VwGH 2004/17/0208

VwGH2004/17/020819.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. der GG und

2. der MG, beide in Maria Enzersdorf, beide vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, Dr. Peter Karlberger, Dr. Manfred Wiener und Mag. Wilfried Opetnik, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Nibelungengasse 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. September 2004, Zl. IVW3-BE-3171601/011- 2004, betreffend Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Maria Enzersdorf, Hauptstraße 37, 2344 Maria Enzersdorf), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §62 Abs2 idF 8200-3;
KanalG NÖ 1977 §19;
KanalG NÖ 1977 §9;
BauO NÖ 1996 §62 Abs2 idF 8200-3;
KanalG NÖ 1977 §19;
KanalG NÖ 1977 §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. November 1988 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Erstbeschwerdeführerin und Dr. Hermann G als Eigentümer des Grundstücks Nr. 911/10, EZ 3001, die Baubewilligung zur Revitalisierung des dort befindlichen ehemaligen, in einem verfallenen Zustand befindlichen "Badehauses" als Wohnhaus. Dabei war vorgesehen, dass die Abwässer und Fäkalien in eine Senkgrube abgeleitet werden.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde genehmigte in seiner Sitzung vom 14. März 1991 ein zwischen Dr. Hermann G und der Erstbeschwerdeführerin sowie der Marktgemeinde B und der mitbeteiligten Marktgemeinde abgeschlossenes Übereinkommen, in welchem die Marktgemeinde B Dr. Hermann G und der Erstbeschwerdeführerin den Anschluss ihrer Liegenschaft Nr. 911/10, EZ 3001, an das Kanalsystem der Marktgemeinde B unter näher bestimmten Bedingungen gestattete. Dafür verpflichteten sich die Liegenschaftseigentümer für sich und ihre Rechtsnachfolger, der Marktgemeinde B ein Entgelt in der Höhe der jeweils in der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde B für den Mischwasserkanal festgesetzten Kanaleinmündungs- und Benützungsgebühren (einschließlich Umsatzsteuer) zu entrichten. In Punkt III. dieses Übereinkommens erteilte die mitbeteiligte Marktgemeinde ihre ausdrückliche Zustimmung, dass die Parzelle Nr. 911/10, EZ 3001, an das öffentliche Mischwasserkanalnetz der Marktgemeinde B angeschlossen werde und das Entgelt für den Kanalanschluss und die Kanalbenützungsgebühr von den Liegenschaftseigentümern an die Marktgemeinde B direkt entrichtet werde.

1994 wurde das Grundstück Nr. 911/14, EZ 3092, welches auch das sog. "Badehaus" enthielt, vom Grundstück Nr. 911/10, EZ 3001, abgeteilt. Die Beschwerdeführerinnen sind nunmehr je zur Hälfte Eigentümerinnen dieser durch Abteilung entstandenen Liegenschaft.

1995 bewilligte die mitbeteiligte Marktgemeinde den Beschwerdeführerinnen die Errichtung eines Schmutzwasserkanals, damit die anfallenden Abwässer ihrer Liegenschaft über das Grundstück Nr. 911/10, EZ 3001, in das Kanalnetz der Marktgemeinde B abgeleitet werden können.

Mit Jahreswechsel 1995/1996 wurde die Kanalanlage in Betrieb genommen.

