VwGH 2006/17/0044

VwGH2006/17/004423.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. des A und 2. der S, beide in T, beide vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, Hauptstraße 27, gegen den Gemeinderat der Gemeinde Trausdorf an der Wulka, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit Kanalanschlussbeitrag, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §209a Abs1;
BAO §323a idF 2009/I/020;
KanalabgabeG Bgld §2 Abs7;
LAO Bgld 1963 §158 Abs1;
LAO Bgld 1963 §158a Abs1;
BAO §209a Abs1;
BAO §323a idF 2009/I/020;
KanalabgabeG Bgld §2 Abs7;
LAO Bgld 1963 §158 Abs1;
LAO Bgld 1963 §158a Abs1;

 

Spruch:

In Anwendung des § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG wird der mit Berufung bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Trausdorf an der Wulka vom 5. März 2003, Zl. 28/2003, gemäß § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 289 Abs. 2 und § 323a BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 und § 2 Abs. 7 Burgenländisches Kanalabgabegesetz, LGBl. Nr. 41/1984 in der Fassung LGBl. Nr. 37/1990, sowie § 84 Abs. 6 Burgenländische Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 55/2003, ersatzlos aufgehoben.

Die Gemeinde Trausdorf an der Wulka hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Trausdorf an der Wulka vom 5. März 2003, Zl. 28/2003, wurde den Beschwerdeführern ein Kanalanschlussbeitrag nach dem Burgenländischen Kanalabgabegesetz, LGBl. Nr. 41/1984 in der Fassung LGBl. Nr. 37/1990 (in der Folge: Bgld. KAbG), für eine näher umschriebene Anschlussgrundfläche in der Gemeinde Trausdorf an der Wulka vorgeschrieben.

1.2. Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer erging der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Trausdorf an der Wulka vom 27. Mai 2003, mit dem die Berufung abgewiesen wurde. Begründend wurde in diesem Bescheid ausgeführt, dass die fünfjährige Festsetzungsverjährungsfrist gemäß § 2 Abs. 7 Bgld. KAbG nicht abgelaufen sei. Die Anschlussverpflichtung sei am 5. August 1993 ausgesprochen worden. Eine Überprüfung durch einen Bausachverständigen am 11. September 1998 auf die plan- und bewilligungsgemäße Ausführung sei eine (rechtzeitige) Unterbrechungshandlung im Sinne der Bgld. Landesabgabenordnung. Die Verjährungsfrist habe daher neu zu laufen begonnen.

1.3. Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung. Mit Bescheid vom 20. Jänner 2004 hob die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung den Bescheid des Gemeinderates mit der Begründung auf, bei der vom Gemeinderat genannten Überprüfung habe der Sachverständige das Haus auf die bewilligungsgemäße und plangemäße Ausführung überprüft. Diesbezüglich sei auch ein Schlussüberprüfungsprotokoll vorgelegt worden. Daraus gehe lediglich die baurechtliche Überprüfung hervor. Die Prüfung des Abgabenanspruches bzw. Ermittlungshandlungen für die Vorschreibung des Kanalanschlussbeitrages gingen aus dem vorgelegten Akt nicht hervor. Es sei auch kein Aktenvermerk bzw. keine Niederschrift vorgelegt worden, aus denen entnommen werden könnte, dass eine nach außen erkennbare Amtshandlung, welche zur Unterbrechung der Verjährungsfrist geeignet gewesen wäre, gesetzt worden wäre. Die Übermittlung des Ermittlungsergebnisses bzw. der Berechnungsgrundlage am 30. Dezember 2002 sei erst nach Eintritt der Verjährung erfolgt. Es sei weder der Umstand, dass die Beschwerdeführer einen Augenschein im Keller verweigert hätten, noch der Zeitpunkt dieser versuchten Überprüfung auf Grund der Aktenlage ersichtlich. Die Schlussüberprüfung nach dem Baugesetz durch den Sachverständigen habe keine Unterbrechung der Verjährung bewirken können, weil die Abgabe nicht Gegenstand dieser Amtshandlung gewesen sei.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.4. Da in der Folge keine neuerliche Entscheidung des Gemeinderates der Gemeinde Trausdorf an der Wulka über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. März 2003 erging, erhoben die Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde.

