Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 1. Juli 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte unter dem Namen R. V. einen Asylantrag. Am 11. August 2000 gab der Beschwerdeführer zunächst auf Befragen, weshalb er bei der Asylantragstellung "ein gänzliches anderes Nationale" bekannt habe, an, dies sei ihm vom Schlepper so angeordnet worden. Nach der Schilderung des Fluchtweges führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen aus, er habe sich im Iran niemals politisch betätigt, sei aber in seiner Heimat der Beteiligung an einer Unruhe beschuldigt worden. Am 14. April 2000 habe zum Todestag eines namentlich genannten Imam eine Prozession in der Heimatstadt des Beschwerdeführers stattgefunden, an der dieser teilgenommen habe. An dem Trauerzug, der auch in der Nähe des Hauses des Beschwerdeführers vorbeigeführt habe, hätten sich mehr als 1000 Leute beteiligt. Eine Gruppe von Leuten, von denen der Beschwerdeführer annehme, dass es Basiji gewesen seien, hätten Prozessionsteilnehmer nach Hause schicken wollen und es sei deswegen zu einer Auseinandersetzung gekommen. Als der Beschwerdeführer die Tür seines Hauses geöffnet habe, seien etwa 13 Personen, die der Beschwerdeführer nicht gekannt habe, mit ihm ins Haus gekommen und dort etwa 45 Minuten verblieben. Am 19. April 2000 sei u.a. der Beschwerdeführer von Angehörigen des Geheimdienstes festgenommen und drei Tage in Haft gehalten worden. Während dieser Haft sei der Beschwerdeführer geschlagen worden, wovon er eine Verletzung mit Schmerzen am linken Auge davongetragen habe. Der Beschwerdeführer sei 15 Tage im Krankenhaus gewesen und der Arzt habe festgestellt, dass der Nerv seines linken Auges angeschwollen sei. Anfang Juni 2000 sei der Beschwerdeführer neuerlich für sieben Stunden festgenommen worden und man habe ihm dabei eine weitere Verhaftung für Mitte Juni angekündigt. Da der Beschwerdeführer, gegen den es bislang nicht zu einer Anklage gekommen sei, gehört habe, dass ein Bekannter "wegen des gleichen Falles" zu drei Jahren Gefängnis und 31 Peitschenhieben verurteilt worden sei, habe er seine Heimat verlassen.
Das Bundesasylamt versagte dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit, wies seinen Asylantrag mit Bescheid vom 30. August 2000 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gleichzeitig gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er mit nachfolgenden Schriftsätzen ergänzte. Mit (in iranischer Sprache verfasstem) Schreiben vom 14. Dezember 2000 legte der Beschwerdeführer eine "Gerichtsladung" vor, die ihm seine Familie aus seiner Heimat mit der Post zugeleitet habe. Darüber hinaus verwies der Beschwerdeführer auf einen stationären Krankenhausaufenthalt in Österreich, der "wegen der Schläge auf meinen Kopf und der daraus resultierenden Probleme und ständiger Schwindel" erforderlich gewesen sei. Durch Röntgenaufnahmen und diverse Untersuchungen sei festgestellt worden, dass "die Nerveninfektion durch psychischen Schock" entstanden sei, wozu der Beschwerdeführer ein ärztliches Gutachten ankündigte. Ein solches legte er der Behörde mit Berufungsergänzung vom 15. Dezember 2000 vor und meinte, es gehe aus diesem ärztlichen Schreiben hervor, dass er während seiner zwangsweisen Anhaltung misshandelt worden sei. Die "Schädelverformung, die ich von Misshandlungen im Gefängnis erlitten habe, sind somit ärztlich dokumentiert".
Die belangte Behörde führte mit dem Beschwerdeführer am 30. März 2001 eine Berufungsverhandlung durch und befragte ihn neuerlich nach seinen Fluchtgründen. Der Beschwerdeführer stimmte dabei einer Überprüfung der von ihm vorgelegten Gerichtsladung durch die österreichische Botschaft in Teheran bzw. durch einen von dieser beigezogenen Experten zu. Zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Gutachten hielt die belangte Behörde in der Verhandlungsschrift fest, dass dieses "für Nichtmediziner nicht verständlich" und "dabei kein Zusammenhang zu den von Ihnen erwähnten Schlägen auf den Kopf feststellbar" sei.