Mit Bescheid vom 13. Jänner 2003 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführerinnen gemäß §§ 2 und 3 Kanalgesetz 1977 und der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft Nr. 911/14, EZ 3092, Kanaleinmündungsabgabe von EUR 9.599,19 (einschließlich 10 % USt) vor. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf der Liegenschaft befinde sich ein Wohnhaus mit einer bebauten Fläche von 362,8 m2, das mit drei Geschoßen an die Kanalanlage angeschlossen sei. Ausgehend von einer unbebauten Fläche von 75 m2 betrage die Gesamtberechnungsfläche 800,60 m2.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführerinnen aus, die Versorgung mit Wasser und die Entsorgung von Schmutzwässern erfolge sowohl für das nunmehr abgeteilte Grundstück Nr. 911/14, EZ 3092, als auch für das (verbliebene) Grundstück Nr. 911/10, EZ 3001, durch die Marktgemeinde B, welche 1985 den Eigentümern des damals noch ungeteilten Grundstückes u. a. eine einmalige Kanaleinmündungsabgabe und in der Folge Kanalbenützungsgebühren vorgeschrieben habe. Diese Vorgangsweise sei auf Grund des ausdrücklichen Wunsches der mitbeteiligten Marktgemeinde erfolgt, weil diese unmittelbar nach der Aufteilung der Liegenschaft (ehemalige Kuranstalt W) in fünf Teilliegenschaften erklärt habe, auf Grund der Entfernung und Topographie keine Kanalanschlussmöglichkeit zur Verfügung stellen zu können. Die mitbeteiligte Marktgemeinde sei infolge der von ihr selbst zu verantwortenden Unmöglichkeit des Anschlusses an ihr Kanalnetz nicht berechtigt, von den Beschwerdeführerinnen Abgaben für die Schmutzwasserentsorgung zu erheben. Weiters machten sie ihrer Meinung nach bestehende Verfahrensmängel geltend.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2004 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung ab.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Badehaus sei vor der Revitalisierung nicht an die Kanalisation angeschlossen gewesen und daher bei der Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr für das Grundstück Nr. 911/10, EZ 3001, nicht als bebaute Fläche berücksichtigt worden. Der bezüglich des damals noch ungeteilten Grundstücks Nr. 911/10, EZ 3001, erlassene Abgabenbescheid (der Marktgemeinde B) vom 12. September 1985 über die Kanaleinmündungsabgabe lege nämlich eine Berechnungsfläche von 380,5 m2 zu Grunde, in welcher das Badehaus keine Deckung finde. Grundlage für die Vorschreibung der Kanaleinmündungsgebühr sei damals ausschließlich das auf dem Grundstück Nr. 911/10, EZ 3001, befindliche Wohngebäude mit einer verbauten Fläche von 122,2 m2 gewesen.

Durch die Revitalisierung des Badehauses habe eine Bauführung auf einer abgeteilten Liegenschaft gemäß § 2 Abs. 5 KanalG 1977 stattgefunden. Im Beschwerdefall bediene sich die mitbeteiligte Marktgemeinde der Kanalinfrastruktur der Marktgemeinde B, um ihrer Verpflichtung zur Abwasserentsorgung nachzukommen. Eine Nachprüfung der Berechnungsfläche habe ergeben, dass diese richtig ermittelt worden sei.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführerinnen aus, es sei Sache der Marktgemeinde B zu entscheiden, ob eine Neubemessung angebracht sei. Überdies sei die Abgabenvorschreibung bereits verjährt. Die Fertigstellungsanzeige für den 56 % umfassenden Südteil des Badehauses als selbstständige Wohneinheit in Form eines Hauses (das "Nordhaus" sei eine selbstständige Hauseinheit) sei bereits am 21. November 1997 erstattet worden. Der Abgabenbescheid sei mehr als fünf Jahre danach, nämlich am 13. Jänner 2003, erlassen und zumindest für diesen selbstständigen Teil des ehemaligen Badehauses längst verjährt. Für dieses "Südhaus" könne nicht die Baufertigstellungsanzeige vom 30. Oktober 2002 (betreffend das "Nordhaus" zu Grunde gelegt werden).

Die Berechnungsfläche betrage richtig nur 477,64 m2. Die belangte Behörde habe unrichtigerweise Kellerflächen und nicht überbaute oder nicht allseitig umbaute Terrassenflächen im Ausmaß von 242,68 m2 einbezogen.

