Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 27. Juni 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer habe am 22. Februar 2002 die österreichische Staatsangehörige D G geehelicht und in der Folge auf Grund dieser Eheschließung eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö", gültig bis 13. Dezember 2003 erhalten. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. August 2003 sei die Ehe geschieden worden. Am 11. Dezember 2003 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck eingebracht.
Bei der zeugenschaftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde am 17. Februar 2005 habe D G Folgendes ausgeführt:
"Ich habe im Jahr 2002 in der Wohnung von der Fr. A S einen Türken mit dem Spitznamen "Sunny" (S T) kennen gelernt. Er fragte mich, ob ich für Geld nicht einen Türken heiraten würde. Er sagte mir, dass ich rund 5000 Euro bekommen könnte. Es sind dann Y (od. J) S, T S, Sunny, A S und ich nach Salzburg gefahren um dort die Formalitäten zu regeln. Am gleichen Tag habe ich den ersten Teil des Geldes - rund 1500 Euro - bekommen. Meine offenen Erlagscheine wurden von Y S beglichen.
Geheiratet haben wir im November 2002 in Linz. Es waren viele Türken bei der Hochzeit, von denen ich aber nur Y S kannte. Fr. S war meine Trauzeugin. Nach der Hochzeit sind wir Essen gegangen und dort habe ich den Rest des Geldes bekommen.
Ich habe mich nach der Hochzeit bei meinem Mann in der Wstraße angemeldet. Gewohnt habe ich allerdings dort nie. Die Ehe wurde nie vollzogen.
Ich war zu diesem Zeitpunkt Drogensüchtig. Gewohnt habe ich entweder bei meinem damaligen Lebensgefährten M P oder bei Fr. S. Manchmal habe ich auf der Straße gelebt. Das kam immer auf meinen körperlichen Zustand an.
Im Jänner oder Februar 2003 wollte ich die Ehe annullieren lassen. Ich habe da bei Gericht schon angegeben, dass es sich um eine Scheinehe handelt. Nachdem aber in der Scheidungsangelegenheit nichts weitergegangen ist, hat mir der Scheidungsrichter Dr. T B geraten, anzugeben, dass die Ehe zerrüttet sei, dass die eheliche Gemeinschaft seit länger als einem halben Jahr nicht mehr gegeben ist. Die Ehe wurde dann im August 2003 geschieden.
Y S und T S wollten immer auf mich einwirken, das zu sagen, was sie wollten. Ich habe das aber nicht gemacht."
Auf Grund dieser glaubwürdigen, in sich schlüssigen und detaillierten Aussage werde das Vorliegen einer Scheinehe festgestellt. die Glaubwürdigkeit dieser Angaben werde insbesondere dadurch untermauert, dass Frau G einleitend auf die Folgen einer falschen Aussage - gerichtliche Strafbarkeit - aufmerksam gemacht worden sei und sie im Rahmen des Scheidungsverfahrens vor dem Bezirksgericht anderslautende Ausführungen gemacht habe. Die Behörde könne keine Gründe ersehen, weshalb die frühere Gattin den Beschwerdeführer wahrheitswidrig belasten solle, zumal sie sich durch die genannte Aussage selbst der gerichtlichen Strafverfolgung ausgesetzt habe und sich darüber hinaus der Gefahr aussetze, dass vom Beschwerdeführer der in sittenwidriger Weise geleistete Geldbetrag für die Eingehung der Ehe wieder zurückgefordert werde. Einen derartigen Grund habe auch der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig darzulegen vermocht. Dass der Beschwerdeführer den Sachverhalt anders geschildert habe, sei im Hinblick darauf, dass er weiterhin in Österreich verbleiben wolle, nicht überraschend. Dem Beschwerdeführer sei es jedoch nicht gelungen, die Glaubwürdigkeit der Ausführungen seiner früheren Gattin zu erschüttern.
Beim Eingehen einer Ehe zum Schein handle es sich um ein besonders verwerfliches Verhalten, weshalb die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei. Im Hinblick auf die für den Beschwerdeführer zu stellende negative Verhaltensprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2001 könne daran nichts ändern, zumal die Aufenthaltsberechtigung auf die nur zum Schein eingegangene Ehe zurückzuführen sei. Ebenso wenig zielführend sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass in Österreich zwei Brüder lebten, welche beide österreichische Staatsangehörige seien, werde doch die Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch das gesamte Fehlverhalten in erheblichem Ausmaß gemindert.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, die Ehe nur zum Schein geschlossen zu haben, und rügt in diesem Zusammenhang u.a., dass es die Behörde unterlassen habe, A S, die Freundin seiner früheren Gattin, zeugenschaftlich einzuvernehmen.
2. S T hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch das Landesgendarmeriekommando Oberösterreich als Beschuldigter am 11. Februar 2003 zugegeben, zur Vermittlung einer Scheinehe zwischen dem Beschwerdeführer und D G beigetragen zu haben. Dabei hat er detailliert den Ablauf der Geschehnisse geschildert.
Damit im Wesentlichen übereinstimmend gestand die frühere Gattin des Beschwerdeführers sowohl bei ihrer Vernehmung am 3. Februar 2003 durch das Landesgendarmeriekommando Oberösterreich als auch bei der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vernehmung durch die Erstbehörde am 17. Februar 2005 zu, die Ehe zum Schein eingegangen zu sein, dafür ein Entgelt erhalten zu haben und nie ein gemeinsames Familienleben geführt zu haben.
In seiner Stellungnahme vom 7. April 2003 hat der Beschwerdeführer dagegen vorgebracht, dass seine Ehe nicht durch einen Vermittler zustandegebracht worden sei. Er habe Frau G zwei Monate vor der späteren Hochzeit kennengelernt und sich mit ihr mehrmals wöchentlich getroffen. Schließlich habe er ihr einen Heiratsantrag gemacht; Frau G habe diesen angenommen. Vor der Eheschließung hätten die späteren Ehegatten mehrmals bei der Freundin der Gattin, A S, übernachtet. Hiebei sei es auch mehrmals zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs gekommen. Sowohl in der Kennenlernphase als auch unmittelbar vor und nach der Eheschließung sei jeweils Frau S anwesend gewesen. Erst nach der Eheschließung habe der Beschwerdeführer erfahren, dass seine Frau massiv überschuldet sei und sich weder Miete noch Kindergartengebühr leisten könne. Der Beschwerdeführer habe sich Geld ausgeborgt, um den Kindergartenbesuch des Sohnes seiner Gattin weiterhin zu ermöglichen. Auch die Anmietung einer Ehewohnung sei geplant gewesen. Schließlich hätten die Ehegatten jedoch in der Wohnung des Bruders des Beschwerdeführers gelebt. In den ersten vier Wochen habe die Ehe gut funktioniert und sei auch vollzogen worden. Der Beschwerdeführer habe seine gesamte Freizeit mit seiner Gattin verbracht. Gemeinsame Freizeitaktivitäten seien mit A S durchgeführt worden. Nach vier Wochen habe jedoch die Gattin - für den Beschwerdeführer überraschend - zu einem anderen Mann eine Beziehung begonnen. Sie sei allerdings bereits nach kurzer Zeit zum Beschwerdeführer zurückgekehrt. Die Ehegatten hätten sich versöhnt und es sei zur Führung eines Ehelebens gekommen. Derzeit sei die geschiedene Gattin auf Grund einer psychischen Erkrankung in stationärer Behandlung. Auf Grund dieser psychischen Erkrankung neige sie dazu, andere unberechtigt zu beschuldigen.
Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich der Beschwerdeführer u.a. auf die Einvernahme der Zeugin A S, deren Adresse (mit Ausnahme der Hausnummer) und Telefonnummer er der Behörde bekanntgab.
In der Berufung hat der Beschwerdeführer dieses Vorbringen aufrecht erhalten.
3. Weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde haben A S zeugenschaftlich einvernommen oder in irgendeiner Weise begründet, warum diese Einvernahme nicht erforderlich oder nicht möglich sei.
Da auch nicht ersichtlich ist, dass die Aussage dieser Zeugin von vornherein nicht geeignet ist, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, stellt die begründungslose Unterlassung der Vernehmung dieser Zeugin einen relevanten Verfahrensmangel dar (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 242 zu § 45 AVG zitierte hg. Judikatur).
4. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. September 2006
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