VwGH 2004/08/0083

VwGH2004/08/008326.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerden des K in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien 1. vom 22. März 2004, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2003-3152 (hg. Zl. 2004/08/0083), und 2. vom 13. April 2004, Zl. LGSW/Abt. 3- A1V/1218/56/2004-3842 (hg. Zl. 2004/08/0084), betreffend Notstandshilfe (als Pensionsvorschuss),

Normen

AlVG 1977 §36 Abs1 idF 2000/I/142;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB idF 2000/I/142;
AlVG 1977 §36 Abs5 idF 2000/I/142;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;
NotstandshilfeV §6 Abs2 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs3 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs4 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs6;
AlVG 1977 §36 Abs1 idF 2000/I/142;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB idF 2000/I/142;
AlVG 1977 §36 Abs5 idF 2000/I/142;
AlVG Freigrenzenerhöhungsrichtlinie 2002;
NotstandshilfeV §6 Abs2 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs3 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs4 idF 2001/II/490;
NotstandshilfeV §6 Abs6;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die zur hg. Zl. 2004/08/0083 erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Der zur hg. Zl. 2004/08/0084 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Der zuletzt als Tapezierer und Bodenleger tätig gewesene Beschwerdeführer bezieht seit über 15 Jahren mit krankheitsbedingten Unterbrechungen Notstandshilfe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, erstangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ab dem 11. Oktober 2003 Notstandshilfe (als Pensionsvorschuss) in Höhe von täglich EUR 6,36 gebühre. Die Anrechnung des Einkommens der Ehepartnerin des Beschwerdeführers entspreche dem Gemeinschaftsrecht. Eine Freigrenze für seinen Sohn könne nicht zuerkannt werden, weil dieser als Zivildiener ein Einkommen in Höhe von EUR 374,06 beziehe, das die monatlichen Geringfügigkeitsgrenze für das Jahr 2003 in Höhe von EUR 309,38 übersteige. Die gesetzliche Freigrenze für die Ehepartnerin des Beschwerdeführers in Höhe von EUR 437,-- dürfe nach der zu § 36 Abs. 5 AlVG erlassenen Richtlinie des AMS zur Freigrenzenerhöhung um maximal 50 Prozent erhöht werden. Diese Erhöhung könne durch die Vollendung des 50. Lebensjahres des Beschwerdeführers in Verbindung mit seinem vom Bundessozialamt bestätigten Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 Prozent zur Gänze gewährt werden. Eine darüber hinausgehende Freigrenzenerhöhung etwa für Kredite bzw. Medikamentenkosten sei auf Grund der geltenden Gesetzeslage nicht möglich. Die Ehepartnerin des Beschwerdeführers habe in den Monaten Juli bis September 2003 im Durchschnitt EUR 1.327,17 netto verdient.

Der Notstandshilfeanspruch errechne sich wie folgt:

"Einkommen Ihrer Gattin netto

EUR 1.327,17

abzüglich

Werbekostenpauschale

EUR 11,-

Freigrenze für Ihre Gattin

EUR 437,-

Freigrenzenerhöhung 50. Lj + 50 v.H. Behind.

EUR 218,50

monatlich anrechenbares Einkommen

EUR 660,67"

Der tägliche Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers würde ohne Anrechnung des Partnereinkommens EUR 28,09 betragen. Bei einem täglichen Anrechnungsbetrag des Partnereinkommens in Höhe von EUR 21,73 ergebe sich ein täglicher Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers in Höhe von EUR 6,36.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2004/08/0083 protokollierte Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

2. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstangefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG ab und sprach aus, dass dem Beschwerdeführer ab dem 11. Oktober 2003 Notstandshilfe (als Pensionsvorschuss) in Höhe von täglich EUR 17,15 gebühre. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2004, Zl. 2000/08/0176, zufolge sei für die Beurteilung der Gewährung einer Freigrenze für einen Sohn, der Zivildienst leiste und im gemeinsamen Haushalt lebe, nicht maßgeblich, ob dieser ein Einkommen unter oder über der Geringfügigkeitsgrenze erziele, sondern ob das Kind selbsterhaltungsfähig bzw. zur eigenen Bedürfnisdeckung in der Lage sei, wobei für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit der Ausgleichszulagenrichtsatz (für das Jahr 2003: EUR 643,54) heranzuziehen sei. Für den Zivildienst leistenden Sohn des Beschwerdeführers, der im gleichen Haushalt lebe und zu dessen Unterhalt der Beschwerdeführer und seine Ehefrau beitragen würden, sei somit eine zusätzliche Freigrenze in Höhe von 218,50 zu gewähren.

Der Notstandshilfeanspruch errechne sich daher wie folgt:

"Einkommen Ihrer Gattin netto

EUR 1.327,17

abzüglich

Werbekostenpauschale

EUR 11,-

Freigrenze für Ihre Gattin

EUR 437,-

Freigrenze für Ihren Sohn Patric

EUR 218,50

Freigrenzenerhöhung 50. Lj + 50 v.H. Behind.

EUR 327,75

monatlich anrechenbares Einkommen

EUR 332,92"

Ohne Anrechnung des Partnereinkommens würde der tägliche Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers EUR 28,09 betragen. Bei einem täglichen Anrechnungsbetrag des Partnereinkommens in Höhe von EUR 10,94 ergebe sich ein täglicher Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers in Höhe von EUR 17,15.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2004/08/0084 protokollierte Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung "der vorliegenden Beschwerde" beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:

Zu der zur hg. Zl. 2004/08/0083 erhobenen Beschwerde:

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden. Demnach ist eine Abänderung des Bescheides, die die Rechtsstellung der Betroffenen verbessert, zulässig (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anm. 14 zu § 68 AVG). Der zweitangefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 2004, mit dem der erstangefochtene Bescheid vom 22. März 2004 gemäß § 68 Abs. 2 AVG abgeändert wurde, stellt das Ergebnis zweier (gedanklich) zu trennender Entscheidungen dar: Die eine - verfahrensrechtliche - Entscheidung betrifft die Beseitigung der rechtskräftigen Sachentscheidung, die andere - materiellrechtliche - Entscheidung betrifft die Sache, d.h. die inhaltliche Gestaltung der zu erlassenden neuen Sachentscheidung (vgl. Walter/Thienel, aaO, Anm. 18 zu § 68 AVG). Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, dass seine Rechtsstellung durch den zweitangefochtenen Bescheid ausschließlich verbessert worden ist. Mit der Beseitigung des erstangefochtenen Bescheides durch den zweitangefochtenen Bescheid gehörte der erstangefochtene Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand an. Die erst nach Ausscheiden des erstangefochtenen Bescheides aus dem Rechtsbestand erhobene, zur Zl. 2004/08/0083 protokollierte Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/119).

Zu der zur hg. Zl. 2004/08/0084 erhobenen Beschwerde:

Der Beschwerdeführer begehrt die Zuerkennung von Notstandshilfe in einem EUR 17,15 täglich überschreitenden Betrag. Er führt aus, die belangte Behörde habe zu Unrecht seine Krankheit, seine Behinderung, die damit verbundenen Belastungen in Form von Medikamentenkosten in der durchschnittlichen Höhe von monatlich EUR 70,-- monatliche Kreditbelastungen für Wohnraumsanierung in der Höhe von EUR 202,32 sowie die gemeinsame Unterhaltsverpflichtung für seinen Sohn nicht als freigrenzenerhöhende Umstände in Betracht gezogen und keine Ermittlungen dazu vorgenommen.

Gemäß § 33 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe u.a., dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet. Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. § 36 Abs. 1 und Abs. 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 lauten:

"(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erlässt nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Dienstgeber und der Dienstnehmer Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe. In diesen Richtlinien kann das Ausmaß insbesondere nach Familienstand, Sorgepflichten, Alter des Arbeitslosen und Dauer der Arbeitslosigkeit abgestuft werden. Die Notstandshilfe darf jedoch mit keinem höheren Betrag als dem des Arbeitslosengeldes festgesetzt werden und unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 nicht unter 75 vH des Arbeitslosengeldes sinken.

