Normen
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1 Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte bei der mitbeteiligten Gemeinde mit Schreiben vom 24. Februar 2002 die Erteilung der bestattungsrechtlichen Bewilligung für den Einbau eines Bestattungsraumes auf der Parzelle Nr. 770, KG H, beantragt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Mai 2002 wurde ihr die beantragte Bewilligung nach § 20 des Kärntner Bestattungsgesetzes zur Errichtung einer Sonderbestattungsanlage in Form eines Bestattungsraumes im Gebäude
H 66 unter Vorschreibung von fünf Auflagen erteilt. Unter Punkt 3., 4. und 5. wurde Folgendes vorgeschrieben:
"3. Im Bestattungsraum sind zur Beisetzung von Leichen in Särgen Grabnischen bzw. Grabkammern aus Massivbeton mit folgenden
Mindest-Innenmaßen herzustellen: Länge: 2,20 m, Breite: 0,90 m,
Höhe: 0,80 m.
4. Die Grabnischen sind nach den Beisetzungen umgehend mit Steinplatten lückenlos zu verschließen.
5. Die Leichen sind in verlöteten Metallsärgen mit Metalleinsätzen aufzubewahren."
Mit Bescheid vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 6, 17 und 18 der Kärntner Bauordnung 1996 die Baubewilligung für das Vorhaben "Einbau eines Bestattungsraumes" auf Parz. Nr. 770, KG. H unter Auflagen erteilt.
In der gegen die Auflagen zu Punkt 3. und 4. des bestattungsrechtlichen Bewilligungsbescheides erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, den sanitätspolizeilichen Erfordernissen werde durch die Betonwände und die Verwendung von Metallsärgen mit Metalleinsatz Rechnung getragen. Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde hat diese Berufung mit Bescheid vom 25. Juli 2002 als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid vom selben Tag wurde auch die gegen den Baubewilligungsbescheid erhobene Berufung abgewiesen. Gegen diese Berufungsbescheide hat die Beschwerdeführerin in der Folge keine Vorstellung erhoben.
Nach Meldung der Fertigstellung der Sonderbestattungsanlage durch die Beschwerdeführerin an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde wurde am 13. September 2002 im Beisein der medizinischen Amtssachverständigen ein Augenschein durchgeführt. Aus der in der Folge erstellten Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen vom 18. September 2002 geht hervor, anlässlich des am 13. September 2002 durchgeführten Augenscheines sei festgestellt worden, dass die Sonderbestattungsanlage in Form eines absperrbaren Raumes, in dem sich ein vergittertes Fenster befinde, errichtet wurde. Die Beschwerdeführerin habe mitgeteilt, dass geplant sei, den Sarg auf einem Holztisch aufzustellen. Dieser Deponierung des Sarges auf einem Holztisch könne aus sanitätspolizeilicher Sicht nicht zugestimmt werden, da durch wechselnde Einwirkungen von Temperatur und Feuchtigkeit Materialveränderungen am Sarg auftreten könnten. Zudem sei bei der vorgesehenen Lagerung durch die Zerfallserscheinungen der Leiche im Lauf der Zeit mit unzumutbarer Geruchsbelästigung zu rechnen. Durch den Geruch und allenfalls bei auftretenden Materialschäden des Sarges durch Austreten von Flüssigkeit werde Ungeziefer angelockt. Die Lagerung der Leiche auf einem Holztisch, selbst wenn sie sich in einem verlöteten Metallsarg mit Metalleinsatz befinde, würde eine unzumutbare hygienische Belastung darstellen, weshalb die Auflagen des rechtskräftigen Bescheides vom 16. Mai 2002 unbedingt einzuhalten seien.
