VwGH 2005/17/0252

VwGH2005/17/025229.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des RG und

2. der HG, beide in Innsbruck und vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. September 2004, Zl. I-Rm-00066e/2004, betreffend Vorschreibung eines Gehsteigbeitrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
BAO §138 Abs1;
BAO §166;
BauO Innsbruck 1896 §68 Abs3;
BauO Innsbruck 1896 §68 Abs4;
LAO Tir 1984 §109 Abs1;
LAO Tir 1984 §129;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
BAO §138 Abs1;
BAO §166;
BauO Innsbruck 1896 §68 Abs3;
BauO Innsbruck 1896 §68 Abs4;
LAO Tir 1984 §109 Abs1;
LAO Tir 1984 §129;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 30. Oktober 2003 wurde den Beschwerdeführern für die erstmalige bauordnungsgemäße Herstellung des vor ihrem Anwesen G-Straße gelegenen Gehsteiges unter Berücksichtigung eines Bauplatzanteiles von 1.207 m2 sowie eines Baumassenanteiles von 1.694 m3 gemäß § 13 Abs. 1 lit. b und § 16 Abs. 1 lit. b des Gesetzes vom 11. Dezember 1997 über die Erhebung von Ausgleichsabgaben sowie von Erschließungs- und Gehsteigbeiträgen (Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz), LGBl. Nr. 22/1998 (im Folgenden: TVAAG), ein Gehsteigbeitrag in der Höhe von insgesamt EUR 7.730,40, das entspricht S 106.369,--, zur Zahlung vorgeschrieben.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Sie brachten vor, gemäß § 13 Abs. 1 lit. b TVAAG sei der Gehsteibeitrag nur dann vorzuschreiben, wenn nicht bereits ein Kostenersatz nach § 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr. 31/1896 (im Folgenden: BauO), entrichtet worden sei. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass für die gegenständliche Liegenschaft bereits ein solcher Kostenersatz entrichtet worden sei:

Das auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer befindliche Haus sei im Jahr 1935 erbaut worden. Die Beschwerdeführer hätten die Liegenschaft im Jahr 1996 von der damaligen Eigentümerin, G, mit welcher sie das Haus bereits seit 1955 bewohnt hätten, erworben. G sei im Jahr 2002 in England verstorben.

Letztere habe den Beschwerdeführern anlässlich eines Artikels in der Hausbesitzer-Zeitung vom Dezember 1968, in dem ein (damaliger) Gemeinderat die neue Verteilung der Kosten für die Erstellung von Gehsteigen nach der Novelle zur BauO, LGBl. Nr. 22/1969, erläutert habe, mitgeteilt, dass für die in Rede stehende Liegenschaft bereits kurz nach Errichtung des Hauses im Jahre 1935 ein "Gehsteigbeitrag" (gemeint wohl: ein Kostenersatz nach § 68 BauO) zu entrichten gewesen sei. Da G als so genannte "Hinterliegerin" (die Liegenschaft grenze nur mit einem Gartentor an den Gehsteig und sei ansonsten zur Gänze von anderen Liegenschaften umschlossen) damals offenbar nur einen vergleichsweise geringen Beitrag zu entrichten gehabt habe, sei sie froh gewesen, einen solchen bereits entrichtet zu haben, weil sich für "Hinterlieger" nach der genannten Novelle auf Grund des nunmehr maßgeblichen Bauplatzanteils und der Baumasse ein deutlich höherer Betrag errechnet hätte.

G habe den Beschwerdeführern aber anlässlich des Ankaufs des Hauses lediglich einen Generalplan übergeben können, weil sie sonst über keine Unterlagen, insbesondere über keinen Nachweis für die Entrichtung des genannten Betrages, mehr verfügt habe. Sämtliche dieser Unterlagen seien im Zuge der Wirren des Zweiten Weltkrieges offenbar verloren gegangen. Der Ehemann von G sei wegen seines jüdischen Glaubens in der "Reichskristallnacht" Ende 1938 ermordet worden. G habe anschließend umgehend ins Ausland flüchten müssen, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. In der Folge sei das Haus von den Nationalsozialisten konfisziert und während des Zweiten Weltkrieges auch bewohnt worden. G habe es erst 1953 im Zuge eines Rückstellungsverfahrens zurückerhalten.

