VwGH 2003/21/0220

VwGH2003/21/022018.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Barbara A. Schütz, Rechtsanwältin in 9500 Villach, Moritschstraße 2/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 20. August 2003, Zl. IV-Fr-67/03, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
SMG 1997 §27 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
SMG 1997 §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (der belangten Behörde) vom 20. August 2003 wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei viermal (rechtskräftig) verurteilt worden, und zwar

1. am 3. Dezember 1998 vom Bezirksgericht Villach wegen "§§ 15, 127 und 127 StGB" (Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe),

2. am 6. Juni 2001 vom Landesgericht Klagenfurt wegen § 27 Abs. 1 und 2 Z 1 SMG (bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten),

3. am 4. April 2002 vom Bezirksgericht Villach wegen § 83 Abs. 1, § 125 und § 135 Abs. 1 StGB (Geldstrafe im Ausmaß von 60 Tagsätzen) und

4. am 16. Dezember 2002 vom Bezirksgericht Villach wegen § 27 Abs. 1 SMG (Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Wochen).

Dem Schuldspruch durch das Landesgericht Klagenfurt vom 6. Juni 2001 habe zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer

"den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

A) erworben und besessen habe(n), und zwar:

1.) von Jänner bis Anfang August 1999 in Faak am See, Gemeinde Finkenstein, und in Villach in mindestens 20 Fällen Cannabiskraut durch Entgegennahme von P.H.;

2.) von Jänner 1999 bis Dezember 1999 in Villach in 52 Fällen Cannabiskraut durch Entgegennahme von M.B. und einer namentlich nicht ausgemittelten Person;

3.) von März 2000 bis Juni 2000 in Villach in mind. 40 Fällen Cannabiskraut durch Entgegennahme von Z.B. und einer namentlich nicht ausgemittelten Person;

4.) Mitte Juli 2000 in Villach eine nicht näher bekannte Menge Cannabisharz durch Entgegennahme von M.J.

B) anderen überlassen (habe), wobei ... (er)die unten angeführten Verkaufshandlungen in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, begangen habe(n), und zwar:

1.) in der Zeit von Jänner 1999 bis Anfang August 1999 in Faak am See, Gemeinde Finkenstein, und in Villach in mind. 20 Fällen Cannabiskraut durch Übergabe an 4 Personen;

2.) von Jänner 1999 bis Dezember 1999 in wiederholten Fällen Cannabiskraut durch Übergabe an 3 Personen;

3.) Im Sommer 1999 in Faak am See, Gemeinde Finkenstein, in mind. 10 Fällen Cannabiskraut und Cannabisharz durch Verkauf an W.O.;

4.) von März 1999 bis Dezember 1999 in Villach Cannabisprodukte durch Verkauf an W.O.;

5.) im November oder Dezember 1999 in Villach Cannabiskraut durch Verkauf an M.A.;

6.) von Oktober 1999 bis Februar 2000 in Villach in mind. 2 Fällen Cannabisprodukte durch Verkauf an M.A.;

7.) im Jänner 2000 in Villach Cannabiskraut in derzeit nicht bekannter Menge durch Verkauf an M.A.;

8.) von Jänner 2000 bis Mitte Juli 2000 in Villach und in St. Jakob/Rosental Cannabiskraut durch Verkauf an M.J.;

9.) im Frühjahr 2000 in Villach Cannabisprodukte teilweise durch Verschenken, teilweise durch Verkauf an M.J.;

10) im Juni 2000 in Villach Cannabiskraut durch Verkauf an.

M.A.;

  1. 11) im Juli 2000 in Villach Cannabiskraut durch Verkauf an M.A.;
  2. 12) Mitte Juli 2000 in Villach Cannabisharz durch Verkauf an

    M.J.;

    13) im September 2000 in Villach Cannabiskraut durch Verkauf an M.A.;

    14) im Dezember 2000 in Villach Cannabisharz durch Verkauf an

    D.K.;

    15) am 24.2.2001 in Villach Cannabiskraut durch Verkauf an M.D."