Mit Eingabe vom 25. September 2002 brachte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gemeinde einen Antrag auf Wiederaufnahme beider mit Bescheiden des Gemeindevorstandes vom 25. Juli 2002 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ein. Dies wurde damit begründet, dass am 13. September 2002 ein Augenschein in Anwesenheit der Amtsärztin stattgefunden habe. Dabei seien mehrere neue Tatsachen aufgekommen. Die Amtsärztin habe beim Augenschein nämlich behauptet, dass sie bei der Erstellung ihrer (u.a. dem Bauverfahren zu Grunde liegenden) Gutachten davon ausgegangen sei, dass aus dem Sarg Flüssigkeit austreten könne. In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 18. September 2002 habe sie diese Bedenken bekräftigt und erklärt, dass durch wechselnde Einwirkungen von Temperatur und Feuchtigkeit Materialveränderungen am Sarg auftreten könnten. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass sich die Leiche "in einem verlöteten Metallsarg mit Metalleinsatz befindet". Damit sei der Beschwerdeführerin bekannt geworden, dass die Amtsärztin ihren Gutachten (vom 15. April 2002 und 18. September 2002) die falsche Tatsache unterstellte, dass der Metallübersarg verlötet sei und einen Metalleinsatz mit nicht näher definiertem Verschluss enthalte. Im vorliegenden Fall erfolge die Versorgung jedoch durch Verlöten des Metalleinsatzes (Metallinnensarg) und Verschrauben oder Verlöten des Metallübersarges laut Kärntner Bestattungsgesetz. Der Innensarg schließe den Verwesungsprozess luftdicht von der Außenwelt ab, weshalb die Bedenken der Amtsärztin in Bezug auf eine Geruchsbelästigung unbegründet seien. Wie der Hersteller bestätigt habe, weise ein Metallsarg mit verlötetem Metalleinsatz (in verstärkter Form) in einem belüfteten Raum eine Haltbarkeit von mindestens 25 Jahren auf. Davon sei die Amtsärztin in Unkenntnis gewesen. Es liege somit ein unmissverständlicher Fehler in der Tatsachenfeststellung durch die Amtsärztin vor. Bereits dem Gutachten vom 15. April 2002 sei dieser Fehler in der Tatsachenfeststellung zu Grunde gelegt worden. Der Beschwerdeführerin sei dieser Fehler jedoch erst durch die Ausführungen der Amtsärztin beim Augenschein am 13. September 2002 und die nachfolgende schriftliche Ergänzung vom 18. September 2002 bekannt geworden. Es sei ihr damit unverschuldet nicht möglich gewesen, während des anhängigen Bauverfahrens den Befund des amtsärztlichen Gutachtens zu bekämpfen.
In der Folge wurde durch den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde eine Stellungnahme der Abteilung 14 der belangten Behörde (zuständig für Sozial- und Gesundheitsrecht) vom 31. Oktober 2002 eingeholt, aus der hervorgeht, dass das Kärntner Bestattungsgesetz keine gesetzliche Bestimmung über die Erfordernisse der Beschaffenheit von in Sonderbestattungsanlagen öffentlich zugänglich aufgestellten Särgen enthalte.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2002 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 25. Juli 2002 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach dem Kärntner Bestattungsgesetz betreffend die Errichtung einer Sonderbestattungsanlage gemäß § 69 Abs. 1 und 4 AVG abgewiesen (unter einem wurde auch der Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich des Bauverfahrens betreffend den Einbau eines Bestattungsraumes gemäß § 69 Abs. 1 und 4 AVG als unbegründet abgewiesen). Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass es nicht ersichtlich sei, dass die Wiederaufnahmswerberin neue Tatsachen vorgebracht habe. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei vielmehr darauf gerichtet, die Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen durch neue Beweismittel zu erschüttern. Es falle auf, dass die Beschwerdeführerin bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren im Zuge der Berufung ein entsprechendes, gegen bestimmte Auflagepunkte des erstinstanzlichen Bescheides gerichtetes Sachvorbringen erstattet habe. Bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemachte Tatsachen könnten keinesfalls einen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG begründen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Sie teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde (mit Bescheid vom selben Tag erfolgte die Abweisung der Vorstellung gegen den die Wiederaufnahme des Bauverfahrens abweisenden Bescheid).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die Beschwerdeführerin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Strittig ist, ob der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund, nämlich der behauptete Irrtum der Amtssachverständigen, der ihrem dem dem Baubewilligungsverfahren zu Grunde liegenden Gutachten anhaftete und Grundlage der Auflagen des Baubewilligungsbescheides bildete, einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG darstellt.
