VwGH 2003/05/0009

VwGH2003/05/000917.6.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Mag. Dr. Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Martinstraße 34-36, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 24. September 2002, Zl. BOB-32/02, betreffend Versagung einer Baubewilligung, (mitbeteiligte Partei:

Julian Kalmar in 1060 Wien, vertreten durch Dr. Günther Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
GewO 1973 §356 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
GewO 1973 §356 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 587/2, Grundbuch Mariahilf, Otto Bauer Gasse 22. Das im gemischten Baugebiet liegende Grundstück ist derzeit nicht verbaut, vollkommen eben und mit Abbruchschutt aufgefüllt. Für das Grundstück ist Bauklasse II und Bauklasse IV und geschlossene Bauweise festgesetzt. Für den hinteren Bereich dieses Grundstückes ist die gärtnerische Ausgestaltung ("G") vorgeschrieben.

Von der Otto Bauer Gasse aus gesehen grenzt rechts an dieses Grundstück unmittelbar das Grundstück Nr. 584/1, welches zu einem 115/1580-tel im (Mit-)Eigentum der mitbeteiligten Partei steht; mit diesen Anteilen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung Top Nr. 11 untrennbar verbunden.

Mit Eingabe vom 12. März 2001 beantragte der Beschwerdeführer "die Widerrufsbewilligung für die Errichtung eines Parkplatzes gemäß § 71 Wiener Bauordnung". Plangemäß sollen 26 Stellplätze mit Zu- und Abfahrt - zum Teil auf der gärtnerisch ausgestalteten Fläche - bewilligt werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2001 wendete die mitbeteiligte Partei ein: "Wegen Ruhestörung und Abgasbelästigung nach 10 Uhr bin ich dagegen."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 5. April 2002 wurde dem Beschwerdeführer "nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, (...) gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes auf jederzeitigen Widerruf die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen: Einrichten von 26 Pkw-Stellplätzen. Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt".

In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, dass gemäß § 134a BO von den vorgebrachten Einwendungen der Nachbarn lediglich jene betreffend die Beeinträchtigung durch Emissionen und jene bezüglich des Abstandes zu den Hauptfenstern unter diese Bestimmung fielen. Über die zu erwartende Lärm- und Abgasbelastung sei ein Gutachten eines Amtssachverständigen vorgelegt worden, das zum Schluss gelange, dass sowohl die zu erwartende Lärm- als auch die Schadstoffbelastung in den jeweils zulässigen Bereichen lägen und keine zusätzliche Belastung der Anrainer zu erwarten sei. Mit einer Überschreitung des Widmungsmaßes für städtisches Wohngebiet sei durch die Lärmemissionen nicht zu rechnen; die medizinisch relevanten Richt- und Grenzwerte der Schadstoffkonzentrationen würden unterschritten.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung mit dem Hinweis, dass die umgebende Feuermauer nicht überall die vorgeschriebene Mindesthöhe von 2,5 m einhalte. Dies sei jedoch erforderlich, wenn sich hinter der Feuermauer ein Hauptfenster befinde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass sein Spruch wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 3 des Wiener Garagengesetzes (WGG) wird nach dem mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plan die Bewilligung versagt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft 26 Pkw-Stellplätze zu errichten."

Der erstinstanzliche Bescheid sei dem berufenden Nachbarn laut Rückschein am 10. April 2002 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist des § 63 Abs. 5 AVG habe daher mit Ablauf des 24. April 2002 geendet. Die Berufung sei am 22. April 2002 zur Post gegeben worden und damit rechtzeitig.