(2) In den nach Abs. 1 zu erlassenden Richtlinien sind auch die näheren Voraussetzungen im Sinne des § 33 Abs. 4 festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort u. a.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Weiters sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze Bestimmungen darüber zu treffen, inwieweit für den Fall, dass das der Beurteilung zugrundeliegende Einkommen nicht ausreicht, um die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen sicherzustellen, Notstandshilfe unter Anrechnung des Einkommens mit einem Teilbetrag gewährt werden kann. Bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe ist sicherzustellen, dass die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt."

Gemäß § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG ist bei Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners vom Einkommen des Ehepartners bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) frei zu lassen, der nach der Größe der Familie verschieden bemessen werden kann. Nach § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG ist bei Vorliegen näher umschriebener Voraussetzungen für Arbeitslose über dem 50. bzw. dem 55. Lebensjahr der Freibetrag nach sublit. a um 100 vH bzw. 200 vH zu erhöhen.

§ 36 Abs. 5 AlVG in der genannten Fassung lautet:

"(5) Eine Erhöhung der im Abs. 3 lit. B lit. a angeführten Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl. kann im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen."

Die auf Grund des (nicht unmittelbar an die Behörden des Arbeitsmarktservice adressierten) § 36 Abs. 1 AlVG vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erlassene Notstandshilfeverordnung (NH-VO), BGBl. Nr. 352/1973, in der hier maßgebenden Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001, legt u. a. fest, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer Notlage anzunehmen (§ 2) und wie das Einkommen des Arbeitslosen auf die Notstandshilfe anzurechnen ist (§ 5). Der die Anrechnung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen regelnde § 6 NH-VO lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat 430 Euro für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt.

(3) Die Freigrenze beträgt das Doppelte des jeweils maßgeblichen Betrages gemäß Abs. 2, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b Arbeitslosenversicherungsgesetz) oder länger erschöpft hat.

(4) Die Freigrenze beträgt das Dreifache des jeweils maßgeblichen Betrages gemäß Abs. 2, wenn der Arbeitslose bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft und auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten (§ 14 Abs. 4 AlVG) von mindestens 240 Monaten oder von 1 040 Wochen nachgewiesen hat. Das Gleiche gilt, wenn eine Arbeitslose das 54. Lebensjahr vollendet hat und in den letzten 25 Jahren vor Vollendung des 54. Lebensjahres mindestens 180 Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(5) Die im Abs. 3 und 4 genannten höheren Freigrenzen sind jeweils nur anzuwenden, wenn das Arbeitsmarktservice dem Arbeitslosen auch unter weitestmöglichem Einsatz von Beihilfen keine zumutbare Beschäftigung vermitteln konnte.

(6) Wenn der Arbeitslose oder sein Ehepartner (Lebensgefährte bzw. Lebensgefährtin) das 50. Lebensjahr vollendet hat und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 vH aufweist oder eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bezieht, so ist in jedem Fall eine Erhöhung der Einkommensgrenzen um 50 vH vorzunehmen; der Nachweis der Behinderung hat gemäß § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, zu erfolgen.

(...)"

Die auf Grund des § 36 Abs. 5 AlVG vom Arbeitsmarktservice (im Sinne des § 4 Abs. 3 AMSG) erlassenen, in der Wiener Zeitung kundgemachten (und bei Pfeil/Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, 487 ff, wiedergegebenen) Richtlinien zur Freigrenzenerhöhung bringen in ihrem Abschnitt "I. Allgemeines" zunächst zum Ausdruck, dass die Berücksichtigungswürdigkeit freigrenzenerhöhender Umstände keine Ermessensentscheidung gestatte. Bei Vorliegen von Berücksichtigungswürdigkeit sei die Freigrenze zu erhöhen, wobei es erst hier im Ermessen des Arbeitsmarktservice liege, in welchem Ausmaß die Freigrenze erhöht werde. Das Ausmaß der Erhöhung der Freigrenze dürfe "die Freigrenze gem. § 6 Abs. 2 bis 4 Notstandshilfe-Verordnung um max. 50 Prozent übersteigen." Bei Vorliegen "mehrerer Freigrenzen erhöhender Tatbestände darf die Summe der berücksichtigten Kosten die vorstehende 50-Prozent-Grenze nicht überschreiten." Die Freigrenzenerhöhung für ältere Arbeitslose gemäß § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG bleibe unberührt. In Abschnitt "II. Berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG" sind als Umstände, die zur Freigrenzenerhöhung führen können, unter anderem angeführt:

"1. Krankheit der Leistungsbezieherin/des Leistungsbeziehers sowie von im Haushalt lebenden Angehörigen, für die Sorgepflicht besteht.

2. Behinderung der Leistungsbezieherin/des Leistungsbeziehers sowie von im Haushalt lebenden Angehörigen, für die Sorgepflicht besteht.

...

  1. 6.

    Unterhaltsverpflichtungen

  2. 7. Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung; während des Leistungsbezuges bzw. nach Eintritt der letzten Arbeitslosigkeit aufgenommene Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung können ausnahmsweise und nur dann berücksichtigt werden, wenn die damit getätigten Anschaffungen (im unbedingt notwendigen Umfang) zur Sicherung einer angemessenen Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich sind (z.B. Wohnraumsanierung usw.).

    8. Aufwendungen zur Erhebung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens; unter diesem Titel kann ein nachgewiesener Aufwand, der im Zusammenhang mit der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung des Einkommens entsteht, in einem das erhöhte Werbekostenpauschale übersteigenden Ausmaß berücksichtigt werden. Beispielsweise die Kosten für die Haltung eines Fahrzeuges (Mittelklassewagen), das zur Berufsausübung unbedingt erforderlich ist, sofern diese nicht in Form eines erhöhten Werbekostenpauschales bereits berücksichtigt wurden.

    9. Aufwendungen durch erhöhte Kinderanzahl im Haushalt, Minderung des Einkommens durch Exekution und sonstige nicht von der beispielhaften Aufzählung im § 36 Abs. 5 AlVG erfasste Umstände.

    In den vorstehenden Fällen kann die Freigrenze im nachgewiesenen Ausmaß der Aufwendungen bis zur Maximalgrenze von 50 Prozent erhöht werden."

    Die Anordnungen der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie betreffend die Erhöhung der Freigrenze um einen bestimmten Prozentsatz, höchstens aber um 50 Prozent, beziehen sich nach ihrem Punkt I nicht nur auf die (nach der Vorgabe des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG) in § 6 Abs. 2 NH-VO festgesetzte Freigrenze, sondern auch auf die (nach der Vorgabe des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG) in § 6 Abs. 3 und 4 NH-VO auf das Doppelte bzw. Dreifache der in § 6 Abs. 2 NH-VO genannten Beträge hinaufgesetzten Freigrenzen. Damit wird der Verordnungsermächtigung des § 36 Abs. 5 AlVG entsprochen, weil die Freigrenzen auch nach einer allfälligen Erhöhung gemäß § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG als solche aufzufassen sind, die in § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG iSd § 36 Abs. 5 AlVG "angeführt" werden.