Die Beschwerdeführer wiesen weiters darauf hin, dass es ihnen auf Grund der oben geschilderten Umstände weder möglich noch im Sinne des § 109 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984 (im Folgenden: TLAO), zumutbar sei, eine Entrichtung eines Kostenersatzes in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu beweisen. Allenfalls könne die Beschaffung Bezug habender Verwaltungsakten des Stadtmagistrats Innsbruck Aufklärung bringen, welche hiemit beantragt werde.

Die Angaben der G erschienen auch deshalb plausibel, weil auf Grund des im Jahr 1935 anwendbaren § 68 BauO (Stammfassung) davon auszugehen sei, dass bereits anlässlich bzw. kurz nach der Errichtung des Hauses eine Gehsteigabgabe für den damals zeitgemäßen Gehsteig zu entrichten gewesen sei. Die Beschwerdeführer verwiesen schließlich darauf, dass auch Wahrnehmungen nicht vernommener Personen im Verwaltungsverfahren verwertbar seien, wenn einer Vernehmung tatsächliche Gründe entgegen stünden.

Schließlich rügten die Beschwerdeführer die von der erstinstanzlichen Behörde ihrer Abgabenbemessung zu Grunde gelegte Baumasse, welche richtig 1.640 m3 betrage.

Am 24. März 2004 richtete die erstinstanzliche Behörde eine Anfrage an die für "Tiefbau-Instandhaltung" zuständige Magistratsabteilung, ob für die Liegenschaft der Beschwerdeführer (im Zusammenhang mit der Errichtung des Wohnhauses im Jahr 1935) ein Kostenersatz nach § 68 BauO zur Vorschreibung gelangt sei, bzw. ob entsprechende Rechnungen auflägen.

Hierauf antwortete die angesprochene Abteilung, dass dort für den Zeitraum vor 1945 überhaupt keine Unterlagen existierten. Für den Zeitraum zwischen 1945 und 1970 ergäben sich keine Hinweise für eine Rechnungslegung an die Beschwerdeführer.

Mit Berufungsvorentscheidung des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Juni 2004 wurde der Berufung der Beschwerdeführer lediglich insoweit Folge gegeben, als der der Vorschreibung zu Grunde gelegte Baumassenanteil nunmehr auf Basis einer anrechenbaren Baumasse von 1.640 m3 ermittelt wurde. Daraus folgte die Vorschreibung einer Abgabe in Höhe von EUR 7.632,61 (das entspricht S 105.027,--).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend die Entrichtung eines Kostenbeitrages nach § 68 BauO entgegnete die erstinstanzliche Behörde, dass die Vorschreibung eines solchen die Errichtung eines gepflasterten Gehweges vorausgesetzt habe. Eine derartige Ausgestaltung habe der bis zum Ausbau im Jahre 2001 bestandene Sandgehweg jedoch (in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts) nicht aufgewiesen.

"Diese Tatsachen" würden vor allem dadurch untermauert, dass der Abgabenbehörde "trotz intensiver Nachforschungen u.a. im Innsbrucker Stadtarchiv und im Archiv dies Tiefbauamtes" keinerlei Unterlagen vorlägen, die darauf hinweisen würden, dass für den in Rede stehenden Sandgehweg jemals Gehsteigerrichtungskosten an den Hausbesitzer weiterverrechnet worden wären.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtete sich ein Vorlageantrag der Beschwerdeführer.

Darin vertraten sie die Rechtsauffassung, eine Abgabenpflicht nach § 68 BauO setze das Vorliegen eines gepflasterten Gehweges nicht voraus. Dies werde im ersten Satz der genannten Gesetzesbestimmung lediglich als Regelfall angesprochen. Auch die Errichtung eines Sandgehweges könne die Abgabenpflicht auslösen. Dies habe jedenfalls der in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts herrschenden Verwaltungspraxis entsprochen. Die Beschwerdeführer legten in diesem Zusammenhang Stadtratsprotokolle vom 12. September 1930 und solche aus dem Jahr 1932 vor, welche Beratungen betreffend Ersuchen von Liegenschaftseigentümern um Ermäßigung von Kostenersätzen für die Errichtung von Gehwegen in näher genannten Straßen zum Gegenstand hatten. In Ansehung einiger dieser Straßen behaupteten die Beschwerdeführer, erstere hätten auch im Zeitpunkt der Berufungseinbringung noch immer einen Sandgehweg aufgewiesen, in Ansehung anderer Straßen behaupteten sie, eine Asphaltierung des Gehweges sei erstmals im Jahre 2002 erfolgt.

