Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs2;
WaffG 1996 §8 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs2;
WaffG 1996 §8 Abs7;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 7. November 2005 entzog die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld (BH Lilienfeld) dem Beschwerdeführer die am 14. November 1989 unter Nummer 1 ausgestellte Waffenbesitzkarte. Als Rechtsgrundlage ihrer Entscheidung führte sie die §§ 8 Abs 2 Z 1, 2 und 25 Abs 2 bis 5 Waffengesetz 1996 - WaffG, BGBl I Nr 12/1997, sowie § 2 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 Z 3 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung - 2. WaffV, BGBl I Nr 313/1998, an.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 23. August 2005 um
21.45 Uhr seinen PKW, Kennzeichen L, im Ortsgebiet von T auf der L von R kommend in Richtung Kreisverkehr gelenkt. Auf Höhe des Hauses M Straße sei er angehalten und einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle unterzogen worden. Dabei seien bei ihm deutliche Alkoholisierungsmerkmale wahrgenommen worden. Ein anschließender Alkotest habe einen relevanten Messwert von 0,77 mg/l Alkohol in der Ausatemluft ergeben. Da der in § 2 Abs 1 iVm Abs 2 Z 3 der
2. WaffV angeführte Grenzwert somit deutlich überschritten worden sei, habe die BH Lilienfeld den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. September 2005 aufgefordert, ein psychologisches Gutachten beizubringen, in dem festgestellt werde, ob bei ihm die Verlässlichkeit im Sinne des Waffenrechtes noch gegeben sei. Am 26. Oktober 2005 sei der Beschwerdeführer bei der Begutachtungsstelle "im Sinne des § 1 WaffV" des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in St. Pölten untersucht worden. Die Untersuchung habe ergeben, dass bei ihm die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG derzeit nicht gegeben sei. Im Einzelnen zitierte die belangte Behörde aus der gutachterlichen Stellungnahme folgende Passage (Hervorhebungen im Original):
"Die erhobenen Befunde, vor allem Anamnese und Exploration lassen einen sehr großzügigen Umgang mit Alkohol mit einer bereits erhöhten subjektiven Alkoholgewöhnung erkennen. Es muss vom regelmäßigen Alkoholüberkonsum in geselliger Runde ausgegangen werden.
Es bestehen deutliche Beschönigungs- und Bagatellisierungstendenzen gegenüber dem eigenen bisherigen Trinkverhalten, diesbezügliches Problembewusstsein ist nicht erkennbar.
Es fehlen somit eine tief greifende Auseinandersetzung mit dem problematischen Trinkverhalten und eine entscheidende Veränderung des Trinkverhaltens. Da bisher keine Veränderung der Trinkgewohnheiten erfolgt ist, muss auch in Zukunft mit einem überhöhten Alkoholkonsum des Untersuchten gerechnet werden, somit ist auch die Gefahr eines unsachgemäßen, leichtfertigen und wenig verantwortungsbewussten Umgangs mit Schusswaffen, insbesondere im alkoholisierten Zustand, derzeit stark erhöht.
Dementsprechend ist bei (dem Beschwerdeführer) die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne des § 8 WaffG derzeit n i c h t in ausreichendem Maß vorhanden."
