VwGH 2005/05/0072

VwGH2005/05/007221.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Heinz Zak in Wien, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 17, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 14. Dezember 2004, Zl. BOB- 316 und 317/04, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. Ursula Buchelt-Blöch, 2. Dr. Martin Buchelt, beide in 1190 Wien, Starkfriedgasse 44), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §134a Abs1 lita;
BauO Wr §134a Abs1 litb;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §79 Abs3;
BauO Wr §79 Abs4;
BauO Wr §81 Abs2;
BauO Wr §84 Abs2 litb;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §8;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §134a Abs1 lita;
BauO Wr §134a Abs1 litb;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §79 Abs3;
BauO Wr §79 Abs4;
BauO Wr §81 Abs2;
BauO Wr §84 Abs2 litb;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien (im Folgenden: Bauwerber) beantragten mit Ansuchen vom 5. Juni 2003 die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf der Liegenschaft in 1190 Wien, Starkfriedgasse 44. Das bereits bestehende Gebäude soll durch einen Zubau im Norden erweitert werden; östlich an diesen Zubau soll ein Türvorbau und eine nicht überdachte Treppe in einem Abstand von 2,15 m zur östlichen Grundgrenze angebaut werden. Nach Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen mit Bescheid vom 25. März 2002, zuletzt verlängert am 9. April 2003, ist für das Baugrundstück die Widmung Wohngebiet, Bauklasse I und die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt. An der südlich unmittelbar anschließenden Starkfriedgasse ist ein 4 m breiter Vorgarten einzuhalten. Im Übrigen gelten u.a. folgende Bebauungsbeschränkungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass dem Nachbarn zur Frage der Berechtigung des Bauwerbers zur Stellung eines Bauansuchens kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht eingeräumt ist (s Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 317). Ein subjektiv-öffentliches Recht im Zusammenhang mit der Frage, wer die Einreichpläne für die Bauwerber unterschrieben hat sowie ob dieser überhaupt über eine entsprechende Vollmacht verfügt hat, steht ihm umso weniger zu.

Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte werden in § 134a BauO für Wien (BO) taxativ aufgezählt. Dessen Abs. 1 lautet auszugsweise:

"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder

einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht

bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

..."

Der Beschwerdeführer macht u.a. sein aus § 134a Abs. 1 lit. b BO resultierendes Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe geltend. Die Bemessung der Gebäudehöhe ist in § 81 BO geregelt, wobei zunächst auf dessen Abs. 2 zu verweisen ist, weil das Vorhaben nicht an einer Baulinie zur Ausführung gelangt. Abs. 2 des § 81 BO lautet:

"(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Bei dieser Ermittlung sind die Feuermauern ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen bleiben bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht, und der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt."

Das Bauverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren; Gegenstand des Verfahrens ist das in den Einreichplänen (und sonstigen Unterlagen) dargestellte Projekt (siehe u.a. das hg Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0296) und - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht eine in der Natur bereits bestehende Bauausführung. Sollten die tatsächlichen Ausführungen nicht mit dem bewilligten Plan übereinstimmen, wird die Behörde allenfalls mit einem Abtragungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO vorzugehen haben (siehe das hg Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2001/05/1074). Dem Projekt sind Abgrabungen bzw. Vertiefungen im Bereich der Kellerfenster nicht entnehmbar; die das Gebäude betreffenden strichlierten Linien befanden sich in einem früheren, nicht genehmigten Plan. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer auf die Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe in Bezug auf die ihm nicht zugewandten Seiten der Außenflächen des Gebäudes keinen Rechtsanspruch (siehe beispielsweise das hg Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2003/05/0143), weshalb sich eine nähere Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen bezüglich der Gebäudehöhe an der - dem Beschwerdeführer nicht zugewandten - Westfront erübrigt.

Die Bauwerber haben zur Ermittlung der Gebäudehöhe entsprechend § 81 Abs. 2 BO eine Fassadenabwicklung ("verglichene Höhen") vorgelegt, in der die Flächen der Fronten, die Längen der Fronten, die gemittelte Geländehöhe und die gemittelte Gebäudehöhe dargestellt sind; der Amtssachverständige der MA 37 hat diese Berechnung überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten 515,15 m2 beträgt und geringer als das Produkt der Summen der Längen aller Gebäudefronten von 68,98 m und der sich aus dem Bebauungsplan ergebenden höchsten zulässigen Gebäudehöhe von 7,5 m (somit 517,37 m2) ist. Die laut Plan verglichene Höhe an der dem Beschwerdeführer zugewandten Ostfassade beträgt 7,11 m.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei "die Projektionsfläche auf die Außenkante des Balkons des Erdgeschosses" vorgenommen worden, ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Projekt keinen Balkon enthält. Nach der vorgelegten - und vom Amtsachverständigen überprüften - Fassadenabwicklung beträgt die Ansichtsfläche Ost unter Einschluss der Seitenwand des im Plan als "Loggia" bezeichneten Raumes 164,56 m2; es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, konkret (und nicht bloß mit der Bemerkung, es ergebe sich eine völlig andere und höhere Gebäudehöhe) und auf gleicher fachlicher Ebene zu belegen, inwieweit diese Ermittlung unrichtig war.