Überdies machten die Beschwerdeführerinnen diverse Verfahrensfehler geltend und beantragten die Einvernahme diverser namentlich genannter Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob Anschlüsse an das Kanalnetz der mitbeteiligten Marktgemeinde überhaupt möglich, sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar gewesen wären. In Bezug auf die Kanalanschlussgebühren bestehe keine Rechtsbeziehung zur mitbeteiligten Marktgemeinde. Eine solche könne nicht willkürlich zur Befriedigung fiskalischer Interessen gegen rechtswirksame Vereinbarungen zwischen ihr, den Beschwerdeführerinnen und der Marktgemeinde B hergestellt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften ausgeführt, die verfahrensgegenständliche Liegenschaft sei auf dem Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde gelegen, sodass nur diese Gebietskörperschaft im Wege der Hoheitsverwaltung Abgaben und Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen vorschreiben dürfe. Dabei spiele es aber keine Rolle, von wem diese Versorgungseinrichtungen errichtet worden seien bzw. müssten diese Anlagen auch nicht im Eigentum der Gemeinde stehen. Maßgeblich sei lediglich, dass diese Gemeindeeinrichtungen von der mitbeteiligten Marktgemeinde bzw. in deren Auftrag für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben würden. Von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen im Sinn des § 16 Abs. 3 FAG 2001 sei zu sprechen, wenn die Gemeinde über diese das Verfügungsrecht habe und die Benützer der Einrichtung/Anlage ausschließlich in direkte Rechtsbeziehung zur Gemeinde träten. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die von der Gemeinde betriebene Einrichtung/Anlage im Eigentum der Gemeinde stehe oder von ihr etwa gemietet sei.

Im Beschwerdefall sei die Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen an einen Kanalstrang angeschlossen, der in das Kanalnetz der Marktgemeinde B münde. Dennoch erfolge die öffentliche Abwasserentsorgung im Namen der mitbeteiligten Marktgemeinde. Durch die Bescheide, durch die der Anschluss ermöglicht worden sei, und durch die ergangenen Abgabenbescheide sei die mitbeteiligte Marktgemeinde in direkte Rechtsbeziehung zu den Beschwerdeführerinnen getreten. Es mache keinen Unterschied, ob sich die Gemeinde bei Besorgung ihrer Aufgaben eines Abwasserverbandes oder - wie im Beschwerdefall - Einrichtungen der Nachbargemeinde bediene.

Der Abgabenanspruch zur Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe gem. § 12 Abs. 1 lit. b KanalG 1977 entstehe im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde. Die "Fertigstellungsmeldung" vom 21. November 1997 habe die nach § 30 Bauordnung 1996 geforderten Kriterien nicht einmal ansatzweise erfüllt, zumal diesem Schreiben weder die Bauführerbescheinigung noch sonstige Bescheinigungen oder Befunde angeschlossen gewesen seien. Nur das Schreiben vom 30. Oktober 2002 könne als Fertigstellungsmeldung gewertet werden, weil mit diesem Schreiben alle erforderlichen Unterlagen beigebracht worden seien. Selbst wenn man die Bauanzeige vom 3. November 2001, in welcher die Zweitbeschwerdeführerin den Anschluss der Liegenschaft an das öffentliche Kanalnetz bekannt gegeben habe, als "Fertigstellungsanzeige" qualifizieren würde, wäre die Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides am 13. Jänner 2003 noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt.

Da gemäß § 2 Abs. 5 KanalG 1977 auch bei einer Bauführung auf Grundstücken, die durch Abteilung einer Liegenschaft entstanden seien, die Verpflichtung zur Bezahlung der Kanaleinmündungsabgabe auch dann eintrete, wenn für die ungeteilte Liegenschaft eine Kanaleinmündungsabgabe bereits bezahlt worden sei, sei die mitbeteiligte Marktgemeinde berechtigt gewesen, eine Kanaleinmündungsabgabe für die im Jahre 1994 durch Abteilung entstandene Liegenschaft, auf der in der Folge der Kanalanschluss hergestellt worden sei, vorzuschreiben.

Die bebaute Fläche sei jene Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt werde. Unberücksichtigt blieben dabei bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragten, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge und untergeordnete Bauteile. Nachdem nun das Untergeschoß des "Badehauses" in südliche und östliche Richtung "vorspringt", seien diese Flächen auch bei der Ermittlung der Geschoßfläche heranzuziehen, während das Erdgeschoß in nördlicher und westlicher Ausdehnung das größte Geschoß darstelle. Die von den Abgabenbehörden ermittelte bebaute Fläche von 362,8 m2 sei durchaus nachvollziehbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 1 Niederösterreichisches Kanalgesetz 1977, LGBl. Nr. 8230-0 (in der Folge: KanalG), ermächtigt gemäß § 8 Abs. 5 F-VG 1948 die Gemeinden, u.a. Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) zu erheben.