Dass in Archiven keine Unterlagen betreffend die Zahlung eines Kostenersatzes nach der BauO für die Liegenschaft der Beschwerdeführer auflägen, ergebe sich daraus, dass dort für die hier interessierende Zeit überhaupt keine Unterlagen mehr vorhanden seien.

Schließlich führten die Beschwerdeführer aus, dass die Verwaltungs- und Judikaturpraxis um das Jahr 1900 offenbar gleichfalls von einer Gebührlichkeit eines Kostenersatzes nach der BauO bei bloßer Errichtung von Sandgehweges ausgegangen sei.

In diesem Zusammenhang legten die Beschwerdeführer ein Protokoll der 12. Sitzung des Innsbrucker Gemeinderates vom 12. Oktober 1900 vor, in welchem über die Rekurse von vier Hausbesitzern gegen die Vorschreibung eines Kostenersatzes für die Herstellung von Gehwegen wie folgt entschieden wurde:

"Der Obmann der Dienstes= und Rechts=Section berichtet über die Recurse der Hausbesitzer Josef Reisch (im Folgenden: R), Saggengasse (im Folgenden: S-Gasse) 10, Frau Veronika Kirschner (im Folgenden: K), S-Gasse 14, Michael Ortlieb (im Folgenden: O), S-Gasse 16, und Josef Teltscher (im Folgenden: T), S-Gasse 18, gegen das Magistrats=Dekret vom 8. Mai 1900 Zl. 3637, womit denselben die Bezahlung der entsprechenden Kosten für die vom Stadtbauamte besorgte Herstellung der Gehwege vor den genannten Häusern auferlegt wurde.

Mit Rücksicht darauf, dass die Herstellung des Sand=Trottoirs vor den Häusern der O und T als erste Herstellung zu betrachten ist, stellt die Dienstes= und Rechts=Section den Antrag:

Es sei dem Recurse des O und jenem des T gegen das Magistrats=Dekret vom 8. Mai 1900 Zl. 3637 betreffend die Tragung der Kosten für die Herstellung eines Porphyr=Platten=Trottoirs vor ihrem Hause S-Gasse Nr. 16 bezw. 18 Folge zu geben und der diesbezügliche Zahlungsauftrag aufzuheben.

Hinsichtlich der Recurse des R und der K dagegen beantragt das Comite:

Es seien die Recurse der beiden genannten Hausbesitzer gegen das obenerwähnte Magistrats=Decret abzuweisen und die Zahlungsaufträge des Stadtmagistrates aufrecht zu erhalten, weil

das früher bestandene Sand=Trottoir als Provisorium und das nun

hergestellte Porphyr=Platten=Trottoir als erste Herstellung

betrachtet werden muss. Im Sinne der Bestimmung des § 68 alinea 4 der Innsbrucker Bauordnung sind daher die Recurrenten zur Zahlung der Herstellungskosten verpflichtet.

Die Anträge der Dienstes= und Rechts=Section werden zum Beschlusse erhoben."

Aus einem von den Beschwerdeführern gleichfalls vorgelegten Protokoll der 16. Sitzung des Gemeinderates vom 12. Dezember 1900 geht schließlich hervor, dass der Tiroler Landesausschuss mit Dekret vom 23. November 1900 einem Rekurs der Hausbesitzer R und K gegen die (in Ansehung dieser Rekurswerber negative) Entscheidung des Gemeinderates in der Sitzung vom 12. Oktober 1900 stattgegeben hat.

Weiters ist diesem Protokoll zu entnehmen, dass der Gemeinderat beschlossen hat, gegen diese Entscheidung des Tiroler Landesausschusses Beschwerde an den k.k. Verwaltungsgerichtshof zu ergreifen.

Über diese Beschwerde erkannte der

k. k. Verwaltungsgerichtshof am 10. Oktober 1901 zur Zl. 7511.

In diesem Erkenntnis gelangte der Gerichtshof zum Ergebnis, dass die Gemeindebehörden jedenfalls den Tatbestand des § 68 Abs. 3 BauO durch die Umgestaltung des Sand-Trottoirs in ein Porphyr-Platten-Trottoir rechtens nicht als verwirklicht hätten annehmen dürfen. Hiedurch sei nämlich (im Hinblick auf das bereits vorhandene Sand-Trottoir) eine erste Herstellung des Gehweges im Verständnis des § 68 Abs. 3 BauO nicht erfolgt. Auf die Frage einer Abgabepflicht des R und der K nach Abs. 4 leg. cit. wurde aus prozessualen Gründen nicht eingegangen.

