VwGH 99/18/0382

VwGH99/18/038231.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Bescheid des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des H B in Lengau, geboren am 25. Juli 1960, vertreten durch Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Oktober 1999, Zl. St-193/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
TilgG 1972;
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
TilgG 1972;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 5. Oktober 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 11. Juni 1990 in Österreich auf. Am 15. Juni 1990 sei ihm ein Sichtvermerk erteilt worden. Dieser sei in der Folge mehrmals verlängert worden. Zuletzt sei ihm am 17. November 1997 eine Aufenthaltsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer bis 10. Oktober 1999 erteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1992 zweimal wegen Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand rechtskräftig bestraft worden. Dabei seien Geldstrafen von S 9.000,-- und S 13.000,-- verhängt worden.

Überdies sei er zu folgenden Zeitpunkten wegen Übertretung der genannten Normen zu den folgenden Geld- bzw. Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt worden:

8. September 1994: § 64 Abs. 5 KFG; S 1.500,--

§ 36 lit. e KFG; S 500,--

9. September 1994: § 42 Abs. 1 KFG; S 500,--

13. Dezember 1994: § 5 Abs. 2 StVO; S 20.000,--

§ 64 Abs. 1 KFG; S 2.000,--

§ 36 lit. e KFG; S 1.000,--

12. Dezember 1994: § 103 Abs. 1 Z. 1 iVm § 36 lit. e KFG;

S 500,--

21. März 1995: § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO; 21 Tage

Freiheitsstrafe

§ 64 Abs. 1 KFG; S 5.000,--

§ 7 Abs. 1 StVO; S 500,--

5. März 1997: § 64 Abs. 1 KFG; S 1.500,--

24. Juni 1998: § 1 Abs. 3 iVm § 23 Abs. 1 und Z. 3

Führerscheingesetz; S 7.000,--

Am 21. Dezember 1998 sei der Beschwerdeführer in Salzburg auf der Kreuzung Itzlinger Hauptstraße-Keilgasse als Lenker eines Kraftfahrzeuges kontrolliert worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer über keine gültige Lenkerberechtigung verfüge. Der durchgeführte Alkotest habe eine Alkoholisierung von 1,2 Promille ergeben. Aufgrund dieses Vorfalles sei der Beschwerdeführer am 9. März 1999 gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO zu einer Geldstrafe von S 30.000,-- und gemäß § 37 Abs. 3 iVm § 37 Abs. 1 Führerscheingesetz zu einer Geldstrafe von S 20.000,-- jeweils rechtskräftig bestraft worden.

Aufgrund der mehrmaligen rechtskräftigen Bestrafungen nach § 99 Abs. 1 StVO sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt.

Angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Da sich der Beschwerdeführer seit neun Jahren im Bundesgebiet aufhalte und hier auch einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehe sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration, vor allem in beruflicher Hinsicht, zuzubilligen. Aus dem Befürwortungsschreiben der Vermieterin sei überdies abzuleiten, dass sich der Beschwerdeführer in seinem nächsten Umfeld sehr gut integriert habe. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und Vater von vier minderjährigen Kindern. Seine Gattin und die Kinder lebten allerdings nicht in Österreich.

Da der Beschwerdeführer jedoch immer wieder Kraftfahrzeuge in alkoholisiertem Zustand gelenkt habe und sich auch von Bestrafungen nicht davon habe abhalten lassen, sei aufgrund des Gesamtfehlverhaltens - hiebei sei auch das den bereits getilgten Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten zu berücksichtigen - die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Da unter Abwägung all dieser Umstände für den Beschwerdeführer eine negative Prognose zu stellen sei, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Da das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwer wiegenderer Art" sei, habe nicht mit einer bloßen Ermahnung das Auslangen gefunden werden können, sondern habe "von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht" werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, dass vorwiegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt auf dem Boden der maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Gleiches gilt für die Auffassung der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das den Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

2.1. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seine regelmäßige Berufstätigkeit sowie seine gute Integration in seinem "nächsten Umfeld" berücksichtigt. Ein inländisches Familienleben hat sie dem Beschwerdeführer zu Recht nicht zu Gute gehalten, befindet sich doch die Familie des Beschwerdeführers unstrittig nicht in Österreich. Den somit zwar beachtlichen aber doch nicht allzu großen persönlichen Interessen Beschwerdeführers am Verbleib im Inland steht gegenüber, dass er durch seine insgesamt fünf Verstöße gegen § 5 StVO ein Fehlverhalten gesetzt hat, das angesichts der großen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch alkoholisierte Kraftfahrzeuglenker das gewichtige öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr stark beeinträchtigt. Eine weitere nicht unerhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen stellen die vielen anderen Verstöße des Beschwerdeführers gegen die Normen des Kraftfahrgesetzes und der Straßenverkehrsordnung dar. Insbesondere fällt zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er sich auch durch mehrfache einschlägige Bestrafungen nicht von gleichartigen Verstößen abhalten ließ. Angesichts dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Wahrung der öffentlichen Ordnung, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.2. Entgegen der Beschwerdemeinung kann keine Rede davon sein, dass seit der letzten "verwaltungsrechtlichen Verurteilung nach § 99 StVO" ein langer Zeitraum verstrichen ist, wurde der Beschwerdeführer doch zuletzt am 9. März 1999, somit nur sieben Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, u.a. gemäß § 99 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein - ausschließlich im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges begangenes - Fehlverhalten könne auch durch die Entziehung der Lenkerberechtigung hintangehalten werden, ist schon deshalb nicht zielführend, weil sich der Beschwerdeführer - wie die mehrfachen diesbezüglichen rechtskräftigen Bestrafungen zeigen - auch in der Vergangenheit durch das Fehlen einer gültigen Lenkerberechtigung nicht davon hat abhalten lassen, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte. Das Beschwerdevorbringen, die Tilgungsfristen der Bestrafungen vom 21. März 1995 und vom 13. Dezember 1994 hätten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur mehr zwei bzw. sechs Monate zu laufen gehabt, lässt keine andere Betrachtungsweise geboten erscheinen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Beurteilung des Gerechtfertigtseins der in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme und bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG auch das bereits getilgten Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten zu berücksichtigen ist (vgl. das zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/1020).

4. Der Beschwerdeführer meint, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG unzulässig sei, weil er bereits mehr als acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen sei.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. Eine solche Ausweisung ist (u.a.) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig.

Dessen Abs. 2 hat folgenden Wortlaut:

"Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."

Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0218, mwN). Da die belangte Behörde das den Bestrafungen wegen Übertretung des § 5 StVO, von denen die erste im Jahr 1992 erfolgte, zu Grunde liegende Fehlverhalten zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen hat, und sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Begehung dieses Fehlverhaltens noch nicht acht Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat, steht § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

5. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

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