Nach § 1 Abs. 5 KanalG idF LGBl. Nr. 8230-5 ist die Kanalerrichtungsabgabe eine zweckgebundene Einnahme, die ausschließlich für die Errichtung, für die Erhaltung und den Betrieb der Kanalanlage verwendet werden darf.

Gemäß § 2 Abs. 1 KanalG idF LGBl. Nr. 8230-5 ist für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten. Bei einer Bauführung auf Grundstücken, die durch Abteilung einer Liegenschaft entstehen, tritt die Verpflichtung zur Bezahlung der Kanaleinmündungsabgabe auch dann ein, wenn für die ungeteilte Liegenschaft eine Kanaleinmündungsabgabe bereits bezahlt worden ist.

Der Einheitssatz, der nach § 3 Abs. 1 KanalG idF LGBl. Nr. 8230-1 der Abgabenberechnung zu Grunde zu legen ist, darf nach Abs. 3 leg. cit. (idF LGBl. Nr. 8230-2) 5 v. H. jenes Betrages nicht übersteigen, der unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses für die gesamte Kanalanlage einschließlich der Nebenanlagen erforderlichen Baukosten auf den laufenden Meter der Kanalanlage durchschnittlich entfällt. Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zu Grunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes sind in die Kanalabgabenordnung aufzunehmen.

§ 4 Abs. 1 KanalG idF LGBl. Nr. 8230-1 sieht die Verpflichtung zur Leistung einer Sonderabgabe vor, wenn durch die Zweckbestimmung einer Baulichkeit eine über das übliche Maß hinausgehende Beanspruchung des Kanals und der dazugehörigen Anlage zu gegenwärtigen ist.

Die Gemeinde hat nach § 6 Abs. 2 lit. a KanalG idF LGBl. Nr. 8230-1 in ihrer Kanalabgabenordnung u.a. die der Berechnung zu Grunde liegenden Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes anzugeben.

Nach § 9 Abs. 2 KanalG idF LGBl. Nr. 8230-2 ist die Kanalerrichtungsabgabe für jene Liegenschaft zu errichten, für welche die Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Kanalanlage besteht oder für welche der Anschluss bewilligt wurde.

Im Falle einer Bauführung entsteht nach § 12 Abs. 1 lit. b KanalG idF LGBl. Nr. 8230-5 die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde.

§ 62 Abs. 2 Niederösterreichische Bauordnung idF LGBl. Nr. 8200-3 (in der Folge: BauO) sieht vor, dass die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer in den öffentlichen Kanal abzuleiten sind, wenn eine Anschlussmöglichkeit besteht. Ist keine Anschlussmöglichkeit vorhanden, sind die Schmutzwässer in eine Senkgrube zu leiten oder über eine wasserrechtlich bewilligte Kläranlage in unschädlicher Weise abzuleiten. Jauche, Gülle und sonstige Schmutzwässer aus Stallungen, Düngerstätten und Silos für Nasssilage sowie andere Schmutzwässer, die nicht in den öffentlichen Kanal eingebracht werden dürfen, sind in Sammelgruben einzuleiten. Ist die Aufbringung häuslicher Abwässer gemeinsam mit den genannten landwirtschaftlichen Schmutzwässern auf landwirtschaftlichen Flächen zulässig, ist keine Senkgrube zu errichten, wenn die häuslichen Abwässer direkt in die Sammelgrube für landwirtschaftliche Schmutzwässer eingeleitet werden.

Unstrittig ist, dass die Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen zwar auf dem Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde gelegen, aber an das öffentliche Kanalnetz der Marktgemeinde B angeschlossen ist. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten aus diesem Grund die Berechtigung der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Erhebung der Kanaleinmündungsabgabe.

