VwGH 2003/20/0544

VwGH2003/20/054430.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des R in H, geboren 1969, vertreten durch Dr. Walter Röck, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Röntgengasse 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Oktober 2003, Zl. 223.026/0- VIII/22/01, betreffend §§ 7, 8 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 6. Mai 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am darauf folgenden Tag Asyl. Bei seiner Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt am 7. Mai 2001 begründete er seinen Asylantrag im Wesentlichen damit, er wolle vom moslemischem Glauben zum Christentum wechseln, könne sich jedoch im Iran nicht als Christ bekennen, weil er in diesem Fall gesteinigt oder erhängt werde. Auch im Rahmen seiner ergänzenden Einvernahme am 11. Mai 2001 gab er als "eigentlichen Grund" seiner Flucht aus dem Heimatland an, dass er seine Religion wechseln wolle. Eine Konversion sei im Iran jedoch nicht möglich, "da dies mit der Hinrichtung bestraft" werde.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 13. Juni 2001 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Begründend führte es zu dem vom Beschwerdeführer beabsichtigten Glaubensübertritt aus, nach den übereinstimmenden Informationen christlicher Gemeinden im Iran seien Personen, die sich zur Begründung ihres Asylantrages auf ihre Konversion berufen hätten und danach in den Iran zurückkehren würden, "nicht wirklich verfolgungsgefährdet". Ein iranischer Staatsangehöriger, der vom Islam zu einer anderen Religion übertrete, sei in der Regel keinen Verfolgungsmaßnahmen, wie sie nach der Scharia vorgesehen seien, ausgesetzt.

Dieser Argumentation des Bundesasylamtes trat der Beschwerdeführer in seiner fristgerecht erhobenen Berufung unter Hinweis auf anderslautende Berichte entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 5. August 2003) gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Sie stellte unter anderem fest, der Beschwerdeführer sei schiitischer Moslem, der über Vermittlung seines (aus dem Iran ausgewanderten) Bruders mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei und im Iran bereits eine Bibel besessen habe. Er habe (zu ergänzen: nach seiner Flucht aus dem Iran) in Wien ca. ein Jahr lang die Kirche der iranischen Christen und sonntags die Messen des "Vienna Christian Center" besucht, jedoch keine Unterweisungen als Vorbereitung für die Taufe erhalten. Nach seiner Übersiedlung in das Burgenland habe der Beschwerdeführer den Kontakt zu diesen Gemeinden verloren. Anfang 2002 habe er sich öffentlich zum Christentum bekannt, sei jedoch in der Zwischenzeit noch nicht getauft worden. In der Beweiswürdigung hielt die belangte Behörde fest, dass sie - mit Ausnahme von hier nicht relevanten Teilen seines Vorbringens - grundsätzlich von den Angaben des Beschwerdeführers ausgehe. Rechtlich folgerte sie, beim Beschwerdeführer liege als einziger hinsichtlich seiner Asylrelevanz zu untersuchender Fluchtgrund das Interesse am Christentum vor. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verfolgungsgefahr von iranischen Konvertiten fokussiere sich "nahezu nur mehr auf einen Punkt": Während im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550 das Problem der Wahrscheinlichkeit der Kenntniserlangung der iranischen Behörden von der Konversion und das Problem der Missionierungsabsicht behandelt worden sei, habe das Höchstgericht in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0396 (gemeint offenbar: Zl. 2000/20/0369) sinngemäß ausgesprochen, dass es auf die Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens des Glaubenswechsels gegenüber den iranischen Behörden nicht mehr maßgeblich ankomme, sondern zentral auf die Frage, ob der Asylwerber bei seiner Rückkehr in den Iran beabsichtige, den (neu erworbenen) christlichen Glauben auszuüben und deswegen mit Verfolgungsgefahr rechnen müsse. Der Verwaltungsgerichtshof habe "erst jüngst" in seinem Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102, ausgesprochen, dass die Auffassung, der bloße Glaubensübertritt vom Islam zum Christentum führe bei der Rückkehr in den Iran noch zu keiner Verfolgung, nicht haltbar sei; das bedeute - argumentum e contrario -, dass nach der Auffassung der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits der bloße Übertritt vom Islam zum Christentum bei Iranern zu einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Verfolgungsgefahr führe. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer von sich aus eingangs der Berufungsverhandlung betont habe, er habe wohl Interesse am Christentum gefunden, aber keineswegs dezidiert angegeben, Christ werden zu wollen. Auch sei er nicht getauft. Die Taufe sei jedoch der rechtlich entscheidende Akt für den Eintritt in die Gemeinschaft der Christen und damit auch für den Abfall vom Islam (Apostasie). Dieser entscheidende Akt fehle beim Beschwerdeführer. Das zur Entscheidung berufene Mitglied der belangten Behörde könne diesen Umstand aus eigenem beurteilen, weil es dazu über das erforderliche Fachwissen verfüge, zumal es vier Jahre lang als Studien- bzw. Vertragsassistent im Institut für Kirchenrecht der juridischen Fakultät der Universität Wien gearbeitet habe. Das bloße Interesse am Christentum hingegen sei noch nicht asylrelevant.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde stellt ihren fallbezogenen Erwägungen allgemeine Rechtsausführungen zur Frage der Verfolgungsgefahr iranischer Konvertiten voran, in denen sie die bezughabende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Teil verkürzt und zum Teil unrichtig wiedergibt, weshalb auch die von ihr daraus gezogenen Schlüsse vorweg einer Klarstellung bedürfen.