    Die Verurteilung durch das Bezirksgericht Villach vom 4. April 2002 beruhe darauf, dass der Beschwerdeführer

    1.) R.H. durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt habe(n), wodurch dieser eine Kiefer- und Schädelprellung erlitt;

    2.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit 4 abgesondert Verfolgten das Fahrrad des R.H. durch zu Boden Werfen und dagegen Treten, mithin eine fremde Sache beschädigt und hierdurch zum Nachteil des R.H. einen Schaden von ATS 6.000.- herbeigeführt habe(n);

    3.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert Verfolgten M.B. die Tasche samt Inhalt des R.H. mit einem Feuerzeug angezündet, mithin eine fremde Sache beschädigt und hierdurch zum Nachteil des R.H. einen Schaden von ATS 270.- herbeigeführt habe(n);

    4.) dadurch, dass ... (er) die zu Punkt 3.) genannte Tasche samt Inhalt in einen Müllcontainer warf(en), R.H. geschädigt, indem ... (er) eine fremde bewegliche Sache aus dessen Gewahrsam dauernd entzogen habe(n), ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen."

    Auf Grund des aus den genannten Verurteilungen ableitbaren Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ergebe sich, dass er gegenüber den zum Schutz von Eigentum und der körperlichen Integrität Anderer erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt sei, weshalb sein Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dies treffe umso mehr zu, als sich sein Fehlverhalten über einen langen Deliktszeitraum erstrecke und bei Suchtgiftdelikten eine große Wiederholungsgefahr bestehe. Im Übrigen habe den Beschwerdeführer die Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten wegen des Vergehens nach dem SMG nicht davon abgehalten, neuerlich ein Fehlverhalten zu setzen.

    Der am 28. Dezember 1994 mit seiner Mutter als Kriegsvertriebener von Bosnien nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer habe am 15. Jänner 2003 die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels (nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer zuletzt eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck mit Gültigkeit vom 24. November 2001 bis 13. Februar 2003 erteilt) beantragt. Im Hinblick auf das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 2 Z 3 FrG sei der Ausweisungstatbestand des § 34 Abs. 1 Z 2 leg. cit. erfüllt. Zwar sei mit einer Ausweisung nach dieser Bestimmung ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden - der Beschwerdeführer lebe zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern, habe in Österreich Hauptschule und Berufsschule besucht und bis auf einige Unterbrechungen immer gearbeitet -, doch erscheine diese Maßnahme mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bzw. Sicherheit dringend geboten. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 37 Abs. 2 FrG sei die Ausweisung als zulässig zu betrachten. Schließlich stehe § 35 FrG der Ausweisung nicht entgegen, weil das für die Ausweisung maßgebliche Fehlverhalten mit den Verstößen gegen das SMG im Jänner 1999 begonnen habe und demnach ab der Einreise ins Bundesgebiet bis zur "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" nicht einmal fünf Jahre vergangen seien. Auch eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers komme nicht Betracht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2 leg. cit.) insbesondere versagt werden, wenn (Z 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im bekämpften Bescheid festgestellten Verurteilungen und die Feststellungen bezüglich der von ihm gesetzten strafbaren Handlungen. Er wendet sich jedoch gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, und moniert, dass die belangte Behörde bezüglich seines Verhaltens keine objektiv nachvollziehbare Zukunftsprognose getroffen habe.

Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Einerseits hat die belangte Behörde nämlich zutreffend auf den langen Zeitraum des Zuwiderhandelns gegen das SMG (vom Jänner 1999 bis Februar 2001) verwiesen, andererseits führte sie mit Recht ins Treffen, dass der Beschwerdeführer ungeachtet der Verhängung einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten neuerlich straffällig (gemäß der in den Verwaltungsakten erliegenden Kopie des Urteils des Bezirksgerichtes Villach vom 4. April 2002 wurden die diesem Urteil zugrunde liegenden Tathandlungen am 3. Juli 2001 und damit nicht einmal ein Monat nach der Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt vom 6. Juni 2001 begangen!) geworden ist. Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf diese Umstände zu dem Ergebnis gelangte, es sei der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG erfüllt, so kann ihr nicht entgegengetreten werden, noch dazu in Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer bezüglich seines mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 6. Juni 2001 geahndeten Suchtgiftdeliktes sogar einen einschlägigen Rückfall (Verurteilung durch das Bezirksgericht Villach wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer dreiwöchigen Freiheitsstrafe) zu verantworten hat. Angesichts dieser Ausgangslage erweist sich die behördliche Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung auch ohne die - im Verwaltungsverfahren nicht ausdrücklich beantragte - Beiziehung eines Sachverständigen als unbedenklich, zumal keine Gesichtspunkte geltend gemacht worden sind, die auf eine Änderung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers hindeuten könnten; der in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Einwand, die Tathandlungen des Beschwerdeführers wären auf seine Vertreibung aus der Heimat im jugendlichen Alter und auf Entwicklungsstörungen zurückzuführen, lässt nicht erkennen, warum vom Beschwerdeführer nicht weiterhin ein - in den von ihm bisher begangenen Taten manifestiertes - Gefährdungspotential ausgehe. Die bloße Behauptung, es sei "eine günstige Zukunftsprognose gegeben", erwies sich von daher nicht als ausreichend spezifiziert, um im Unterbleiben weiterer Ermittlungsschritte einen Verfahrensmangel erblicken zu können. Das gilt auch bezüglich des Vorwurfs, die belangte Behörde hätte Erhebungen über die konkrete Situation des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers durchzuführen gehabt, waren doch auch bisher die behaupteten "besonders positiven Aspekte" dieses Privat- und Familienlebens nicht geeignet, den Beschwerdeführer von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Die erwähnten familiären Bindungen und die geltend gemachte Integration in Österreich stellen jedenfalls für sich betrachtet keine Umstände dar, die gegen eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährlichkeit sprechen. Es kann aber angesichts der dargestellten Tathandlungen auch keine Rede davon sein, der Beschwerdeführer habe Suchtmittel bloß "ausprobiert" bzw. habe nur "altersbedingte" Verfehlungen gesetzt. Die Verfahrensrüge schließlich, dem Beschwerdeführer sei zur Frage seiner Zukunftsprognose kein Parteiengehör eingeräumt worden, vermag schon deshalb nicht durchzudringen, weil nicht dargetan wird, welche weiteren "Nachweise zum Beweis des Vorliegens der günstigen Zukunftsprognose" beigebracht worden wären.

Zu den in der Beschwerde unter dem Blickwinkel des § 37 FrG gemachten Ausführungen genügt der Hinweis, dass sich die verfügte Ausweisung ungeachtet des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angesichts seines mehrfachen Fehlverhaltens und der daraus ableitbaren Wiederholungsgefahr zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als dringend geboten erweist (§ 37 Abs. 1 FrG) und dass die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden Interessen nicht stärker zu gewichten sind als das gegenläufige öffentliche Interesse an seiner Entfernung aus dem Bundesgebiet (§ 37 Abs. 2 FrG).

Was die Aufenthaltsverfestigung nach § 35 FrG anlangt, so hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass das für die Ausweisung - zu Recht - herangezogene Fehlverhalten nach dem SMG bereits im Jänner 1999 und damit etwa vier Jahre nach der Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich begonnen worden ist. Im Hinblick darauf erfüllt der Beschwerdeführer nicht einmal die Voraussetzungen der ersten Verfestigungsstufe, weil die "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" nicht in der gerichtlichen Verurteilung, sondern in dem dieser zugrunde liegenden Fehlverhalten zu erblicken ist (vgl. sinngemäß etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0382). Von daher geht des Weiteren der Verweis auf § 35 Abs. 3 FrG - als maßgebliche Ermessensdeterminante, die nur bei den dort genannten Verurteilungen eine Ausweisung rechtmäßig erscheinen lasse - ins Leere. Weil die Beschwerde auch sonst keine konkreten Umstände aufzuzeigen vermag, welche die belangte Behörde im Rahmen des ihr offen stehenden Ermessens zur Abstandnahme von der verhängten Ausweisung hätten veranlassen müssen - vgl. insgesamt zu einem ähnlich gelagerten Fall etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0222 -, erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. Mai 2004

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