1.5. Mit Verfügung vom 13. März 2006 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Gemeinderat der Gemeinde Trausdorf an der Wulka auf, den ausstehenden Bescheid binnen drei Monaten zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

1.6. Der Bürgermeister der Gemeinde Trausdorf an der Wulka legte die Verwaltungsakten vor und legte im Begleitschreiben den Verfahrensablauf dar. Der Bürgermeister verweist in diesem Schreiben vom 8. Juni 2006 neuerlich auf die (baurechtliche) Überprüfung vom 11. September 1998 und die angebliche Weigerung der Beschwerdeführer, den Keller besichtigen zu lassen. Darüber hinaus wird die Behandlung der Rechtssache im Gemeinderat nach der Aufhebung des Bescheids vom 27. Mai 2003 dargestellt (es sei auf Grund von Stimmenthaltungen weder zu einem Beschluss betreffend die Abweisung der Berufung, noch zu einem solchen betreffend eine Stattgebung gekommen).

1.7. Mit weiterem Schriftsatz vom 8. Juni 2010 des Bürgermeisters der Gemeinde Trausdorf an der Wulka wurde das schon im ersten Schreiben erstattete Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 2 Bgld. KAbG lautet auszugsweise:

"§ 2

Allgemeines

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates Kanalisationsbeiträge (Erschließungsbeitrag, vorläufiger Anschlussbeitrag, Anschlussbeitrag, Ergänzungsbeitrag, vorläufiger Nachtragsbeitrag, Nachtragsbeitrag) zur Deckung der Errichtungskosten der Kanalisationsanlage nach den Bestimmungen dieses Abschnittes zu erheben. An Kanalisationsbeiträgen darf jedoch jeweils insgesamt nicht mehr erhoben werden, als den von der Gemeinde geleisteten oder voranschlagmäßig zu leistenden Aufwendungen für die Kanalisationsanlage entspricht.

...

(7) Das Recht, die Kanalisationsbeiträge festzusetzen, verjährt binnen fünf Jahren."

2.2. Die Vorstellungsentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 20. Jänner 2004 ist der Gemeinde Trausdorf an der Wulka unbestritten zugegangen. Mit der Zustellung des aufhebenden Vorstellungsbescheids hat die Entscheidungsfrist für den Gemeinderat der Gemeinde Trausdorf an der Wulka neuerlich zu laufen begonnen. Da den Beschwerdeführern gegenüber in der Folge kein Bescheid des Gemeinderats ergangen ist, ist die am 9. März 2006 eingebrachte Säumnisbeschwerde zulässig.

Der Gemeinderat der Gemeinde Trausdorf an der Wulka hat den ausständigen Bescheid auch nach der Einbringung der Säumnisbeschwerde nicht erlassen. Es ist daher mit Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof in der Verfügung vom 13. März 2006 gesetzten Frist zur Nachholung des Bescheids die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Trausdorf an der Wulka vom 5. März 2003 auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

2.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfalten Vorstellungsbescheide, mit denen ein letztinstanzlicher Gemeindebescheid aufgehoben wird, sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der für die Aufhebung tragenden Gründe Bindungswirkung (vgl. § 84 Abs. 6 Burgenländische Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 55/2003, und z.B. schon zur Vorläuferbestimmung des § 84 Abs. 6 Burgenländische Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 55/2003, § 77 Abs. 6 Bgld. Gemeindeordnung 1965, LGBl. Nr. 37, in der Fassung LGBl. Nr. 33/1977, das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1980, Zlen. 3153, 3154/79, sowie die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1993, Zl. 92/05/0323, vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0116, vom 20. März 2007, Zl. 2004/17/0098, und vom 24. April 2007, Zl. 2004/05/0309, sowie Berchtold in: Fröhler/Oberndorfer, Österreichisches Gemeinderecht, 3.14., Gemeindeaufsicht, Seite 48, und Hauer in: Klug/Oberndorfer/Wolny, Österreichisches Gemeinderecht, 17, Gemeindeaufsicht, Rz 155 und 157). Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf jenes Verfahren, in dem der Vorstellungsbescheid ergangen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1980, Zl. 221/77, oder vom 21. März 2005, Zl. 2004/17/0212) und ist sowohl von den Gemeindebehörden als auch von der Vorstellungsbehörde und von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 22. Oktober 1971, Zl. 1430/69, VwSlg 8091 A/1971, oder etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0147, vom 25. Jänner 1996, Zl. 94/06/0087, und vom 21. März 2005, Zl. 2004/17/0212, mit weiteren Nachweisen).