Dieses Gutachten sei - so die belangte Behörde weiter - in sich schlüssig und widerspreche auch in keiner Weise der allgemeinen Lebenserfahrung. An diesem Ergebnis vermöge auch ein vom Beschwerdeführer vorgelegter Befund eines Internisten, der offenbar belegen solle, dass seine Leberwerte in Ordnung seien, nichts zu ändern, zumal diese Untersuchung "in keinerlei Relevanz zum waffenpsychologischen Gutachten" stehe. Aber selbst dieser Befund weise erhöhte "Leberwerte" auf, was in der Regel auf einen Alkoholmissbrauch schließen lasse. Wenn in der Berufung angeführt werde, dass das Vorliegen eines Alkoholdeliktes allein keine Begründung für den Wegfall der waffenrechtlichen Verlässlichkeit darstelle, so werde dabei übersehen, dass im vorliegenden Fall keinesfalls das Alkoholdelikt für sich allein gewertet worden sei. Auf Grund des Alkoholdeliktes sei das psychologische Gutachten eingefordert worden. Erst die Zusammenschau (Alkoholdelikt und psychologisches Gutachten) habe ergeben, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit beim Beschwerdeführer derzeit nicht mehr gegeben sei. Die Behörde lasse sich dabei insbesondere von der Maßgabe leiten, dass bei der Anwendung waffenrechtlicher Vorschriften und somit auch bei der Beurteilung des gesetzlichen Verlässlichkeitsausschlussgrundes nach § 8 Abs 2 Z 1 und 2 WaffG ein strenger Maßstab anzulegen sei. Unter Berücksichtigung dessen sei der Berufung keine Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs 3 Waffengesetz 1996 (WaffG), BGBl I Nr 12/1997 in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 136/2004, hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Die Verlässlichkeit umschreibt § 8 WaffG wie folgt:
"Verlässlichkeit
§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig
verwahren wird;
Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er
alkohol- oder suchtkrank ist oder
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit
Waffen sachgemäß umzugehen.
..."
Gemäß § 25 Abs 2 WaffG hat die Behörde die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs 2 WaffG genannten Gründe oder darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs 7 WaffG ermächtigt. Nach dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die Beibringung eines Gutachtens darüber verlangen, ob der Berechtigte dazu neigt, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der Bundesminister für Inneres hat durch Verordnung geeignete Personen oder Einrichtungen zu bezeichnen, die in der Lage sind, solche Gutachten dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechend zu erstellen. § 1 der 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (1. WaffV), BGBl II Nr 164/1997 idF BGBl Nr. 313/1998, bezeichnet das Kuratorium für Verkehrssicherheit als eine solche Begutachtungseinrichtung.
Gemäß § 2 Abs 1 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, hat jede Sicherheitsbehörde, die in Kenntnis von der einem Menschen erteilten waffenrechtlichen Bewilligung Anhaltspunkte für Zweifel an dessen waffenrechtlicher Verlässlichkeit gewinnt, sofern ihr nicht selbst als Waffenbehörde die Durchführung einer Überprüfung gemäß § 25 Abs 2 WaffG obliegt, die dafür zuständige Behörde zu verständigen. Als solche Anhaltspunkte gelten nach § 2 Abs 2 Z 3 2. WaffV insbesondere das Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 1,2 Promille oder mehr oder einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,6 mg/l oder mehr.
Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass ein "Alkodelikt" für sich allein die Annahme fehlender Verlässlichkeit gemäß § 8 WaffG nicht rechtfertige. Die Einholung eines Gutachtens sei daher nicht zulässig gewesen, weshalb dieses auch inhaltlich unrichtige "Beweisergebnis" nicht zu Lasten des Beschwerdeführers verwertet werden hätte dürfen.
Dem ist zu erwidern, dass der Auftrag zur Beibringung eines Gutachtens zwecks Überprüfung der Verlässlichkeit gemäß § 25 Abs 2 WaffG lediglich Anhaltspunkte in Bezug auf einen der in § 8 Abs 2 leg cit genannten Gründe oder darauf, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, voraussetzt. Angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen. Deshalb sind auch für die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens im obgenannten Sinn keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl 2005/03/0044, mwN).
Ob die Anhaltspunkte im vorliegenden Fall ausreichten, um ein Vorgehen der Behörde gemäß § 25 Abs 2 WaffG zu rechtfertigen, braucht nicht beurteilt zu werden. Nach dem Schutzzweck des WaffG hat nämlich ein Gutachten, aus dessen Inhalt sich die mangelnde waffenrechtliche Verlässlichkeit des Untersuchten ergibt, auch dann zu einer Maßnahme gemäß § 25 Abs 3 WaffG, also dem Entzug der Waffenbesitzkarte, zu führen, wenn die als "Anhaltspunkte" gewerteten Umstände den Auftrag zu Beibringung des Gutachtens - im Vorhinein beurteilt - nicht rechtfertigten (vgl die hg Erkenntnisse vom 12. September 2002, Zl 2000/20/0213, und vom 17. September 2003, Zl 2002/20/0233). Das von der Beschwerde behauptete Beweisverwertungsverbot liegt deshalb nicht vor.