In seinem - von der belangten Behörde zitierten - Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit den von der belangten Behörde in diesem (aber auch in anderen) Asylverfahren herangezogenen Berichten auseinander gesetzt und festgehalten, dass die Schlussfolgerung der belangten Behörde, der bloße Glaubensübertritt vom Islam zum Christentum führe bei Rückkehr in den Iran noch zu keiner Verfolgung, aus den herangezogenen Unterlagen nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise gezogen werden könne und den dort angefochtenen Bescheid deshalb mit einem Begründungsmangel belaste. Gleichartige Aussagen finden sich unter anderem auch in den - von der belangten Behörde ebenfalls angeführten - hg. Erkenntnissen vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369, und vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102 (vgl. weiters die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2001, Zl. 2000/20/0556, und vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0265). Die Auffassung der belangten Behörde, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102, - offenbar gemeint im Gegensatz zu seiner früheren Judikatur und in abschließender inhaltlicher Behandlung dieses Fluchtgrundes - erkannt, dass bereits der bloße Übertritt vom Islam zum Christentum zu einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden Verfolgungsgefahr führe, findet in den Ausführungen dieser Entscheidung keine Deckung.

Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 2000/20/0369, keineswegs "sinngemäß ausgesprochen", dass es auf die Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens des Glaubenswechsels gegenüber den iranischen Behörden "nicht mehr" maßgeblich ankomme. In dieser Entscheidung wurde - fallbezogen - festgehalten, die belangte Behörde sei nicht davon ausgegangen, dass der dortige Beschwerdeführer nur zum Schein konvertiert sei, weshalb es auf die Frage, welche Konsequenzen der (dortige) Beschwerdeführer wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten habe, nicht ankomme. Vielmehr sei maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu ebenfalls das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, und vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. September 2004, Zl. 2001/20/0531).

In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Christentum zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

Im vorliegenden Fall hat es die belangte Behörde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner Flucht mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei, in Österreich ca. ein Jahr lang regelmäßig die Kirche der iranischen Christen sowie Messen des "Vienna Christian Center" besucht und sich Anfang 2002 "öffentlich zum Christentum bekannt" habe. Zwar weist die belangte Behörde im Folgenden auch darauf hin, der Beschwerdeführer habe keineswegs dezidiert angegeben, "dass er Christ werden möchte und dass er nicht getauft sei". Dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer damit unterstellt hätte, seinen (inneren) Entschluss zum Glaubenswechsel nur zum Zwecke der Asylerlangung vorgetäuscht zu haben, lässt sich dem angefochtenen Bescheid aber nicht entnehmen bzw. wäre von ihr - sollte eine solche Feststellung intendiert gewesen sein - nicht schlüssig begründet worden. In ihrer Beweiswürdigung hält die belangte Behörde nämlich auch fest, sie gehe - mit hier nicht relevanten Ausnahmen - von der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers aus. Der Beschwerdeführer hat jedoch die bislang unterbliebene Taufe vor der belangten Behörde damit erklärt, dass er für seinen Glauben "keine Bestätigung benötige". Auch die Frage, ob er bei Rückkehr in den Iran zum Islam zurückkehren würde, hat er ausdrücklich verneint und ergänzt, er habe "schon zu Hause den Islam immer kritisiert".

Der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich entnehmen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers von der belangten Behörde auch nicht deshalb abgewiesen worden ist, weil sie die neue religiöse Überzeugung des Beschwerdeführers in Zweifel gezogen oder - wie noch das Bundesasylamt unter Berufung auf nicht näher präzisierte Quellen - eine Gefährdung für Konvertiten im Iran generell ausgeschlossen hätte, sondern sie in rechtlicher Hinsicht dem Taufakt entscheidende Bedeutung beigemessen und in Ermangelung eines solchen die Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer bei Rückkehr in den Iran verneint hat. Dabei übersieht die belangte Behörde - wie auch ihre Ausführungen zum Fachwissen des entscheidenden Organwalters zeigen - allerdings, dass es im vorliegenden Fall nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer aus Sicht einer christlichen Glaubensgemeinschaft auch ohne Taufe zu dieser zu zählen ist, sondern ob die religiöse Einstellung des Beschwerdeführers (sei es auch ohne vollzogene Taufe) im Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen wird. Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht - jedoch nicht auseinandergesetzt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 und erfolgte im Umfang des ziffernmäßig gestellten Begehrens.

Wien, am 30. Juni 2005

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