Schließlich beriefen sich die Beschwerdeführer in ihrem Vorlageantrag auch auf eine Niederschrift einer Sitzung des Bauausschusses des Innsbrucker Gemeindetages vom 18. Mai 1936, in welcher über die bei kleineren Bauvorhaben gegenüber den Baukosten unverhältnismäßig hohen Gehsteigkosten debattiert wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2004 wurde der Berufung der Beschwerdeführer im gleichen Umfang wie in der Berufungsvorentscheidung teilweise stattgegeben und der Gehsteigbeitrag mit EUR 7.632,61 (S 105.027,--) festgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie teile die Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde in der Berufungsvorentscheidung. Wenn die Beschwerdeführer vermeinten, aus den von ihnen vorgelegten Gemeinderatsprotokollen aus den Jahren 1930 und 1932 ergäbe sich, dass auch für ihr Grundstück ein Kostenbeitrag geleistet worden sei, so seien sie darauf zu verweisen, dass die Mitwirkungspflicht der Partei im Abgabenverfahren insbesondere dann in den Vordergrund trete, wenn sie das Vorliegen eines sie steuerlich begünstigenden Tatbestandes oder eines ungewöhnlichen Sachverhaltes behaupte. Eine solche erhöhte Mitwirkungspflicht gelte auch für die hier behauptete Leistung eines Kostenersatzes nach § 68 BauO. Die Beschwerdeführer könnten sich vorliegendenfalls in Ermangelung eines Beleges nicht auf eine "vermutete Abgabenentrichtung" stützen, weil sie hiedurch eine nicht vorgesehene Umkehr der Beweislast postulieren würden.

In Ansehung der Verwaltungspraxis um 1900 verwies die belangte Behörde darauf, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 12. Oktober 1900 offenbar in gleich gelagerten Fällen verschieden entschieden habe. Die erfolgte Stattgabe des Rekurses in den Fällen O und T sei daher nicht verallgemeinerungsfähig.

In Ansehung des ins Treffen geführten Erkenntnisses des k. k. Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1901 verwies die belangte Behörde darauf, dass dieser Gerichtshof aus prozessualen Gründen auf den vierten Absatz des § 68 BauO nicht eingegangen sei. Das Erkenntnis gründe sich daher "wesentlich aus der Bindung des VwGH an den Inhalt der Beschwerde". Auch aus dem vorgelegten Gemeinderatsprotokoll vom 18. Mai 1936 sei für die Beschwerdeführer nichts abzuleiten. Insgesamt ergebe sich daher, dass die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten allgemeinen Aussagen und Versuche einer indirekten Beweisführung in keiner Weise geeignet seien, das Vorliegen der für die Ausnahmebestimmung im TVAAG erforderlichen Voraussetzungen "glaubhaft zu machen bzw. zu beweisen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Unterbleiben einer Abgabenvorschreibung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen hiefür verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 BauO (Stammfassung) lautete (auszugsweise):

"§ 68

Gehwege.

Jedes Gebäude, sowie jedes Grundstück hat in der Regel an der Gassenseite einen gepflasterten Gehweg zu erhalten. Ausnahmsweise kann bei berücksichtigungswürdigen Verhältnissen vom Bürgermeister bewilligt werden, keinen gepflasterten Gehweg anzulegen oder es noch aufzuschieben.

Das Material, die Höhe, Breite und Form der neu herzustellenden Gehwege wird von Amtswegen bestimmt.

Die erste Herstellung des Gehweges obliegt dem Besitzer des daran anstoßenden Hauses oder Grundstückes und geschieht auf seine Kosten durch das städtische Bauamt; die weitere Erhaltung übernimmt die Gemeinde.

Es ist daher auch jeder Hausbesitzer, der einen Baugrund an einer allenfalls mit einem Gehwege bereits versehenen Straße erwirbt, verpflichtet, der Gemeinde die Kosten für dessen Anlegung (längs seines Baugrundes) zu ersetzen. In bestehenden Straßen, wo derzeit noch keine Gehwege hergestellt sind, oder wo die vorhandenen den Vorschriften nicht entsprechen, sind sie auf Kosten der angrenzenden Hausbesitzer, sobald es die Interessen des Verkehrs oder Bauveränderungen in der Anlage als notwendig erscheinen lassen, über Aufforderung der Baubehörde durch das städtische Bauamt in entsprechender Weise herzustellen.

..."

§ 13 Abs. 1 lit. b TVAAG lautet:

"§ 13

Abgabengegenstand, Gehsteigbeitragssatz

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt,

...

b) im Falle, dass ein Bauplatz, auf dem ein Gebäude bereits besteht und für den nicht bereits ein Gehsteigbeitrag nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften oder ein Kostenersatz nach § 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr. 31/1896, in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 22/1969 entrichtet wurde, unmittelbar oder über eine Privatstraße durch eine Verkehrsfläche, auf der ein zeitgemäßer Gehsteig noch nicht errichtet wurde, erschlossen ist, einen Gehsteigbeitrag zu erheben.

..."

§ 92 Abs. 1, § 94 Abs. 1, § 109 Abs. 1 und § 129 TLAO lauten:

"§ 92

(1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

...

§ 94

(1) Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

...

§ 109

(1) Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 111 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

...

§ 129

Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist."

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ausschließlich die Frage strittig, ob die belangte Behörde vorliegendenfalls zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Sinne des § 13 Abs. 1 lit. b TVAAG kein Kostenersatz nach § 68 BauO entrichtet wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde auf eine die Beschwerdeführer treffende (erhöhte) Mitwirkungspflicht (§ 94 Abs. 1 TLAO) verwiesen. Sie gelangte auf Grund des von ihnen erstatteten Vorbringens zum Ergebnis, dieses sei weder zum Beweis noch zur Glaubhaftmachung der Entrichtung eines Kostenersatzes nach § 68 BauO geeignet gewesen. Zur Frage, ob den Beschwerdeführern im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht vorliegendenfalls nach dem ersten Satz des § 109 Abs. 1 TLAO der Beweis oder aber nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung lediglich die Glaubhaftmachung der Entrichtung eines Kostenbeitrages oblegen wäre, enthält der angefochtene Bescheid keine Darlegungen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass den Beschwerdeführern jedenfalls bei Zutreffen ihrer Behauptungen betreffend die im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehenden Umstände der Flucht der 2002 verstorbenen G vor nationalsozialistischer Verfolgung ein Beweis der Entrichtung eines Kostenbeitrages nach den Umständen nicht zugemutet werden könnte. Wären - wozu die belangte Behörde nicht Stellung nimmt - die Behauptungen der Beschwerdeführer zumindest insoweit zutreffend, so wäre auch die bloße Glaubhaftmachung einer derartigen Zahlung ausreichend, um ihrer (erhöhten) Mitwirkungspflicht zu entsprechen.

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (vgl. Stoll, BAO II, 1565). Es war daher zu prüfen, ob die belangte Behörde als Ergebnis einer schlüssigen und nachvollziehbaren Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführer davon ausgegangen ist, dass dieses nicht einmal zur Dartuung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Bezahlung eines Kostenbeitrages nach § 68 BauO durch G geeignet war.

Die Beschwerdeführer haben sich in diesem Zusammenhang auf (von ihnen selbst wahrgenommene) Mitteilungen ihrer Rechtsvorgängerin im Eigentum der in Rede stehenden Liegenschaft berufen, wonach ein Kostenersatz für Gehsteigerrichtung im Zusammenhang mit dem Bau des Wohnhauses auf dieser Liegenschaft im Jahr 1935 erfolgt sei. Dabei hat es sich nach den Behauptungen der Beschwerdeführer nicht um die Wiedergabe nebuloser Erinnerungen der G an eine solche Zahlung gehandelt, sondern um - sowohl in Ansehung des Zahlungszeitpunktes als auch der näheren Umstände - durchaus konkrete Angaben. Wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführen, ist es im Verwaltungsverfahren zulässig, Wahrnehmungen nicht vernommener Personen jedenfalls dann zu verwerten, wenn deren Einvernahme nicht mehr möglich ist, weil ein Beweis vom Hörensagen dem österreichischen Verwaltungsverfahren nicht fremd ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zl. 90/02/0151, mit weiteren Hinweisen). Dies gilt im Hinblick auf den in § 129 TLAO verankerten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel auch für Abgabenverfahren nach diesem Gesetz.

Gegen die innere Glaubwürdigkeit der Behauptung der Beschwerdeführer betreffend die ihnen von G gemachten Mitteilungen sowie der (gegebenenfalls) von G gegenüber den Beschwerdeführern gemachten Angaben haben die Abgabenbehörden keine Bedenken geäußert.

Die belangte Behörde hat jedoch (durch Übernahme der Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde) diese für die Entrichtung eines Kostenbeitrages sprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens deshalb nicht einmal für eine Glaubhaftmachung der Entrichtung als ausreichend befunden, weil im Hinblick auf das Bestehen lediglich eines Sandgehweges bis zum Jahr 2001 die objektive Verwirklichung des Tatbestandes nach § 68 BauO ausgeschlossen erscheine.

Die Auffassung der Abgabenbehörde, wonach unter dem Begriff "Gehweg" in den Abgabentatbeständen des § 68 Abs. 3 und 4 BauO nur ein gepflasterter Gehweg zu verstehen ist, entspricht der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 94/17/0217).

Anders als in dem diesem Erkenntnis zu Grunde gelegenen Fall haben die Beschwerdeführer jedoch im hier gegenständlichen Abgabenverfahren dargetan, dass die mit dem Vollzug der BauO betraut gewesenen Behörden - entgegen der vom Verwaltungsgerichtshof später in seinem Erkenntnis vom 22. März 1996 dargelegten objektiven Rechtslage - von der Verwirklichung von Tatbeständen nach § 68 BauO auch dann ausgegangen sind, wenn von der Landeshauptstadt Innsbruck lediglich ein nicht gepflasterter Gehweg errichtet wurde.

Eine solche Verwaltungspraxis ergäbe sich für die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts auf Grund der vorgelegten Protokolle des Stadtrats aus 1930 und 1932 dann, wenn - wozu Feststellungen fehlen - das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer zutreffend wäre, dass einige der von den damaligen Beratungen betroffenen Gehwege auch noch während des hier gegenständlichen Abgabenverfahrens unbefestigt gewesen seien bzw. bei anderen erstmals 2002 eine Befestigung erfolgt sei.

Schließlich zeigen die aus den Jahren 1900 und 1901 vorgelegten Unterlagen, dass eine unklare Verwaltungspraxis der Innsbrucker Behörden (welche ohne erkennbaren Grund in einigen Fällen den Abgabentatbestand des § 68 Abs. 3 BauO schon mit Errichtung eines Sandtrottoirs, in anderen Fällen erst mit Errichtung eines befestigten Trottoirs als verwirklicht angesehen haben) in der Folge vom Landesausschuss und sodann vom k. k. Verwaltungsgerichtshof dahingehend beurteilt wurde, dass der (erstmaligen) Verwirklichung des Tatbestandes nach § 68 Abs. 3 BauO auch ein bereits bestehendes Sand-Trottoir entgegenstehen kann.

Im Hinblick auf den damit erfolgten Nachweis einer (insbesondere in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts bestandenen) Verwaltungspraxis, Tatbestände nach § 68 BauO auch bei Bestehen bzw. Herstellung nur eines Sand-Trottoirs anzunehmen, vermag der Hinweis der Abgabenbehörden auf die (erst 1996 vom Verwaltungsgerichtshof klargestellte) objektive Rechtslage eine Unwahrscheinlichkeit der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Zahlung eines Kostenbeitrages durch G nicht darzutun.

Gleiches gilt für das von der erstinstanzlichen Abgabenbehörde gebrauchte Argument, ein Nachweis einer Weiterverrechnung sei weder dem Archiv des Tiefbauamtes noch dem Innsbrucker Stadtarchiv zu entnehmen. Eine Anfrage an das zuletzt genannten Archiv ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Das Ergebnis der Anfrage im Archiv des Tiefbauamtes ergab - was auch in der Berufung vorgebracht wurde -, dass dort für die Jahre vor 1945 überhaupt keine Unterlagen mehr existierten. Das Ergebnis dieser Nachfrage kann daher weder für noch gegen die Wahrscheinlichkeit einer Zahlung eines Kostenersatzes nach § 68 BauO durch G sprechen.

Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die mangelhafte Begründung der Beweiswürdigung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Mai 2006

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