Vom Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk wurde in Anwendung des § 69 Abs. 1 lit. f BO eine Abweichung von Bestimmungen des Bebauungsplanes bewilligt. Die Bewilligung bezog sich auf die Bestimmung des Bebauungsplanes, wonach der höchste zulässige Punkt des Daches nicht höher als 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen darf. Bewilligt wurde eine Überschreitung der 4,50 m um 1,06 m; eine Überschreitung um 3,49 m wurde nicht bewilligt. Inwiefern durch die bewilligte Überschreitung in das aus § 134a Abs. 1 lit. b BO resultierende Nachbarrecht eingegriffen wird, legt der Beschwerdeführer nicht dar; er behauptet weder, dass durch die bewilligte Abweichung die Bebaubarkeit seines Grundstückes vermindert werde, noch, dass die tatsächlich bewilligte Abweichung vom Bebauungsplan wesentlich sei.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, die an der östlichen Gebäudefront geplante Freitreppe sei zu lang und er werde insofern in seinem gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO gewährleisteten Recht auf Einhaltung des Seitenabstandes verletzt.

§ 84 Abs. 2 lit. b BO legt fest, welche Gebäudeteile in die Abstandsflächen (das sind nach § 79 Abs. 3 iVm Abs. 4 BO in der offenen oder gekuppelten Bauweise jene Flächen, die zwischen der Nachbargrundgrenze und einer davon gesetzlich festgelegten Abstandslinie liegen) vorragen dürfen: auf einer Breite von höchstens einem Drittel der betreffenden Gebäudefront Türvorbauten, Freitreppen und Schutzdächer über Eingängen, sofern diese Bauteile höchstens 3 m in die vor den Baufluchtlinien gelegenen Flächen oder Abstandsflächen, aber keinesfalls mehr als auf halbe Vorgartentiefe vorragen und von den Nachbargrenzen einen Abstand von wenigstens 1,5 m einhalten.

Laut den Einreichunterlagen soll an der - vom Grundstück des Beschwerdeführers 4 m entfernten - östlichen, 23,10 m langen Gebäudefront ein 3,60 m langer Türvorbau und eine 6 m lange nicht überdachte Treppe in einem Mindestabstand von ca. 2,15 m von der östlichen Grenze zum Grundstück des Beschwerdeführers errichtet werden.

Die belangte Behörde führte dazu aus, der untere Teil der gegenständlichen Treppe bestehe aus Vorlegestufen, die direkt auf dem Erdreich auflägen; dieser 2 m lange weitere Teil der Freitreppe sei nicht in die Berechnung, ob die Länge des Türvorbaus und der Freitreppe das Ausmaß von einem Drittel der östlichen Gebäudefront überschreite, mit einzubeziehen, weil unter "Freitreppe" nur eine Treppe verstanden werden könne, die eine freie Untersicht gewähre. (Tatsächlich lässt sich aus der Ansicht Ost entnehmen, dass die untersten Stufen unterfüllt werden sollen).

Damit übersieht die belangte Behörde aber, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter einer "Freitreppe" eine nicht überdachte Treppe an der Außenseite eines Bauwerkes verstanden wird (siehe die hg Erkenntnisse vom 9. November 1999, Zl. 95/05/0311, und vom 7. September 2004, Zl. 2001/05/1074; der letztgenannte Fall betraf gleichfalls eine an der Außenwand angebrachte, nicht überdachte Treppe, die von einer Terrasse in den Garten führte). Darauf, ob eine solche Treppe eine "freie Untersicht" gewährt, kommt es für die Definition als "Freitreppe" hingegen nicht an. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war daher sehr wohl die gesamte Länge der Freitreppe in die Berechnung, ob die Länge des Türvorbaus und der Freitreppe das Ausmaß von einem Drittel der östlichen Gebäudefront überschreitet, mit einzubeziehen.

Da die Freitreppe und der Türvorbau im vorliegenden Fall eine Gesamtlänge von zumindest 9,60 m und somit mehr als ein Drittel der gegenständlichen Gebäudefront (das wären 7,70 m) aufweisen, ist deren Errichtung in der Abstandsfläche zum östlich anschließenden Grundstück des Beschwerdeführers unzulässig. Durch die Erteilung der vorliegenden Baubewilligung wurde der Beschwerdeführer daher in seinem aus § 134a Abs. 1 lit. a BO resultierenden Recht auf Einhaltung des erforderlichen Seitenabstandes verletzt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich allein aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 2003/333. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der Beschwerdeführer betrifft die im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthaltene, jedoch zusätzlich beanspruchte Umsatzsteuer.

Wien, am 21. September 2007

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