer Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 5.000,-- aufgetragen, den rechtmäßigen Zustand binnen angemessener Frist bis längstens 31. Mai 2006 in der Form herzustellen, dass gemäß § 44 Abs. 1 BWG für das Geschäftsjahr 2004

1. der geprüfte Jahresabschluss, Lagebericht, Konzernabschluss und Konzernlagebericht nach § 59 und § 59a Abs. 1 BWG sowie die Prüfungsberichte über den Jahresabschluss, Lagebericht, Konzernabschluss und Konzernlagebericht nach § 59 und § 59a Abs. 1 BWG und die bankaufsichtlichen Prüfungsberichte der FMA und der Oesterreichischen Nationalbank vorgelegt sowie weiters

2. die Daten des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses nach § 59 und § 59a BWG auf elektronischen Datenträgern in standardisierter Form der FMA und der Oesterreichischen Nationalbank übermittelt werden.

Hintergrund dieses Auftrages war die Mitteilung des für die Geschäftsjahre 2004 und 2005 bestellten Bankprüfers der beschwerdeführenden Partei, dass im Zuge der Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2005 der beschwerdeführenden Partei eine nicht ordnungsgemäße Bilanzierung von Verlusten aus Derivativgeschäften festgestellt worden sei, weshalb die Bestätigungsvermerke des Jahresabschlusses sowie des Konzernabschlusses der beschwerdeführenden Partei zum 31. Dezember 2004 widerrufen worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, den geprüften Jahresabschluss nur einmal vorlegen zu müssen, geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, dass der Widerruf des Bestätigungsvermerks hinsichtlich des Jahresabschlusses beziehungsweise des Konzernabschlusses für das Jahr 2004 nicht dazu führe, dass sie neuerlich einen geprüften Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss vorzulegen habe. Die im Bestätigungsvermerk liegende Wissenserklärung sei nicht beliebig und könne nicht jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf habe seine Ursache nicht in einer veränderten Sachverhaltslage, sondern in einer geänderten Auffassung der Prüfer über die bilanziell richtige Abbildung von den Prüfern durchaus (zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks) bekannten Fakten.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die beschwerdeführende Partei den mit dem angefochtenen Bescheid erteilten Aufträgen bereits nachgekommen sei. Es liege somit keine materielle Beschwer mehr vor, das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei sei weggefallen.

Die beschwerdeführende Partei hat auf die Gegenschrift repliziert und sich gegen die Auffassung gewendet, dass das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei weggefallen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss nach Einvernahme des Beschwerdeführers als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass dieser klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder durch die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.892/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 dargelegt hat, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2006, Zl. 2005/10/0206).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil durch die Erfüllung des verwaltungspolizeilichen Auftrages die beschwerdeführende Partei nicht mehr fortdauernd in ihren Rechten verletzt ist. Wenn in der Replik der beschwerdeführenden Partei auf die Gegenschrift der belangten Behörde darauf hingewiesen wird, dass mit gleicher Berechtigung auch im Falle von Abgabenbescheiden die Auffassung vertreten werden könnte, dass Gegenstandslosigkeit eintrete, wenn die Abgabenschuld beglichen wurde, so ist darauf hinzuweisen, dass im Falle von Geldleistungen durch die rückwirkende Beseitigung des Titels für die Zahlung die Rechtsposition des Beschwerdeführers durch eine allfällige Aufhebung des Bescheides maßgeblich beeinflusst werden kann. Eine solche Rechtsfolge durch die nachträgliche Änderung der Rechtslage würde durch den Wegfall des hier angefochtenen Bescheides jedoch nicht eintreten.

Wenn in der Replik der beschwerdeführenden Partei auch darauf hingewiesen wird, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für allfällige Amtshaftungsansprüche ausschlaggebend sein könnte, so ist auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, der zu Folge Rechtspositionen, die im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden können, nicht zu der rechtlich geschützten Interessenssphäre zählen, die den Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung bzw. zur Beschwerdefortführung im Bescheidbeschwerdeverfahren legitimiert (vgl. die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 1999, Zlen. 97/20/0239, 0240, und vom 22. März 2000, Zl. 99/03/0452). Im zuletzt genannten Beschluss verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juli 1997, Zl. 96/21/0377, die Auffassung vertreten wurde, dass generell in Fällen der sachlichen und zeitlichen Überholung von Bescheiden in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzustellen sei. Selbst ein (potenzieller oder aktuell geltend gemachter) Amtshaftungsanspruch könne keine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch einen wegen zeitlicher Überholung wirkungslos gewordenen Bescheid begründen.

Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 58 Abs. 2 VwGG. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 ist bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden. Da im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, ob der Beschwerde stattzugeben gewesen wäre, würde die Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Es war daher gemäß § 58 Abs. 2 VwGG kein Kostenersatz zuzuerkennen (vgl. den hg. Beschluss vom 8. Juni 2005, Zl. 2003/03/0141).

Wien, am 22. Oktober 2007

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