Die mitbeteiligte Partei habe rechtzeitig Einwendungen im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. e BO in Bezug auf Ruhestörung und Abgasbelästigung erhoben und damit Parteistellung erlangt. Für die gegenständliche Liegenschaft sei gemischtes Baugebiet, Bauklasse II und Bauklasse IV und geschlossene Bauweise festgesetzt. Für den hinteren Bereich dieses Grundstückes sei die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben. § 3 Abs. 1 lit. b WGG sehe für die Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen eine Bewilligung im Sinne der §§ 60, 70 und 71 BO vor, sodass auch eine solche Bewilligung den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsbestimmungen zu entsprechen habe. Die Errichtung der projektierten Stellplätze sei auf Grund des § 4 Abs. 4 WGG unzulässig, weil ein Teil dieser Stellplätze auf einer gärtnerisch auszugestaltenden Grundfläche errichtet werden soll. Die Ausnahmebestimmung des zweiten Halbsatzes dieser Gesetzesstelle komme nicht zum Tragen, weil die Stellplätze weder im Vorgarten noch auf seitlichen Abstandsflächen errichtet werden sollen und insgesamt eine Bodenfläche von 50 m2 jedenfalls bei weitem überschreiten. Da die vorliegende "Bauführung" in der bloßen Verwendung von Grundflächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestehe, eine Bauführung im eigentlichen Sinn aber nicht erfolge, bestehe naturgemäß ein Widerspruch zu der festgesetzten Bauklasse und Bauweise. Gemäß § 71 BO dritter Satz sei eine Bewilligung nach dieser Gesetzesstelle bei Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte nur dann zulässig, wenn die Nachbarn dem Bauvorhaben ausdrücklich zugestimmt haben. Sprächen sie sich gegen die Erteilung der angestrebten Baubewilligung aus, seien die Gründe, welche die Nachbarn in diesem Zusammenhang anführen, rechtlich unerheblich. Da sich der berufungswerbende Nachbar gegen die Bauführung ausgesprochen habe, sei auf Grund des Widerspruches zu den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes über die die festgesetzte Bauklasse und Bauweise sowie die Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung, auf deren Einhaltung die Anrainer einen Rechtsanspruch besäßen, die Bewilligung zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hatte im Beschwerdefall zu prüfen, ob und inwieweit die mitbeteiligte Partei als Nachbar im Sinne des § 134 Abs. 3 BO durch rechtzeitig erhobene Einwendungen im Verfahren Parteistellung erlangt hat und bejahendenfalls ob sie durch das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben in ihren subjektivöffentlichen Rechten gemäß § 134a BO nachteilig berührt wird.

Gemäß § 134 Abs. 3 BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben. Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jedenfalls jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben.

Gemäß § 134a Abs. 1 BO werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlagen zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

  1. b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
  2. c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

    d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

    e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;

    f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen.

    Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen dienen Bestimmungen gemäß Abs. 1 lit. e dem Schutz der Nachbarn nur insoweit, als nicht ein gleichwertiger Schutz bereits durch andere Bestimmungen gegeben ist. Ein solcher gleichwertiger Schutz ist jedenfalls gegeben bei Emissionen aus Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen mit gewerblicher Nutzung im Industriegebiet, im Gebiet für Lager- oder Geländeflächen, in Sondergebieten, im Betriebsbaugebiet sowie im sonstigen gemischten Gebiet, sofern auf sie das gewerberechtliche Betriebsanlagenrecht zur Anwendung kommt.

    Die mitbeteiligte Partei hat sich in ihren rechtzeitigen Einwendungen gegen das vom Beschwerdeführer beantragte Vorhaben wegen Ruhestörung und Abgasbelästigung ausgesprochen und damit Einwendungen im Sinne des § 134a Abs. 1 lit. e BO erhoben und insoweit daher Parteistellung im Sinne des § 134 Abs. 3 BO im Baubewilligungsverfahren erlangt.

    § 134 Abs. 3 dritter Satz BO wurde dem die Parteistellung im gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren regelnden

    § 356 Abs. 3 der Gewerbeordnung 1973 nachgebildet (siehe die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, Seite 614 wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 34/1992) und ist auf Grund des nach dem 30. Juni 1998 kundgemachten, am 29. Dezember 1998 ausgegebenen Gesetzes LGBl. Nr. 61/1998 in Kraft (siehe in diesem Zusammenhang die Derogationsbestimmung des § 82 Abs. 7 AVG).

    Nach § 134 Abs. 3 dritter Satz BO erlangt ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren Nachbar- und damit Parteistellung nur im Rahmen und im Umfang der rechtzeitig erhobenen rechtserheblichen Einwendungen und kann daher nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein.

    Da somit die mitbeteiligte Partei nur im Rahmen der von ihr erhobenen Einwendungen Parteistellung erlangt hat, kann sie auch nur insoweit Parteirechte beanspruchen. Ein über die erlangte Parteistellung hinausgehendes Berufungsvorbringen ist daher unzulässig. Die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid enthält kein Vorbringen, das die Behauptung der Verletzung derjenigen subjektivöffentlichen Rechte zum Gegenstand hätte, welche auf Grund der rechtzeitigen Einwendungen die Begründung der Parteistellung der mitbeteiligten Partei bewirkt haben. Die Berufung war daher unzulässig. Dies hatte zur Folge, dass der belangten Behörde als Berufungsbehörde eine meritorische Entscheidung über die Berufung der mitbeteiligten Partei im Beschwerdefall versagt war (vgl. Ph. Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren, Seite 82, m. w.N.; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 90/06/0093).

    Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Berufung der mitbeteiligten Partei, in welcher ausschließlich Rechte geltend gemacht wurden, bezüglich deren der mitbeteiligten Partei mangels Erhebung rechtzeitiger Einwendungen die Parteistellung fehlte, meritorisch erledigte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den bereits im Schriftsatzaufwand enthaltenen Betrag für die beanspruchte Mehrwertsteuer in der Höhe von EUR 181,60.

    Wien, am 17. Juni 2003

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