Mit Schreiben vom 24. September 2001 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der österreichischen Botschaft in Teheran vom 11. September 2001 zur Kenntnis. Demnach handle es sich bei der genannten Ladung um eine Fälschung (wozu im Schreiben der Botschaft zur Begründung "Die Handschrift ist überall die gleiche.", "Es ist kein Stempel vorhanden." und "Oben links dürfte der Text manipuliert worden sein." angeführt ist). Mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 trat der Beschwerdeführer der Ansicht über die fehlende Echtheit der Ladung, bei der es sich lediglich um eine "Bekanntmachung" handle, die zur Abholung der eigentlichen Ladung diene, entgegen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 2002 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß den §§ 7 und 8 AsylG ab. In ihren Sachverhaltsfeststellungen folgte die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers insoweit, als sie ihrer Entscheidung die vom Beschwerdeführer genannte Prozession und dessen Aussage, er habe sich in seiner Heimat nicht politisch betätigt, zu Grunde legte. "Ausdrücklich nicht festgestellt" werde, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Vorfälle im Zusammenhang mit den Trauerkundgebungen Verfolgungsgefahr im Iran zu gewärtigen habe. In ihrer Beweiswürdigung ging die belangte Behörde zunächst "in Übereinstimmung mit der österreichischen Botschaft in Teheran" davon aus, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Gerichtsladung um eine Fälschung handle. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der genannten Trauerprozession sei "vergleichsweise konkret und detailliert", was auf Grund des Bildungsgrades des Beschwerdeführers (dieser hatte im Verwaltungsverfahren ein Schreiben über einen Studienabschluss vorgelegt) nicht verwundere. Aus im angefochtenen Bescheid näher genannten Widersprüchen und Unplausibilitäten im Vorbringen des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ausgetauschte Identität sei seinem Vorbringen über eine Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr im Iran jedoch keine Glaubwürdigkeit beizumessen. In ihrer Hilfsbegründung meinte die belangte Behörde, vor dem Hintergrund der "glaubwürdigen Aussage" des Beschwerdeführers, wonach dieser sich nicht politisch betätigt habe und nur zufällig in den genannten Tumult hineingeraten sei, fehle diesem Vorbringen, selbst wenn es als wahr unterstellt würde, der Zusammenhang mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und macht geltend, es erscheine nicht nachvollziehbar, warum im angefochtenen Bescheid von einer Fälschung der vorgelegten Ladung, bei der es sich in Wahrheit lediglich um eine typischerweise nicht mit einem Stempel versehene Bekanntmachung handle, ausgegangen werde. Die belangte Behörde hätte in ihrer Entscheidung auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte ärztliche Attest berücksichtigen müssen, demzufolge mehrere "Läsionen links im Mittelhirn" und in anderen Gehirnteilen von Schlägen herrührten.
Abgesehen von diesem Vorbringen wendet sich die Beschwerde gegen die Hilfsbegründung des angefochtenen Bescheides. Darin hat die belangte Behörde, wie erwähnt, die Auffassung vertreten, dem Vorbringen des Beschwerdeführers fehle es schon an einem Zusammenhang mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründen. Damit übersieht die belangte Behörde allerdings, dass es nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer in seiner Heimat jemals tatsächlich politisch aktiv war und - deshalb - verfolgt wird. Eine asylrelevante Verfolgung liegt vielmehr bereits dann vor, wenn dem Betreffenden wegen - unterstellter - politischer Absichten Verfolgungshandlungen von maßgeblicher Intensität drohen (vgl. in diesem Zusammenhang das ebenfalls den Iran betreffende hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zl. 99/20/0550, hinsichtlich unterstellter regimefeindlicher Tätigkeiten).
Im vorliegenden Fall kommt es somit darauf an, ob die dargestellte primäre Begründung des angefochtenen Bescheides der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle standhält. Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde, wie die Beschwerde bestreitet, auf Grund des genannten Schreibens der österreichischen Botschaft in Teheran zu dem Ergebnis gelangen durfte, es handle sich bei der erwähnten Ladung um eine Fälschung. Der Beschwerdeführer hat nämlich im Verwaltungsverfahren zur Untermauerung seiner Ausführungen vorgebracht, er könne durch das von ihm vorgelegte ärztliche Schreiben die von ihm während der Haft erlittenen Verletzungen und damit die ihm drohende Verfolgung bei Rückkehr in seine Heimat glaubhaft machen. Diesem Beweisanbot, mit dem sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht mehr auseinander setzte, begegnete sie in der Verhandlung mit dem Hinweis, das vorgelegte Gutachten sei "für Nichtmediziner nicht verständlich". Abgesehen davon, dass die belangte Behörde vor diesem Hintergrund nicht zu der (in der Verhandlungsschrift protokollierten) Ansicht gelangen durfte, ein Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer erwähnten Schlägen auf den Kopf sei nicht feststellbar, hat sie durch das Unterlassen weiterer Ermittlungen zu diesem Thema Verfahrensvorschriften verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht ankommt oder wenn das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 234 zu § 45 AVG referierte hg. Judikatur). Dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall insbesondere auch die letztgenannte Voraussetzung nicht als erfüllt ansehen durfte, ergibt sich aus dem bereits genannten Umstand, dass sie das ärztliche Gutachten als für sie unverständlich erachtete. Die belangte Behörde hätte daher eine nähere Auseinandersetzung mit dem in Rede stehenden ärztlichen Attest (insbesondere durch Klärung seines Inhaltes und seines Bezuges zu den behaupteten Schlägen) keinesfalls unterlassen dürfen, was die Beschwerde durch Verweis auf die nunmehrigen Krankheitssymptome des Beschwerdeführers (bei diesem Vorbringen handelt es sich, anders als die Behörde in der Gegenschrift meint, nicht um eine unzulässige Neuerung, sondern um die notwendige Darstellung der Relevanz des Verfahrensmangels) zutreffend aufzeigt.
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 27. Februar 2003
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