Entscheidend ist allerdings, ob das vorgelegte Gutachten die behördliche Einschätzung mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit des Beschwerdeführers zu decken vermag. Das ist nicht der Fall.
Die belangte Behörde stützte die Entziehung der Waffenbesitzkarte ausdrücklich auf eine Unzuverlässigkeit nach § 8 Abs 2 Z 1 und 2 WaffG. Diese - die Verlässlichkeit ex lege ausschließenden - Tatbestände setzen aber eine Alkohol- oder Suchtkrankheit, eine psychische Krankheit oder Geistesschwäche voraus. Dass das im vorliegenden Gutachten aufgezeigte "problematische Trinkverhalten" des Beschwerdeführers als Alkoholkrankheit (nur dieser Ausschlussgrund käme fallbezogen in Betracht) anzusehen wäre, lässt die gutachterliche Stellungnahme aber nicht erkennen und es bleibt auch der angefochtene Bescheid diesbezüglich eine nähere Begründung schuldig.
Ungeachtet dessen könnte das vorliegende Gutachten aber auch nicht dazu dienen, die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG zu verneinen. Der Gutachter gelangte zwar auf der Grundlage der "Anamnese und Exploration" zu dem Ergebnis, es müsse "vom regelmäßigen Alkoholüberkonsum in geselliger Runde" ausgegangen werden (der Beschwerdeführer hatte angegeben, alle zwei bis drei Monate an geselligen Treffen teilzunehmen, bei denen Bier oder Wein getrunken würde), es bestünden Beschönigungs- und Bagatellisierungstendenzen gegenüber dem eigenen bisherigen Trinkverhalten (der Beschwerdeführer hatte etwa ausgeführt, er habe auch beim Vorfall vom 23. August 2005 keinen "richtigen Rausch", sondern nur "einen schönen Spitz" gehabt) und es fehle eine tief greifende Auseinandersetzung mit dem problematischen Trinkverhalten.
Die daraus gezogene Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer werde in Zukunft bei überhöhtem Alkoholkonsum unsachgemäß, leichtfertig und wenig verantwortungsbewusst mit Schusswaffen umgehen, ist jedoch nicht nachvollziehbar.
Der Beschwerde ist zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Alkoholdelikt wie das gegenständliche für sich allein die Annahme fehlender Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs 1 WaffG regelmäßig nicht rechtfertigt. Dazu bedürfte es zusätzlich eines "waffenrechtlichen Bezuges", wie er etwa im Falle des Mitführens von Schusswaffen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gegeben ist (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0020, vom 1. Juli 2005, Zl 2005/03/0024, und vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0246). Liegt ein solcher nicht vor, so könnte ein derartiges Delikt im Rahmen einer auf die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen oder die Bedeutung eines bestimmten anderen, letztlich ausschlaggebenden Vorfalles abstellenden Beurteilung von Bedeutung sein (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl 98/20/0139).
Im gegenständlichen Fall kann dem festgestellten Vorfall vom 21. August 2005 ein "waffenrechtlicher Bezug" nicht entnommen werden. Auch wurden keine sonstigen Geschehnisse festgestellt, welche die Annahme rechtfertigen, der Beschwerdeführer würde bei oder im Anschluss an seinen Alkoholkonsum in "geselliger Runde" waffenrechtliche Verpflichtungen verletzen oder aggressives Verhalten an den Tag legen. Damit wird im vorliegenden Gutachten und dem darauf aufbauenden angefochtenen Bescheid aber selbst unter Zugrundelegung der gutachterlichen Annahme, der Beschwerdeführer werde sein bisher geübtes Trinkverhalten beibehalten, nicht schlüssig dargelegt, wieso er dabei in Zukunft - anders als bisher - in waffenrechtlich problematischer Art und Weise auffällig werden sollte.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 29. Jänner 2009
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