    Im vorliegenden Fall ist strittig, ob sich die Anordnungen der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie des Arbeitsmarktservice in gleicher Weise auch auf jene Freigrenze beziehen, die sich aus der in der Notstandshilfeverordnung vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vorgesehenen Erhöhung der Einkommensgrenzen gemäß § 6 Abs. 6 NH-VO um 50 vH ergibt. Die zuletzt genannte Verordnungsbestimmung beruht auf den Vorgaben des § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 AlVG und ist Teil der dort vorgesehenen Abstufungs- und Differenzierungsmöglichkeiten. Sie stellt nicht nur auf das Alter und den Grad der Behinderung des Arbeitslosen, sondern auch auf das bzw. den seines Partners ab und trägt in typisierender Weise einer von diesen Umständen geprägten wirtschaftlichen Situation des Arbeitslosen selbst sowie dessen Partner (§ 36 Abs. 2 AlVG) Rechnung. (Ob durch die Wendung "so ist in jedem Fall eine Erhöhung der Einkommensgrenzen um 50 vH vorzunehmen" in § 2 Abs. 6 NH-VO zum Ausdruck gebracht wird, dass es nur dann zu einer solchen Erhöhung kommt, wenn nicht schon eine Erhöhung nach § 6 Abs. 3 oder 4 NH-VO zu erfolgen hat, muss hier nicht untersucht werden.) Auch bei der nach § 6 Abs. 6 NH-VO zu erhöhenden Freigrenze handelt es sich um einen iSd § 36 Abs. 5 AlVG "im Abs. 3 lit. B lit. a" des § 36 AlVG angeführten Freibetrag, auf den sich die Freigrenzenerhöhungsrichtlinie bezieht (dessen Erhöhung demnach um bis zu 50 Prozent möglich ist), und nicht etwa - wie die belangte Behörde meint - um eine Freigrenze, die als nach der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie bereits als erhöht zu betrachten und wegen Erreichens der 50-Prozent-Grenze nicht weiter erhöht werden könnte. In der grundsätzlich auf alle Freigrenzen der NH-VO anzuwendenden Freigrenzenerhöhungsrichtlinie findet sich keine Einschränkung ihrer Anwendbarkeit in Bezug auf Freigrenzen nach § 6 Abs. 6 NH-VO. Eine solche Einschränkung würde auch zu Wertungswidersprüchen führen. So würde zB ein Arbeitsloser, bei dem berücksichtigungswürdige Umstände iSd § 36 Abs. 5 AlVG vorliegen, eine daraus abgeleitete Freigrenzenerhöhung ausgerechnet dann wieder verlieren, wenn seine Partnerin in eine ungünstige wirtschaftlichen Situation iSd § 6 Abs. 6 NH-VO geraten sollte. Dieses Ergebnis wird auch durch die Überlegung bestätigt, dass § 6 Abs. 6 NH-VO mit der Berücksichtigung der mit einer Behinderung einhergehenden Mehrbelastung eine andere Zielsetzung verfolgt als die Bestimmungen der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie.

    Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung als freigrenzenerhöhend eine monatliche Kreditbelastung von EUR 202,32 "für Wohnraumsanierung" und "regelmäßige Medikamentenkosten von monatlich EUR ca 70,-" geltend gemacht. Krankheiten können berücksichtigungswürdige Gründe für eine Freigrenzenerhöhung im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG und der Richtlinie des Arbeitsmarktservice Österreich zur Freigrenzenerhöhung darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 2002/08/0011). Von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend hat es die belangte Behörde jedoch unterlassen, dazu sowie zu dem ebenfalls als Grund für eine Freigrenzenerhöhung grundsätzlich in Frage kommenden Darlehen für Wohnraumsanierung Feststellungen zu treffen.

    Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach eine Kürzung des Notstandshilfeanspruches nur dann eintreten dürfe, wenn das verbleibende gemeinsame Partnereinkommen für die Befriedigung der notwenigen Lebensbedürfnisse im konkreten Fall ausreichend sei, bezüglich seiner Bedenken gegen jene Bestimmung der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie, die auch bei Vorliegen mehrerer die Freigrenzen erhöhender Umstände eine Freigrenzenerhöhung um höchstens 50 Prozent festsetzten, und zu dem Vorwurf, § 36 Abs. 5 AlVG stelle eine formalgesetzliche Delegation dar, wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/08/0035, verwiesen.

    Der zur hg. Zl. 2004/08/0084 angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

    Die Entscheidungen über den Aufwandersatz stützen sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer (vgl. Mayer, B-VG, § 48 VwGG I.4.), sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren des Beschwerdeführers abzuweisen war.

    Wien, am 26. April 2006

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