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher im vorliegenden Verfahren an die tragenden Aufhebungsgründe des Vorstellungsbescheids vom 20. Jänner 2004 gebunden. Es ist daher nicht mehr zu prüfen, ob die rechtliche Beurteilung der Vorstellungsbehörde vom Verwaltungsgerichtshof geteilt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2005, Zl. 2004/17/0212; vgl. im Übrigen zu Beginn und Lauf der Verjährungsfrist nach der auch hier maßgeblichen Rechtslage nach dem Bgld. KAbG und der Bgld. LAO das hg. Erkenntnis vom 23. März 1998, Zl. 97/17/0300, bzw. zu den Anforderungen an eine wirksame Unterbrechungshandlung zuletzt das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2011, Zl. 2010/17/0068).

2.4. Die Vorstellungsbehörde hat in ihrem Bescheid vom 20. Jänner 2004 der Abgabenbehörde im Ergebnis die Rechtsauffassung überbunden, eine Vorschreibung des Kanalisationsbeitrags nur dann vorzunehmen, wenn der Nachweis für eine die Verjährung unterbrechende Amtshandlung, die der Durchsetzung des Anspruches auf den Kanalisationsbeitrag gedient habe, erbracht werden kann. Die von der Abgabenbehörde für ihren Standpunkt herangezogene Überprüfung unter baurechtlichen Gesichtspunkten im Jahre 1998 habe die Anforderungen an eine Unterbrechungshandlung im Sinne des § 158 Abs. 1 Bgld. LAO nicht erfüllt.

2.5. An der Bindung an diese Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde hat sich auch durch das Inkrafttreten der BAO für das landesgesetzliche Abgabenverfahren am 1. Jänner 2010 nichts geändert. Die Beurteilung, ob der im Jahre 2003 erfolgten Abgabenvorschreibung die Verjährung entgegen stand, hat weiter nach den damals geltenden landesrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 7 Bgld. KAbG und Bgld. LAO) zu erfolgen (vgl. § 323a BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009, der keine rückwirkende Anwendung von Verjährungsfristen der BAO vorsieht). An der Bindungswirkung der zur Rechtslage nach dem Bgld. KAbG und der Bgld. LAO ergangenen Vorstellungsentscheidung vom 20. Jänner 2004, mit der der Bescheid des Gemeinderats wegen nicht ausreichender Begründung des Vorliegens einer wirksamen Unterbrechungshandlung nach Bgld. LAO aufgehoben wurde, hat sich insofern daher nichts geändert.

2.6. Weder der Gemeinderat noch der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeschrittene Bürgermeister der Gemeinde Trausdorf an der Wulka haben Nachweise für Unterbrechungshandlungen vorgelegt. Auch den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten lassen sich keine Anhaltspunkte für eine solche Amtshandlung entnehmen. Im Akt erliegt lediglich das Schlussüberprüfungsprotokoll für die Fertigstellungsanzeige gemäß § 27 Bgld. Baugesetz vom 11. September 1998, welches nach der auch vom Verwaltungsgerichtshof der Entscheidung zu Grunde zu legenden Vorstellungsentscheidung vom 20. Jänner 2004 keine Unterbrechung bewirken konnte.

2.7. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher bei der Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführer davon auszugehen, dass innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 2 Abs. 7 Bgld. KanalabgabenG keine wirksame Unterbrechungshandlung im Sinne des § 158 Abs. 1 Bgld. LAO gesetzt wurde.

Daher war im Zeitpunkt der Erlassung des mit Berufung bekämpften Abgabenbescheides die Festsetzungsverjährung nach § 2 Abs. 7 Bgld. KAbG bereits eingetreten.

Die Abgabenvorschreibung war insoweit rechtswidrig. Sie kann auch nicht in der vom Verwaltungsgerichtshof an Stelle der Berufungsbehörde zu treffenden Berufungsentscheidung nach § 289 Abs. 2 BAO getroffen werden:

Eine Abgabenvorschreibung in einer Berufungsentscheidung gemäß § 158a Abs. 1 Bgld. LAO bzw. nunmehr § 209a Abs. 1 BAO setzt nämlich einen zulässigerweise (d.h. in der Regel vor Ablauf der Verjährungsfrist, zu - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen vgl. Ritz, BAO, § 209a Rz 4) erlassenen erstinstanzlichen Bescheid voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 2007, Zl. 2006/15/0004, und vom 2. September 2009, Zl. 2008/15/0216).

Der Bescheid des Bürgermeisters vom 5. März 2003 wurde nach den vorstehenden Ausführungen nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassen; er war daher in Anwendung des § 42 Abs. 4 letzter Satz VwGG in Verbindung mit § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufzuheben.

2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 23. Februar 2012

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