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweise hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Bei den in § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG genannten Tatsachen und Beweisen muss es sich um neu hervorgekommene, u.a. um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden, wobei diese im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel müssen entscheidungswesentliche Umstände derart betreffen, dass sie, wären sie seinerzeit berücksichtigt worden, voraussichtlich zu einer anderen als der getroffenen Entscheidung geführt hätten.
2. Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Wesentlichen damit begründet, dass die medizinische Sachverständige in ihren Gutachten vom 15. April 2002 im Baubewilligungsverfahren und am 18. September 2002 anlässlich der Überprüfung der errichteten Grabstelle wesentliche Sachverhaltselemente (insbesondere die Art der Versargung) außer Acht gelassen habe. Insbesondere sei sie fälschlich von der Verwendung eines bestimmten Metallsarges ausgegangen und habe auf Grund dieses irrigen Befundes auf das Erfordernis der Errichtung einer Grabnische geschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinen Erkenntnissen vom 2. Juni 1982, Zl. 81/03/0151, und vom 27. Februar 1995, Zl. 90/10/0137, ausgesprochen, dass neue Befundergebnisse, die sich auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssen, und die einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis kommen, durchaus einen Wiederaufnahmegrund darstellen können (wenn die weiteren Voraussetzungen des § 69 AVG - insbesondere der Mangel eines Verschuldens der Partei - gegeben sind). Anders steht es nach der o. a. Judikatur mit den vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen.
§ 69 Abs. 1 Z. 2 AVG normiert, dass die Partei, die den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt hat, kein Verschulden daran treffen darf, dass ein Beweismittel bei Erlassung des Bescheides nicht berücksichtigt werden konnte. Der Beschwerdeführerin war unbestritten schon während des erstinstanzlichen Verfahrens Gelegenheit geboten worden, zum vorliegenden medizinischen Gutachten Stellung zu nehmen. Sie hätte somit durchaus die Möglichkeit gehabt, entsprechende Beweismittel bzw. ein Gegengutachten spätestens während des Berufungsverfahrens vorzulegen. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Berufung ausgeführt, dass Metallsärge mit Metalleinsatz verwendet würden. Bei der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte sie aber schon in der Berufung darauf hinweisen müssen, dass (so ihre Auffassung) aus dem verwendeten "Metallsarg mit Metalleinsatz" auf Grund seiner Beschaffenheit ("Doppelsarg") weder Flüssigkeit noch Geruch austreten könnten, und entsprechende Beweismittel vorlegen müssen, die ihren Standpunkt untermauern. Eine Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes, in der sie ihren Standpunkt nochmals und weiter untermauern hätte können, hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben. Hat es aber eine Partei unterlassen, den Weg, der ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit als nahe liegend erscheinen musste und der ihr auch zumutbar war, zu beschreiten, kann sie sich nicht auf eine unverschuldete Unkenntnis der Möglichkeiten, dem Gutachten des Amtssachverständigen bereits im Zuge des Verwaltungsverfahrens auf geeignetem Wege entgegen zu treten, berufen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2003/05/0070 mwN., mit dem die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Vorstellungsbescheid hinsichtlich der Abweisung der Wiederaufnahme des Bauverfahrens als unbegründet abgewiesen wurde).
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt worden ist, weil die belangte Behörde den angeführten Wiederaufnahmsgrund zu Recht nicht als tauglichen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG qualifiziert hat.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. September 2003
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