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 KanalG ist das Recht einer Gemeinde zur Erhebung der Kanalerrichtungsabgabe davon abhängig, dass eine von zwei alternativen Bedingungen erfüllt ist: entweder ist der Liegenschaftseigentümer verpflichtet, seine Liegenschaft an die öffentliche Kanalanlage anzuschließen, oder die Gemeinde hat den Anschluss an die öffentliche Kanalanlage bewilligt.

Ob eine Anschlussverpflichtung eintritt, ist nur aus § 62 Abs. 3 BauO zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2005/05/0197). Eine Anschlussverpflichtung liegt nach dieser Bestimmung jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Anschluss an die öffentliche Kanalanlage nicht möglich ist.

Im Beschwerdefall haben die Beschwerdeführerinnen bereits im Abgabenverfahren die Unmöglichkeit des Anschlusses ihrer Liegenschaft an das Kanalnetz der mitbeteiligten Marktgemeinde behauptet und damit sowohl ihre Anschlussverpflichtung als auch das Recht der mitbeteiligte Marktgemeinde zur Abgabenerhebung verneint.

Weder die Abgabenbehörden noch die belangte Behörde haben sich mit diesem Vorbringen auseinander gesetzt.

Gemäß § 62 Abs. 2 BauO setzt die Anschlussverpflichtung für die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer an eine Kanalanlage die Anschlussmöglichkeit an den öffentlichen Kanal voraus. Das für die Anschlussverpflichtung geforderte Tatbestandselement "öffentlicher Kanal" bezieht sich nicht auf die Größe und den Umfang des durch den Abwasserkanal zu versorgenden Gebietes, vielmehr kommt damit zum Ausdruck, dass es sich um eine der Allgemeinheit dienende Einrichtung (vgl. hiezu § 19 KanalG) handeln muss, die der geordneten Beseitigung von in der Gemeinde anfallenden Abwässern dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 98/05/0002, mwN).

Im Beschwerdefall durfte die belangte Behörde bereits allein auf Grund des Umstandes, dass die verfahrensgegenständliche Liegenschaft an irgendein öffentliches Kanalnetz, nämlich das Kanalnetz einer Nachbargemeinde, angeschlossen wurde, davon ausgehen, dass die mitbeteiligte Marktgemeinde, in deren Gemeindegebiet diese Liegenschaft gelegen ist, zur Erhebung der Kanaleinmündungsabgabe berechtigt ist.

Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass es auf das zivilrechtliche Eigentum an der öffentlichen Kanalisationsanlage nicht ankommt. Eine "öffentliche Kanalanlage" muss auch nicht zwingend von der jeweiligen Gemeinde allein betrieben werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/06/0169, mwN). Nach ständiger hg. Rechtsprechung kann sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Gemeinde beispielsweise eines Abwasserverbandes zur Abwasserentsorgung bedienen (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 91/17/0159, mwN).

Die belangte Behörde hätte im Beschwerdefall jedoch zu begründen gehabt, warum das öffentliche Kanalnetz der Nachbargemeinde B (auch) als Einrichtung der mitbeteiligten Marktgemeinde anzusehen sei und deren Entsorgungsleistung der geordneten Beseitigung von in deren Gemeindegebiet anfallenden Abwässern dienen sollte. Diesbezügliche Feststellungen sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Die mitbeteiligte Marktgemeinde beruft sich auch nicht auf eine Kanalabgabenordnung, die ihre Rechtsauffassung tragen könnte, wobei sich diesfalls die Frage der Gesetzmäßigkeit einer solchen stellte.

Aus den genannten Gründen kann auch in der 1995 von der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführerinnen erteilten baurechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Schmutzwasserkanals zur Ableitung der anfallenden Abwässer in das Kanalnetz der Marktgemeinde B keine Anschlussbewilligung iSd § 9 Abs. 2 KanalG gesehen werden, welche der mitbeteiligten Marktgemeinde das Recht zur Abgabenerhebung eröffnen würde. Feststellungen über allfällige andere Anschlussbewilligungen wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage entscheidungsrelevante Feststellungen über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 KanalG, insbesondere solche, die es erlauben würden, das Kanalnetz der Nachbargemeinde B (auch) der mitbeteiligten Marktgemeinde zuzurechnen, unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. November 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte