Normen
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §33;
VerfGG 1953 §87 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den angefochtenen Bescheid wurde ihr dieser zu Handen der sie im Verwaltungsverfahren vertretenden Steuerberatungs KEG am 2. Februar 2005 zugestellt. Die der Beschwerdeschrift angeschlossene Ablichtung des angefochtenen Bescheides weist eine mit diesem Vorbringen auch übereinstimmende Adressierung des angefochtenen Bescheides und einen mit dem 2. Februar 2005 datierten Eingangsvermerk auf.
Mit einem am 30. März 2005 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrte die Beschwerdeführerin vom Verfassungsgerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, erhob gleichzeitig die versäumte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und erstattete im Rahmen des gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgende Ausführungen:
Von der Existenz der ihrem steuerlichen Vertreter am 2. Februar 2005 zugestellten Berufungsentscheidung habe sie erst am 17. März 2005 und vom Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen erst am 30. März 2005, dem Tag der Postaufgabe ihres Schriftsatzes, erfahren. Wie der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin ihrem nunmehr einschreitenden anwaltlichen Vertreter am 30. März 2005 mitgeteilt habe, bestehe in der Steuerberatungskanzlei ein ordnungsgemäß eingerichtetes und ordnungsgemäß überwachtes Fristenkontrollsystem, welches "ebenso wie die langjährige Kanzleileiterin Mag. Sabine N. bis dato klaglos funktioniert bzw. zu keinerlei Beanstandung Anlass gegeben" habe. Wie der Kopie des angefochtenen Bescheides entnommen werden könne, sei dieser mit einem Eingangsstempel versehen und er sei auch in einem Posteingangs- und Fristenbuch unter der auf der Bescheidkopie ersichtlichen Nummer eingetragen worden. Auch im vorliegenden Fall seien die Fristen ordnungsgemäß "mit der EDV" erfasst, der Akt sei aber irrtümlich abgelegt worden. Am 16. März 2005, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, habe Frau Mag. N. "die Fristversäumnis bzw. genau genommen den letzten Tag des Fristenlaufes" bemerkt. In einer "für sämtliche Beteiligte unvorhergesehenen Panikreaktion" habe sie es unterlassen, ihren Vorgesetzten in der Steuerberatungskanzlei Mitteilung hievon zu machen, und habe bloß einen Postversand an die Beschwerdeführerin in Form eines Berichtschreibens gerichtet. Diese "atypische und weisungswidrige" Vorgangsweise sei weder für die Beschwerdeführerin noch für deren "steuerliche Vertretung" vorhersehbar gewesen.
Zu Zwecken der Bescheinigung dieses Wiedereinsetzungsvorbringens waren dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin einige Schriftstücke angeschlossen. In einem von Mag. Sabine N. unterfertigten "Aktenvermerk zur Fristversäumnis" wird von der Genannten dargelegt, dass sie sich nicht erklären könne, weshalb "die Bescheide" im Steuerakt ohne Versand an den Klienten abgelegt worden seien, und dass sie am 16. März 2005, als sie im Steuerakt die Unterlagen gefunden und an die Beschwerdeführerin versandt habe, vorher mit näher genannten Personen der Steuerberatungskanzlei Rücksprache hätte halten sollen, weil es ihr hier aufgefallen sei, dass "die Fristen versäumt" worden seien. In einem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft an den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin wird auf die EDV-mäßige Erfassung der Fristen in der Steuerberatungskanzlei und darauf hingewiesen, dass die von Frau Mag. Sabine N. in ihrem Aufgabenblock eingetragenen Fristen von Frau Mag. Sabine N. regelmäßig "wahrgenommen und bei Bedarf mit den Kanzleiinhabern besprochen" zu werden pflegten. Des Weiteren findet sich unter den vorgelegten Schriftstücken auch ein Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft an die Beschwerdeführerin, welches mit dem 16. März 2005 datiert und für die Steuerberatungsgesellschaft von Mag. Sabine N. unterschrieben ist, in welchem der Beschwerdeführerin der Inhalt und die finanziellen Konsequenzen des angefochtenen Bescheides erläutert werden.
Mit Beschluss vom 26. September 2005, B 364/05-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof, ohne auf den Wiedereinsetzungsantrag einzugehen, die Behandlung der Beschwerde gemäß § 19 Abs. 3 Z. 1 VfGG ab.
Nachdem die Beschwerdeführerin innerhalb der im § 87 Abs. 3 VfGG genannten Frist an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt hatte, die Beschwerde und den Wiedereinsetzungsantrag zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, trat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005, B 364/05-5, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG iVm § 87 Abs. 3 VfGG, ohne auf den Wiedereinsetzungsantrag einzugehen, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und tritt sie sodann antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, dann hat über einen beim Verfassungsgerichtshof gestellten und von diesem nicht erledigten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sei es wegen Versäumung der Beschwerdefrist, sei es wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, ebenso der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden, wie es dann auch dem Verwaltungsgerichtshof obliegt, die Rechtzeitigkeit der vom Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof gesetzten Prozesshandlungen zu beurteilen (siehe etwa die hg. Beschlüsse vom 26. Juni 1992, 88/17/0207, vom 17. August 1994, 94/15/0112, vom 13. September 1994, 94/14/0126, 0127, vom 24. Februar 1998, 97/13/0150, vom 28. März 2001, 2001/13/0041, und vom 5. April 2001, 2001/15/0032, 0039).
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein dem Vertreter der Partei widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat (siehe die hg. Beschlüsse vom 15. Juni 2005, 2005/13/0043, vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145, und vom 27. Februar 2001, 2001/13/0024 und 0025). Fehlleistungen von Mitarbeitern stellen für den Vertreter der Partei dann ein solches unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Parteienvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Pflicht zur Überwachung seiner Mitarbeiter nachgekommen ist und durch geeignete Kontrollmechanismen dafür vorgesorgt hat, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen voraussichtlich rechtzeitig erkannt und deren Folgen vermieden werden können (siehe neben dem bereits zitierten Beschluss vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145, etwa auch den hg. Beschluss vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042, sowie das zur gleich gestalteten Bestimmung des § 308 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2002/15/0109).
Ebenso entspricht es ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erstatteten Behauptungen des Antragstellers vorgegeben wird (siehe auch hiezu die bereits zitierten hg. Beschlüsse vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145, und vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042, ebenso wie das oben genannte Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2002/15/0109).
Das Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin erlaubt es dem Gerichtshof nicht, die im Beschwerdefall unterlaufene Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit einem rechtlich als Wiedereinsetzungsgrund qualifizierbaren Sachverhalt in Zusammenhang zu bringen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt schon klargestellt hat, stößt die ihm in der Bestimmung des § 46 Abs. 1 VwGG eröffnete Möglichkeit, Parteien in ihren Rechtsschutzbedürfnissen auch vor Versäumnissen ihrer Vertreter zu schützen, dort nämlich an eine Grenze, wo nicht mehr ein nachvollziehbares und verstehbares Missgeschick behauptet, sondern ein Sachverhalt geltend gemacht wird, dessen Anerkennung als Wiedereinsetzungsgrund wegen der im Dunklen bleibenden Beliebigkeit des als kausal für die Fristversäumung vorgetragenen Geschehensablaufes ohne gleichzeitige Darstellung der Vorkehrung aller zumutbaren Hinderungsmaßnahmen auf das Ergebnis einer materiellen Bedeutungslosigkeit gesetzlicher Fristen und der Obliegenheit zu ihrer Wahrung hinausliefe (siehe etwa die hg. Beschlüsse vom 11. Dezember 1996, 96/13/0173, 0174, und vom 9. April 1997, 97/13/0048).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Weshalb der eingelangte anzufechtende Bescheid trotz des in der Steuerberatungskanzlei des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin - ihrem Vorbringen nach - installierten Fristenkontrollsystems zunächst unbearbeitet abgelegt werden konnte, blieb sowohl nach dem Antragsvorbringen als auch nach dem Inhalt der Bescheinigungsurkunden gänzlich im Dunklen. Ebenso im Dunklen blieb die rechtliche Stellung jener Mag. Sabine N., die zwar als "Kanzleileiterin" bezeichnet wird, der im Unternehmen der Steuerberatungsgesellschaft die Befugnis zum Handeln aber augenscheinlich völlig überlassen worden war.
War diese (akademisch gebildete) Mitarbeiterin der Steuerberatungsgesellschaft - im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur zur Bedeutung eines Verschuldens von Parteienvertretern -
kraft ihrer Stellung in der Steuerberatungsgesellschaft rechtlich nämlich auch als "Vertreter" der Beschwerdeführerin zu werten, dann muss die Beschwerdeführerin die von Mag. Sabine N. am letzten Tag der offenen Beschwerdefrist getroffene Willensentscheidung zur Unterlassung einer Anfechtung des Bescheides auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie diese Willensentscheidung nicht billigt. Selbst dann, wenn man die Vorgangsweise von Mag. Sabine N. am letzten Tag der offenen Beschwerdefrist, wie von der Beschwerdeführerin beurteilt, als "unvorhergesehene Panikreaktion" qualifizieren wollte, würde eine solche "Panikreaktion" eines akademischen Mitarbeiters einer Steuerberatungskanzlei kein Versehen bloß minderen Grades darstellen. War die rechtliche Stellung von Mag. Sabine N. hingegen auf der Ebene eines solchen Mitarbeiters (im Sinne der zu den Fällen von "Kanzleikräften" ergangenen Judikatur) anzusiedeln, dessen Fehlleistung dem Vertreter der Partei nicht ohne weiteres als Verschulden zugeschrieben werden könnte, dann lässt sich dem Wiedereinsetzungsvorbringen diesfalls nicht entnehmen, in welcher Weise welche andere für die Geschicke der Steuerberatungsgesellschaft verantwortlichen Personen die tatsächlich agierende Mag. Sabine N. in der erforderlichen Weise überwacht und damit die Möglichkeit der Verhinderung von Mag. Sabine N. getroffener Fehlentscheidungen gewährleistet hätten.
Der Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Frist des § 82 Abs. 1 VfGG begann im vorliegenden Fall mit Zustellung des Bescheides an die die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vertretende Steuerberatungsgesellschaft am 2. Februar 2005, einem Mittwoch, zu laufen und endete am Mittwoch, dem 16. März 2005. Die erst am 30. März 2005 zur Post gegeben Beschwerde wurde somit außerhalb der Frist des § 82 Abs. 1 VfGG erhoben und war - im Zusammenhang mit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. März 2006
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